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EDITORIAL q ÉDITORIAL
«E s ist besser, therapeutischen Unsinn zu glauben als offen den therapeutischen Bankrott einzugestehen – besser in dem Sinn, dass ein wenig Leichtgläubigkeit uns bessere Ärzte, wenn auch schlechtere Wissenschaftler, sein lässt.» Dieser Satz des britischen Arztes Richard Asher scheint geeignet, auch auf die Akupunktur gemünzt zu werden. Vom Standpunkt der strengen Wissenschaft aus betrachtet ist die Akupunktur so unbewiesen wie viele andere alternative Heilverfahren auch. Dennoch hat sie sich im Haus der westlichen Schulmedizin als Dauergast eingerichtet. Akupunkteure und Patienten vertrauen auf die Wirksamkeit
Akupunktur auf der ganzen Linie also, könnte man meinen, eine Zurechtweisung und Widerlegung ignoranter und arroganter Kritiker. Doch so einfach ist es nicht. Die Studie hält für die Akupunkteure auch eine äusserst zwiespältige Lektion bereit. Sie müssen einstweilen mit der Einsicht leben,
Akupunktur – unerklärlich erfolgreich
der fernöstlichen Heilmethode und lassen sich von fehlenden oder mangelhaften Studien nicht beirren. Wozu wissenschaftliche Beweisführung, wenn das Recht bei denen ist, die heilen oder lindern? Soeben sind die ersten Ergebnisse der German Acupuncture trials (Gerac) der Öffentlichkeit präsentiert worden (Seite 1084). Sie sind Wasser auf die Argumentationsmühlen der Akupunkteure. Die Nadelung nach den Regeln der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zeigt demnach bei Patienten mit chronischen Kreuz- und Knieschmerzen einen für Monate anhaltenden Effekt – die Schmerzen gehen zurück, die Funktionsfähigkeit nimmt zu. Und als wäre dies nicht schon Erfolg genug, versetzt die Studie obendrein der Schulmedizin noch empfindliche Nadelstiche, die unter die Haut gehen: Die Akupunktur übertrifft die konventionelle medikamentöse Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika um Längen. Die unter grossem Aufwand und unter randomisierten und kontrollierten Bedingungen durchgeführten Untersuchungen geben nur wenig Anlass, an den Ergebnissen grundlegenden Zweifel anzumelden. Ein Sieg der
dass es offenbar gar nicht darauf ankommt, die Nadeln genau an jenen Akupunkturpunkten einzubringen, die sie in zahlreichen Kursen erlernt und erprobt haben. Wer die Nadeln an «falschen» Punkten platziert (Sham-Akupunktur), kann mit einem fast ebenso grossen Therapieerfolg rechnen. Die der Methode zugrunde liegende Meridiantheorie ist damit zumindest erheblich in Frage gestellt. «Niemand weiss, warum Akupunktur wirkt», meint der Gerac-Studienkoordinator Trampisch etwas ratlos. Nach einem gängigen Erklärungsmodell wird man die Erfolge wohl als einen ausgeprägten Plazeboeffekt auslegen. Fest steht, dass es schmerzlindernde Kräfte gibt, die beweisbar sind, auch ohne dass wir sie mit den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Methoden hinreichend erklären können. Wer will, mag in den Akupunkturerfolgen ein Beispiel für das Irrationale in der Medizin erkennen. Für dieses wiederum gilt, dass es nicht nur den alternativen Heilverfahren zufällt.
Uwe Beise
A R S M E D I C I 2 2 q 2 0 0 4 1081