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PHARMA FORUM
Aktive Wundheilung durch Hyaluronsäure
GISELA STAUBER
Anlässlich eines Symposiums am zweiten Meeting der «World Union of Wound Healing Societies» am 12. Juli in Paris wurde die Kombination des antibakteriell wirkenden Silbersulfadiazins mit der für die Reparaturmechanismen der Haut essenziellen Hyaluronsäure vorgestellt. Dank ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit eignet sich die neue Wirkstoffkombination zur effizienten Behandlung von Verbrennungen und akuten Wunden.
Wie Prof. Philipp Humbert, Besançon, zu Beginn des Symposiums ausführte, besteht ein sehr grosses Interesse an der Stimulierung und Steuerung von Wundheilungsprozessen. Charakterisch für Verbrennungen und traumatische Wunden ist die Zerstörung der intakten Körperoberfläche, der kutanen Hülle, wodurch
der Weg für eine bakterielle Besiedlung frei wird. Die Folge ist eine Verzögerung oder gar Unterbrechung des Heilungsprozesses, eine Vertiefung der kutanen Wunde und schliesslich die Bildung hässlicher Narben. Zudem bedeutet das für den Patienten, zusätzliche Schmerzen ertragen zu müssen.
Management von Verbrennungen und traumatischen Wunden
Gerade bei Verbrennungen, insbesondere bei solchen zweiten oder dritten Grades, und signifikanten traumatischen Wunden, welche mit einem hohen Infektionsrisiko assoziiert sind, müssen im Wundheilungsmanagement Antiinfektiva eingesetzt werden. Dies betonte Prof. Daniel Wassermann, Paris. Nicht infektionsgefährdet sind in der Regel nicht verschmutzte Wunden oder oberflächliche Verbrennungen mit geringer Ausdehnung. Hier genügt meistens ein neutraler Wundverband. Sobald jedoch Verschmutzungen, Infektionen oder ausgedehnte beziehungsweise tiefe Verbrennungen mit verletzter Dermis vorliegen, ist eine effiziente antibakterielle Lokalbehandlung erforderlich. Dazu können zum Beispiel Wirkstoffe auf Silberbasis verwendet werden.
Silbersulfadiazin als unverzichtbares Antiseptikum bei Verbrennungen
Die aussergewöhnliche antimikrobielle Wirkung von Silber ist schon lange bekannt. Silber und Silberverbindungen wie der Silbersulfadiazin-Komplex gehören zum medizinischen Standard in der Prophylaxe und Lokalbehandlung von akuten Wunden und Verbrennungen. Sie wirken gegen Dermatophyten und weitere Mikro-
organismen, wie sie in infizierten Hautläsionen vorkommen. Freigesetzte Silberionen binden an die bakterielle Zellmembran und schädigen infolgedessen die Membran- und Rezeptorfunktion. Bis heute konnte keine Resistenzentwicklung der bakteriellen Erreger bei Silbersulfadiazin festgestellt werden. Zudem zeichnet sich diese Verbindung nicht nur durch ihre Wirksamkeit, sondern auch durch ihre gute Verträglichkeit aus, da sie nur in geringem Masse von der Haut absorbiert wird. Einer der wenigen Nachteile von Silbersulfadiazin ist die verzögerte Reepithelisierung der Wunde. Es ist deshalb sinnvoll, die Beschleunigung der Wundheilung durch Hinzufügen eines entsprechenden Wirkstoffes wie etwa Hyaluronsäure herbeizuführen.
Hyaluronsäure: Schlüsselfunktion in der Wundheilung
Hyaluronsäure, ein natürlich in der Haut vorkommendes Mukopolysaccharid, erfüllt als wichtigster Bestandteil der extrazellulären Matrix nicht nur mechanische und strukturelle Aufgaben, sondern nimmt auch eine Schlüsselfunktion unter den Reparaturmechanismen der Haut ein. Das vielseitige Molekül triggert die Makrophagenantwort und induziert die Angioneogenese des verletzten Gewebes. Während des ganzen Heilungsprozesses stimuliert die Hyaluronsäure die Fibroblastenproliferation und unterstützt den Aufbau der extrazellulären Matrix. Zudem reguliert sie die Wanderung der am Entzündungspro-
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Prozentualer Anteil geheilter Patienten*
Aktive Wundheilung durch Hyaluronsäure
100 90 80 70 60 55,6% 50 45,6% 40 30
p = 0,02 87,0%
66,7%
20 10
0 12
16
Zeit (Tage)
* definiert als Heilung der Wundoberfläche zu mindestens 90%
88,9% 80,7%
20 Ialugen® Plus Silbersulfadiazin
hen, dass die Verletzungen im Verlauf von weniger als 20 Tagen spontan heilen sollten. Bei 54 Patienten wurde das Kombinationspräparat Hyaluronsäure mit Silbersulfadiazin und bei 57 ausschliesslich Silbersulfadiazin angewandt (1). Als Primärkriterium der Studie diente die durchschnittliche Heilungsrate (Wundheilung grösser oder gleich 90 Prozent der Wundoberfläche), welche über die gesamte untersuchte Periode (Tag 4, 8, 12, 16 und 20) verfolgt wurde. Bei der Gruppe, die mit der Wirkstoffkombination behandelt wurde, war die Heilungsrate 1,5-mal höher als bei den nur mit Silbersulfadiazin behandelten Patienten, wobei am Tag 16 ein signifikanter Wert (p = 0,02 im Fisher-Test) erreicht wurde (Abbildung). Somit ist das Kombinationspräparat der Verwendung eines einzelnen Wirkstoffes überlegen.
