Transkript
FORTBILDUNG ● FORMATION CONTINUE
Wie kommt der Fremdkörper ans Tageslicht?
Hartnäckiger Splitter unter der Haut
CLAUS KOCH UND REINHOLD KLEIN
«Ein Patient berichtet, er habe
sich bei einer handwerklichen
Tätigkeit einen Holzsplitter
in den Unterarm gerammt.
Bei Inspektion der Wunde ist
der Splitter auch unter der
Haut zu erahnen. Er ragt jedoch nicht hervor, sodass er
Abbildung: Fremdkörper im Hypothenar – nach zwei Wochen kommt er spontan zum Vorschein.
sich mit der Pinzette nicht fassen lässt. Wie soll man in diesem Fall am besten vorgehen? Und was ist zu tun, wenn es sich anamnestisch um einen Metall- beziehungsweise Glassplitter handelt und/oder wenn bei der Wundinspektion nichts zu sehen ist?»
Antwort 1:
Wenn Zweifel über das Material des Splitters bestehen, fertigen wir vor jeder Intervention eine Röntgenaufnahme an. Metallsplitter, die man zum Beispiel bei Patienten nach Meisselarbeiten vermuten sollte, kann man im Bildwandler hervorragend erkennen und dann gezielt angehen. Auch Hartholz lässt sich unter Umständen im Röntgenbild darstellen. Lässt sich der Splitter gut unter der Haut tasten, setzen wir eine Lokalanästhesie und führen in der Verlaufsrichtung des Fremdkörpers einen Hautschnitt durch. Der Splitter lässt sich dann in der Regel mühelos entfernen. Auch wenn der Patient bereits einen Holzsplitter selbst entfernt hat, finden sich in der Tiefe erfahrungsgemäss oft noch Holzreste, die dann auf die beschriebene Weise entfernt werden müssen. Bei Glassplittern bleibt nichts anderes übrig, als den betroffenen Bereich aufzuschneiden und nach Glasresten zu su-
chen. Denn Glas hat die unangenehme Eigenschaft zu zerbröseln. Auch wenn bereits grössere Splitter entfernt wurden, verbleiben meist noch Reste in der Wunde. Hilfreich bei der «Glassuche» ist eine Moskitoklemme. Wenn das Metall auf Glas stösst, kann man das meist gut hören. Und denken Sie auch an die Tetanus-Impfung. Ist der Impfstatus nicht bekannt, heisst es im Zweifel: passiv und aktiv immunisieren!
Dr. med. Claus Koch D-93059 Regensburg
Antwort 2:
Wenn Sie den Fremdkörper «orten» können, das heisst wenn er sicht- oder tastbar ist, können Sie ihn in der Praxis selbst entfernen – vorausgesetzt, er befindet sich nicht an einer «heiklen» Stelle, wie etwa
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Wie kommt der Fremdkörper ans Tageslicht?
im Bereich von Nerven-Gefässverläufen oder wenn Verdacht auf Verletzungen sensibler Strukturen – etwa von Gelenken – besteht. Ist nur der Einstich sichtbar und die Lage des Fremdkörpers unklar, so rate ich zur Überweisung. Fangen Sie nicht an, die «Stecknadel im Heuhaufen» zu suchen! Ich selbst hatte vor Jahren einen Fall eines Mahagoni-Splitters im Hypothenar. Nach 30 Minuten gab ich auf – die Handchirurgen fanden nach einer Stunde Op. den Fremdkörper auch nicht. Erst 2 Wochen später kam er beim Verbandswechsel spontan zum Vorschein (Abbildung).
Zur Vorgehensweise : ● Die Entfernung erfolgt unter sterilen
Bedingungen – die Helferin bereitet den Eingriff vor*. ● Am Unterarm ist in der Regel eine Infiltrationsanästhesie möglich. Die Anäs-
thesie ist so durchzuführen, dass der Fremdkörper nicht im Infiltrat verschwindet. ● Anlegen der Blutsperre: Arm hochhalten – Blutdruckmanschette über den systolischen Druck hinaus aufpumpen. ● Inzision über dem Fremdkörper. ● Präparation entlang des Splitters mit dem Skalpell sowie unter kontinuierlichem Spreizen mit der Splitterfasszange, bis Sie das Ende des Splitters sehen (Entfernung unter Sicht), nicht einfach mit der Pinzette «anziehen», da der Splitter sonst möglicherweise abreisst und eine vollständige Entfernung nicht gesichert ist. ● Blutsperre öffnen. ● Drainage der immer kontaminierten Wunde – nicht zunähen!, da sonst Gefahr der Wundinfektion. ● Wundverband durch die Helferin. ● Wundkontrolle bei grösseren Verletzun-
gen am nächsten Tag wegen möglicher Serome oder Hämatome – bei kleineren Verletzungen am Tag 4 oder 5, um mögliche Wundinfektionen zu erkennen. ● Überprüfung und gegebenenfalls Vervollständigung des Tetanus-Impfschutzes.
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Dr. med. Reinhold Klein D-85235 Egenburg
*vgl. R. Klein: Chirurgische Assistenz in der Allgemeinpraxis. Instrumente – Zuarbeit – Kosten. 90 Seiten, Verlag Kirchheim, Mainz 1997.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 18/2003. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung.
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