Transkript
STUDIE● ÉTUDE
Wie wird eine Hepatitis-C-Infektion bei HIV-Patienten behandelt?
Zwei Studien zeigen, dass Peginterferon alfa plus Ribavirin derzeit die besten Erfolgschancen bietet
NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE
Die Hepatitis-C-Infektion ist heute bei HIV-positiven Patienten eine häufige Koinfektion. Die Therapie ist bislang wenig aussichtsreich, mit der Kombination von Peginterferon alfa-2a und Ribavirin scheinen die Erfolgschancen verbessert. Das zeigen zwei Studien, die in diesem
lungsaussichten. Zudem kann Ribavirin offenbar mit Thymidinanaloga wie Zidovudin und Stavudin interferieren und womöglich das toxische Potenzial von Didanosid erhöhen. Neben der problematischen Verträglichkeit ist die Wirksamkeit der HCV-Therapie bislang eher schlecht. Interferon alfa und Ribavirin (Rebetol®) schaffen es oft nicht, die Virämie lang anhaltend zu unterbinden. Allerdings geht man nach bisherigen Erfahrungen davon aus, dass die therapeutische Ausbeute sich verbessert, wenn statt Interferon alfa das pegylierte Interferon alfa (PegIntron®, Pegasys®) gewählt wird. Bei den Peginterferonen handelt es sich um herkömmliches Interferon alfa, an das eine Polyethylenkette gekoppelt ist. Die Substanzen sind dadurch weniger immunogen, haben eine längere Halbwertzeit und müssen deshalb nur noch einmal wöchentlich injiziert werden.
Merk-
sätze
● HIV-Patienten, die gleichzeitig an einer HCV-Infektion leiden, können mehrheitlich von einer Kombinationstherapie mit Peginterferon alfa-2a plus Ribavirin profitieren.
● Das gilt jedoch nicht für Patienten mit HCV vom Genotyp 1. Hier sind die Erfolgsaussichten schlecht, und es muss genau überlegt werden, ob eine Therapie überhaupt angeboten wird.
● Peginterferon alfa ist offenbar deutlich wirksamer als herkömmliches Interferon alfa.
Sommer im «New England
Journal of Medicine» publi-
ziert wurden.
Die chronische Hepatitis-C-Virusinfektion (HCV) und ihre Folgen zählen heute zu den wichtigsten Komplikationen bei Aidspatienten. Nicht selten endet die Hepatitisinfektion für die Betroffenen tödlich. Zu allem Unglück schreitet die Lebererkrankung bei HIV-infizierten Menschen anscheinend schneller voran. Die derzeitige Therapie basiert auf der Gabe von Interferon und Ribavirin, allerdings ist die Behandlung bei gleichzeitiger antiviraler HIV-Therapie nicht ohne Probleme. Häufig belasten Nebenwirkunen wie Depression, Anämie und Lymphopenie die Behand-
Der HCV-Genotyp ist für den Therapieerfolg ausschlaggebend
In den USA hat nun eine Untersuchung der Adult Aids Clinical Trials Group (ACTG) den Vorteil dieser Therapie bestätigen können. Die eine Hälfte der insgesamt 132 eingeschlossenen HIV-Patienten mit gleichzeitiger HCV-Infektion erhielt während 48 Wochen 180 ug Peginterferon alfa-2a (Pegasys®). Die Vergleichsgruppe wurde in den ersten zwölf Wochen dreimal wöchentlich mit 6 Millionen Einheiten Interferon alfa-2a behandelt, anschliessend wurde die Dosis halbiert. In beiden Gruppen kam Ribavirin in langsam steigender Dosierung zum Einsatz. Nach 24 Wochen unterzogen sich alle Teilnehmer, bei denen keine virologische Response erkennbar war, einer Leberbiopsie; Patienten, bei denen die Viruselimination
gelang oder sich eine histologische Verbesserung zeigte, wurden weiterbehandelt. Im Ergebnis zeigte sich, dass Peginterferon plus Ribavirin eine deutlich höhere Ansprechrate aufwies, mit 27 gegenüber 12 Prozent. Die Ergebnisse entsprechen einer französischen Studie, die mit Peginterferon alfa-2b durchgeführt wurde. Die Therapieerfolge sind dabei offenkundig stark davon abhängig, von welchem HCV-Genotyp die Patienten betroffen sind. HCV vom Genotyp 1 sprachen nur zu 14 Prozent an, andere Genotypen dagegen zu 73 Prozent. Damit scheint der HCV-Genotyp bei HIV-Patienten noch stärker den Therapieerfolg zu bestimmen. Die Autoren meinen, dass bei Patienten mit Genotyp 1 in jedem Einzelfall sehr genau überlegt werden müsse, ob man die Therapie überhaupt anbieten solle.
