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STUDIEq ÉTUDE
Softdrinks machen dick und erhöhen das Diabetesrisiko
Ergebnisse einer JAMA-Studie
JOURNAL OF THE AMERICAN MEDICAL JOURNAL
Bereits ein Softdrink am Tag
kann langfristig krank
machen. Denn der reichliche
Konsum von Limonaden und
Cola macht nicht nur dick,
sondern erhöht auch das
Risiko, an Diabetes zu erkran-
ken. Das zeigt eine Auswer-
tung im Rahmen der Nurses
Health Study.
Dass Cola und Co. bislang nicht gerade als Diätdrinks auffällig geworden sind, ist bekannt. Dass der reichliche Konsum dieser stark zuckerhaltigen Süssgetränke aber auch Erwachsene ernsthaft krank machen kann, hat jetzt eine wissenschaftliche Bestätigung erfahren. Eine amerikanische Arbeitsgruppe hatte im Rahmen der Nurses Health Study erhobene Daten auf die Frage hin ausgewertet, welchen Einfluss Trinkgewohnheiten auf das Körpergewicht und die Entstehung eines Typ2-Diabetes haben. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine prospektive Kohortenstudie, die es den Untersuchern erlaubte, die Trinkgewohnheiten in zeitlichem Zusammenhang mit der Gewichtszunahme zu beschreiben. Insgesamt wurden Daten von über 50 000 Fauen in
Ginge es nach amerikanischen Ernährungsmedizinern, sollten Cola- und LimonadenAutomaten in Schulen verboten werden.
jüngerem und mittleren Lebensalter analysiert. Es zeigte sich dabei, dass Frauen mit hohem Softdrinkkonsum – das heisst mindestens ein Süssgetränk täglich – stark an Gewicht zulegten. Vor allem Cola und Limonaden tragen ihren Teil dazu bei, während ungezuckerte Fruchtsäfte anscheinend ein geringeres Übel darstellen.
einzusparen. «Flüssige Kalorien sind in der menschlichen Nahrung etwas relativ Neues. Vielleicht nimmt das Sättigungszentrum sie deshalb nicht ausreichend wahr», meint die Ernährungesmedizinerin Caroline Apovian vom Boston Medical Center in einem begleitenden JAMA-Kommentar. Allerdings ist die Grossstudie methodisch nicht unangreifbar. Es zeigte sich nämlich, dass Frauen, die im Untersuchungszeitraum
Diabetesrisiko fast
verdoppelt Doch nicht die zusätzlichen
“ Vielleicht nimmt das
Pfunde fielen ins Gewicht, mehr Sättigungszentrum flüssige Kalorien
noch konnte erstmals überhaupt gezeigt werden, dass Softdrinks tatsächlich das Risiko
”nicht ausreichend wahr
erhöhen, an Typ-2-Diabetes zu
Caroline Apovian
erkranken. Das relative Risiko
stieg bei den Süssgetränkliebhaberinnen zwischen 1991 und 1999 ihren Cola-Kon-
um 80 Prozent, verdoppelte sich also na- sum steigerten, insgesamt ungesünder
hezu. Die Frauen nahmen mit den Ge- lebten: Sie bewegten sich weniger, rauch-
tränken offensichtlich zusätzliche Kalorien ten mehr und nahmen weniger Eiweiss,
auf, ohne diese bei der festen Nahrung Magnesium und Ballaststoffe zu sich –
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STUDIEq ÉTUDE
Softdrinks machen dick und erhöhen das Diabetesrisiko
Softdrinks: Sind Zähne wehrlos?
