Transkript
Medien ● ● ● Moden ● ● ● Medizin
Rosenbergstrasse 115
Die Raser bestimmen auch nach den Einbürgerungsinitiativen die Stammtisch- und die TV-Diskussionen. Sind Sie schon mal zu schnell gefahren? Die Frage geht an die im ZyschtigsclubFauteuil sitzenden Damen, die Polizeidirektorin des Kantons St.Gallen und die Psychologin. Verschmitztes Lächeln. Ja sicher, in Deutschland auf der Autobahn haben sie beide «schon mal» ausprobiert, wie schnell das Auto läuft. Ist das nun einfach peinlich oder nur ehrlich? Oder peinlich ehrlich? Die St.Galler Polizeidirektorin und die Psychologin Raserinnen? Nicht doch, der GaspedalDurchdruck fand ja zwischen Karlsruhe und Würzburg statt, und 180 km/h sind da allemal erlaubt. Ist also der Unterschied zwischen anständigen Raserinnen in Deutschland und straffälligen Rasern in der Schweiz einzig der, dass die einen nur rasen, weil oder wenn kein Verbotsschild am Strassenrand steht? Offensichtlich. Offensichtlich macht allein das helvetische 120-er Schild den Unterschied. Das Verantwortungsbewusstsein allein scheint die Damen jedenfalls nicht vom Geschwindigkeitsräuschlein abgehalten zu haben. Es scheint, da stellen sich den Damen doch erhebliche Legitimationsprobleme zumindest bei der moralischen Verurteilung von Rasern mit 180 km/h auf der Schweizer Autobahn.
●●●
Schuld an der Raserei ist die Werbung?! Haben wirs uns doch gedacht. Es beginnt beim Alkohol und den Zigaretten, es schwappt auf die Automobile über, es kommt der Zucker dran (zunächst nur über eine taxe santé verunglimpft).
●●●
Fragt ein Nicht-Kollege in mittelalterlicher Runde: Seid ihr in jungen Jahren wirklich nie nachts um vier mit 100
durchs Nachbardorf gerast? Schweigen. Meint ein anderer: Bin gespannt, ob sies in Florida diesmal schaffen, ohne Fehler bis hundert zu zählen.
●●●
Der Ärger des Kollegen ist gross. Wir haben jahrelang günstig gearbeitet, wurden vom Tarmed dafür mit einem tiefen Taxpunktwert «belohnt» und jetzt kappt man nochmals ein paar Rappen. Langsam beginne er sich mit den Bauern zu solidarisieren. Das seien auch so arme Deppen. Zuerst animiere man sie, mehr unternehmerische Aktivitäten zu entwickeln, aber kaum würden sie erfinderisch und wollten den städtischen Touristen «Schlafen im Heu» oder «Leben wie vor 100 Jahren» anbieten, kramten die Behörden irgendein Gesetz hervor, das ihnen den Bau einer (für die Touristenbeherbergung in einem andern Gesetz vorgeschriebenen) WCAnlage wieder verbiete.
●●●
Im Krieg leiden die Zivilisten am stärksten. Auch im asymmetrischen Krieg. Innert des soeben beendeten 17-tägigen «Kriegs» im Gazastreifen hat die glorreiche israelische Armee 27 Kinder getötet (neben 80 weiteren Personen), mehrere palästinensische Oliven- und Zitrusplantagen planiert, zahlreiche Strassen aufgerissen, mehrere UNOSchulen zerstört, 91 Wohnungen dem Erdboden gleich und so 143 Familien oder insgesamt 675 Menschen obdachlos gemacht. Das meldet die UNOHilfsorganisation UNRWA.
●●●
atupri (die Krankenkasse mit dem violetten Magazin) erklärt den Unterschied zwischen Schulmedizin, Komplementärmedizin und Ganzheitsmedizin. Schul-
medizin ist, wenn man die Krankheitssymptome isoliert beheben will. Sie ist eine auf den Körper bezogene Wissenschaft und sieht Kranksein als Fehlfunktion von physikalisch-chemischen und biologischen Mechanismen. So, da haben wirs. Ganz anders die Ganzheitsmedizin. Darunter versteht man eine individuelle und persönliche Medizin, die das Wohl und die Gesundheit des einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt. Da sollte doch jeder schulmedizinisch tätige Praktiker mal nachdenklich werden und sich überlegen, ob er nicht dazu übergehen sollte, statt der Symptome oder allenfalls einzelner Organe die ganzen Patienten in die Sprechstunde zu bestellen. Dann könnte er endlich auch mal statt Fehlfunktionen zu reparieren mit dem «ganzen Menschen in all seiner Vielfalt» ein paar Worte wechseln.
●●●
atupri kennt sich auch in Akupunktur aus und überhaupt in der Philosophie: «Eine Disharmonie an Lebensenergie führt früher oder später zur Krankheit.» Alles klar, wenn auch nichts begriffen. Und weiter? «Die Akupunktur bringt ein solches Ungleichgewicht durch Nadelung bestimmter Akupunkturpunkte wieder in Harmonie.» Zustimmen kann man zumindest der Vorstellung, gewisse Personen sollten dringend genadelt werden.
●●●
Bericht aus Lappland, von einem Trekking zu Fuss. Meint der Berichtende: Nach Tagen geprägt von kahlen Bergen hier und Moosen überall kommt man ins Grübeln. Auch über die letzten Dinge. Zum Beispiel darüber, ob Mücken einen Sinn machen.
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 2 1 ● 2 0 0 4 1037