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STUDIE● ÉTUDE
Wie wird eine Hepatitis-C-Infektion bei HIV-Patienten behandelt?
Zukünftig müsse geklärt werden, ob sich für diese Patienten die Aussichten verbessern, wenn eine andere Ribavirin-Dosis gewählt wird.
Gibt es einen zweiten Wirkmechanismus?
Interessant war, dass bei jedem Dritten, der virologisch nicht auf die Therapie angesprochen hatte, bei dem also die HCVVirämie fortbestand, eine histologische Besserung zu beobachten war. «Das legt die Vermutung nahe, dass die Peginterferontherapie auch unabhängig von den antiviralen Effekten wirkt, und es stellt sich deshalb die Frage, ob die Behandlung nicht auch bei eingetretener mittelschwerer bis fortgeschrittener Fibrose fortgesetzt werden sollte. Eine solche Dauertherapie könnte in Dosierungen erfolgen, die die Viren nicht bekämpfen, aber womöglich das Fortschreiten der Leberfibrose bremsen.» Entsprechend wird heute bei Patienten verfahren, die ausschliesslich an einer HCV-Infektion leiden. Auf die Behandlung der HIV-Infektion hat die HCV-Therapie offenbar keinen nachteiligen Effekt. Eine Krankheitsprogression wurde jedenfalls in keinem Fall festgestellt. Die Überlegenheit von Peginterferon alfa gegenüber konventionellem Interferon alfa
zeigt sich auch in einer weiteren Studie, die in der selben Ausgabe des «New England Journal of Medicine» publiziert wurde, unter Federführung der APRICOT (Aids Pegasys Ribavirin International Coinfection Trial)-Studiengruppe. In die Studie wurden 868 Patienten mit HIV/HCV-Koinfektion aufgenommen, die bislang noch keine Hepatitis-C-Therapie erhalten hatten. Auch hier zeigte sich die Kombination aus Peginterferon alfa-2a und Ribavirin im Vergleich mit Interferon alfa-2a plus Ribavirin deutlich überlegen. Eine anhaltende Viruselimination gelang bei 40 Prozent gegenüber 12 Prozent der Patienten. Die Ansprechrate bei vom Genotyp 1 betroffenen HCV-Patienten lag günstiger als in der oben genannten Studie. Unter Peginterferon konnten die Hepatitisviren bei 29 Prozent anhaltend eliminiert werden, bei den übrigen Genotypen 2 und 3 lag die Ausbeute mit 62 Prozent tiefer als in der vorgenannten Untersuchung. Aufgrund der Studienerfahrungen plädieren die Autoren dafür, die Therapie abzusetzen, wenn nach 12 Wochen keine Response erkennbar ist. Ansonsten sei es ratsam, über 48 Wochen zu behandeln. Studien mit einer 24-wöchigen Therapie hatten nämlich zu schlechteren Ergebnissen geführt. Offenbar ist die Verträglichkeit der HCV-
Therapie bei HIV-Patienten nicht ungüns-
tiger als bei Menschen, die ausschliesslich
mit HCV infiziert sind. Die Autoren weisen
allerdings darauf hin, dass hämatolo-
gische Störungen unter Peginterferon
häufiger vorkommen als unter herkömm-
lichem Interferon.
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Francesca J. Torriani et al. (APRICOT Study Group): Peginterferon alfa-2a plus ribavirin for chronic hepatitis c virus infection in HIV-infected patients. N Engl J Med 2004; 351: 438–450. Raymond T. Chung et al. (AIDS Clinical Trials Group A5071 Study Team): Peginterferon alfa-2a plus ribavirin versus interferon alfa-2a plus ribavirin for chronic hepatitis c in HIV-coinfected persons. N Engl J Med 2004; 351: 451–459.
Uwe Beise
Interessenkonflikte: Die APRICOT-Studie wurde unter Mitwirkung von Roche konzipiert und ausgewertet. Die Firma stellt das Peginterferon alfa-2a Pegasys® her.
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