Softdrinks sind seit längerem auch ins Visier der Zahnärzte geraten. Cola, Zitrusbrausen oder Orangensaft schwächen den Zahnschmelz, bis er erweicht und schliesslich kleine Teile herausbrechen. Ein Forscherteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Universität Bristol hat untersucht, ob die Zähne diese Säureangriffe abwehren können, ob also im Mund durch Selbstreparatur der Schaden behoben wird. Ihre Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift «Surface Science» (Vol. 553, Iss. 1–3, S. 105–114) erschienen sind, lassen Zweifel an der gängigen Annahme von der Selbstreparatur aufkommen. Die Forscher schnitten extrahierte Backenzähne in kleine Stücke und setzten sie in eine Trägerzahnspange ein. Diese Spange wurde von einem Probanden getragen, der dann Wasser, Orangensaft und eine Zitronensäurelösung trank, deren Säuregehalt dem bekannter Softdrinks entsprach. Nach dem Konsum eines Viertelliters des jeweiligen Getränks wurde mit dem so genannten Nanoindenter – einer hauchdünnen Metallspitze – die Zahnschmelzerweichung gemessen. Ein Viertelliter Orangensaft bewirkte bereits eine deutliche Erweichung an den Zähnen. Nur Wasser zeigte keinen erosiven Effekt. Wichtiger Faktor für die Tiefe der Erosion ist der pH-Wert des Getränkes. Um zu überprüfen, ob sich die Zähne selbst wieder reparieren, wurden die Zahnproben bis zu drei Tage weitergetragen. Doch der Zahnschmelz remineralisierte nicht, wies stattdessen eine nahezu unveränderte Erweichung auf. «Das ist das Ergebnis unter den experimentellen Bedingungen dieser Studie», meint der Jenaer Materialwissenschaftler Professor Klaus Jandt. Um letzte Sicherheit zu erlangen, erfolgen nun ähnliche Studien mit einer grösseren Anzahl von Probanden.
behauptet, viele Todesfälle durch chroni-
sche Erkrankungen gingen unter anderem
auf das Konto von Übergewicht. Dem
Bericht zufolge könnten Millionen Men-
schen vor chronischen Krankheiten be-
wahrt werden, wenn sie sich richtig er-
nährten und ausreichend bewegten. Die
Nahrungsmittelindustrie wird für ihr Mar-
keting kritisiert, das sie für kalorienreiche,
aber wenig nährstoffhaltige Lebensmittel
aufbietet. Allerdings stiessen WHO und
FAO beim US-amerikanischen Gesund-
heitsministerium (US Department of Health
and Human Services) auf taube Ohren.
Die Regierungsstellen wiesen den Bericht
zurück, erklärten ihn für nicht evidenz-
basiert und den geforderten Qualitäts-
standards nicht entsprechend. Apovian
und andere Ernährungsexperten sehen
sich mit einem Déjà-vu-Erlebnis konfron-
tiert. Das Vorgehen von Industrie und Re-
gierung entspreche genau der Taktik, mit
der ehedem versucht wurde, die öffent-
lichen Kampagnen gegen das Rauchen zu
verhindern.
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Faktoren also, die selbst das Körpergewicht und das Diabetesrisiko beeinflussen. Dennoch bedeuten die Ergebnisse Wasser auf die Argumentationsmühlen vieler amerikanischer Mediziner, die sich einer «Fettleibigkeitsepidemie» gegenübersehen und Alarm schlagen. Cola gehört für viele Kinder offenbar zur «natürlichen» Ernährung dazu, und das Wort vom Altersdiabetes ist bereits ein Begriff aus vergangenen Zeiten. Gerade in den USA bekommen bereits Jugendliche einen Typ-2-Diabetes. «Wir sollten die Cola-Automaten aus den Schulen verbannen», appelliert Apovian an die zuständigen Regierungsbehörden.
Die Reduktion von Zucker in den Getränken sei der beste Weg, die adipöse Epidemie zu stoppen. Das aber setze Erziehung voraus und eine Anstrengung des öffentlichen Gesundheitswesens, die bislang noch nicht zu entdecken sei.
US-Regierung weist WHOBericht zurück
Im vergangenen Jahr hatten die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Welternährungsorganisation (FAO) in einem gemeinsamen Bericht die Fettleibigkeit als weltweites Problem gebrandmarkt und
Matthias B. Schulze et al.: Sugar-sweetend beverages, weight gain, and incidence of type-2-diabetes in young and middle-aged women. JAMA 2004; 292: 927–934. Caroline M. Apovian: Sugar-sweetend soft drinks, obesity, and type-2-diabetes. JAMA 2004; 292: 978–979.
Uwe Beise
Interessenlage: C. Apovian erhielt Honorare und Stipendien von mehreren Pharmaherstellern und von den National Institutes of Health.
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