Transkript
REFERAT q EXPOSÉ
Vorkommen und Therapie des Madelung’schen Fetthalses (Benigne beidseitige Lipomatose)
ERNST MORITSCH
Die benigne beidseitige Lipo-
matose des Kopf-Hals-Bereichs
(M. Madelung) tritt überwie-
gend bei Männern auf; eine
genaue Ursache ist nicht be-
kannt, möglicherweise spielt
Alkoholabusus eine Rolle. Bei
Verdrängungsbeschwerden und
auch aus kosmetischer Veran-
lassung werden Resektionen
und Liposuktion vorgenommen;
Rezidive kommen gelegentlich
vor, Malignität ist kaum zu
erwarten.
Der Madelung'sche Fetthals entspricht einer symmetrischen Lipomatosis des Halses, übergreifend auf Gesicht und retropharyngeale Bereiche, eventuell auch Richtung Schulter, Oberarm und Mediastinum. Die Erkrankung verläuft progredient, ist nicht spontan reversibel, die Ursache unbekannt; vielfach liegt allerdings ein erhöhter Alkoholkonsum vor. Auch nach Absetzen des Letzteren oder nach Abmagerung bleiben die Lipomatommassen bestehen. Neben dem manchmal monströsen Aussehen
kann es zu Schluckbehinderungen, Beweglichkeitseinschränkungen des Kopfes und Sprachstörungen kommen. Schmerzen bestehen im Allgemeinen nicht. Einzelne Fälle haben aber keine Alkoholanamnese, sodass auch andere auslösende Faktoren anzunehmen sind. Die Ausbildung des Fetthalses kann sich über Jahre und Jahrzehnte erstrecken. Zusätzlich zu Anamnese, äusserem Befund und HNO-Untersuchung gibt die Magnetresonanztomografie Aufschluss über Ausmass und Begrenzung des Prozesses. Histologisch findet man relativ grosse Fettzellen mit gefässhaltigen Bindegewebssepten. Im Gegensatz zu echten Lipoma ist die Abgrenzung zur Umgebung unscharf, nur gelegentlich findet sich eine Art Pseudokapsel. Malignität ist kaum zu erwarten; im Schrifttum findet sich nur ein Einzelbericht über eine solche Entartung. Eine kausale Therapie existiert nicht. Man ist auf die chirurgische Reduktion der Fettgewebsmassen sowie auf Liposuktion angewiesen. Eine solche Behandlung erscheint indiziert, wenn störende Kompressionserscheinungen auftreten und naturgemäss aus kosmetischen Gründen. An der HNO-Klinik Erlangen-Nürnberg wurden 12 Patienten wegen einer solchen Erkrankung operiert, 11 Männer und 1 Frau, Alter zwischen 34 und 62 Jahren. 8 Fälle gaben einen erheblichen bis exzessiven Alkoholkonsum an. Ein weiterer Fall wurde an der HNO-Klinik München-Grosshadern operiert: 70-jähriger Patient, erkrankt seit 17 Jahren, anamnestisch 1,5 bis 2 Liter Wein pro Tag. Beim chirurgischen Vorgehen wird das gewucherte Fettgewebe möglichst weit gehend reseziert. Auf N. facialis, Speicheldrüsen und Gefässnervenscheide ist naturgemäss zu achten. Soweit die chirurgische Ausräumung nicht zum Ziel führt,
lassen sich Fettgewebeteile noch durch Liposuktion absaugen. Damit ist auch eine kosmetische Modellierung des Gesichtes leichter möglich. Bei 3 der 12 Fälle entwickelte sich im Laufe von bis zu drei Jahren ein Rezidiv, doch wünschten die Patienten keinen weiteren Eingriff. Im Allgemeinen waren die Patienten mit dem Resultat sowohl funktionell als auch kosmetisch durchaus zufrieden. Besondere Wundheilungsprobleme traten nicht auf. Solange keine kausale Therapie bekannt ist, erscheinen die angegebenen Massnahmen weiterhin als einzig brauchbare Methode.
Kommentar des Referenten
Wahrscheinlich gibt es diese Erkrankung
öfter als in der Literatur beschrieben,
denn schwere Alkoholiker wenden ihrem
Äusseren und ihrer Gesundheit meist nur
eingeschränkt Beachtung zu und können
mit ihrem Madelung’schen Fetthals leben,
solange der gute Tropfen den Schlund
hinabrinnen kann. Erst wenn Atem-
schwierigkeiten oder Schluckstörungen
auftreten, suchen sie ärztliche Hilfe auf.
Dies ist aber eine Allgemeinerscheinung
bei allen Alkoholikern, gleich welche Er-
krankung sich etabliert hat.
q
1. Dr. med. R. Zeidler et al.: HNO-Klinik der Universität München, Klinikum Grosshadern. Der Madelung-Fetthals. Aktuelle Diagnostik und Therapie. HNO 2002; 50, 1075–1078. 2. PD Dr. J. Constantinidis et al. : Univ.HNO-Klinik Erlangen-Nürnberg. Chirurgische Therapie des Morbus Madelung im Kopf- und Halsbereich. HNO 2003; 51: 216–220.
Ernst Moritsch
Interessenkonflikte: keine deklariert
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