Kontrollierte Doppelblindstudie
Abbildung: Vergleichsstudie: Ialugen® Plus versus Silbersulfadiazin bei Verbrennungen
Gemäss den Ausführungen von PD Jan
zweiten Grades (1)
Koller, Bratislava, konnte die Überlegen-
heit einer kombinierten Behandlung mit
Hyaluronsäure und Silbersulfadiazin ge-
zess beteiligten Zellen. Die wundheilungs- gen ihrer guten Verträglichkeit und des genüber einer Behandlung nur mit Silber-
fördernde Wirkung ist gut dokumentiert. Komforts eine hohe Akzeptanz sowohl bei sulfadiazin auch in einer prospektiven
Patienten wie auch beim Pflegepersonal.
kontrollierten Doppelblindstudie nach-
Management akuter Wunden mit Wirkstoffkombination
Multizenterstudie
gewiesen werden. Untersucht wurden 33 Patienten mit oberflächlichen oder tiefen Verbrennungen zweiten Grades.
Mit Ialugen® Plus liegt ein Präparat vor, Prof. Michel Costagliola, Toulouse, stellte 18 Patienten erhielten Hyaluronsäure mit
welches die Vorteile von Hyaluronsäure eine multizentrische randomisierte Studie Silbersulfadiazin und 15 Patienten nur
und Silbersulfadiazin vereinigt. Aus der mit 111 Verbrennungspatienten vor. Bei Silbersulfadiazin, wobei sich die beiden
Sicht der Pflege fasste Isabelle Fromantin, allen Patienten konnte man davon ausge- Gruppen weder in hämatologischen und
Paris, Erfahrungen von 15 Krankenschwes-
tern/Pflegern zusammen, welche bei 43 Pa-
tienten mit traumatischen oder postope-
Tabelle 1: Verbleibender Wundbereich
rativen Wunden insgesamt 218 Wund-
(in Prozent bezüglich Wert vor der Behandlung)
behandlungen durchgeführt hatten. Die
nach 7, 14 und 21 Tagen Behandlung mit der
Anzahl Anwendungen der Creme, welche W i r k s t o f f k o m b i n a t i o n H y a l u r o n s ä u r e u n d S i l b e r -
bevorzugt bei Verbrennungen eingesetzt
sulfadiazin im Vergleich zur Behandlung mit
wurde, entsprach etwa der Anzahl Kom-
Silbersulfadiazin-Creme (2)
pressen, welche eher bei traumatischen Wunden verwendet wurden. 82 Prozent der Wundpflegen waren unproblematisch, und 70 Prozent verursachten keine Schmerzen. Bereits nach elf Tagen waren mehr als
Tag 7 14 21
lalugen® Plus-Creme 5,833 ± 14,168 0,000 ± 0,000 0,000 ± 0,000
Silbersulfadiazin-Creme 30,588 ± 28,167 6,250 ± 12,583 0,000 ± 0,000
p 0,0022** 0,0426*
eine von zwei Wunden geheilt. Sowohl Creme als auch Kompressen zeigten we-
Student’s Test: *p < 0,05 = statistisch signifikant, **p < 0,01 = statistisch hoch signifikant 1074 A R S M E D I C I 2 1 ● 2 0 0 4 PHARMA FORUM Aktive Wundheilung durch Hyaluronsäure Tabelle 2: Durchschnittliche Dauer bis zur vollständigen Heilung (2), definiert als Heilung der Wundoberfläche zu mindestens 90 Prozent Verwendete Wirkstoffe Ialugen® Plus Creme (n = 18) Silbersulfadiazin Creme (n = 15) p= Heilungszeit (Tage) 8,167 ± 2,684 13,067 ± 5,203 0,0015** Student’s Test: **p < 0,01 = statistisch hoch signifikant biochemischen Parametern noch in der Stärke und Ausdehnung der Verbrennungen signifikant unterschieden (2). Im Vergleich zur Anwendung nur silbersulfadiazinhaltiger Creme konnte durch die lokale Anwendung einer Creme, die zusätzlich Hyaluronsäure enthielt, eine deutlich kürzere Heildauer erzielt werden (Tabelle 1). Eine vollständige Wundheilung wurde durchschnittlich nach 8,2 ± 2,7 Tagen bei der Verwendung von Hyaluronsäure mit Silbersulfadiazin gegenüber 13,1 ± 5,2 Tagen bei der Anwendung von Silbersulfadiazin allein erreicht (Tabelle 2). Die Wundheilungsrate erwies sich somit bei der Wirkstoffkombination als signifikant höher. Zu Beginn betrug der Score der Ödembildung bei beiden Behandlungsgruppen 2, was als mittelschwer klassifiziert werden kann. Nach sieben Tagen war es zu einem signifikant schnelleren Rückgang des bestehenden Ödems bei der Wirkstoffkombination gekommen. In beiden Behandlungsgruppen liess sich eine Besserung der leichten bis mittelschweren Schmerzen innerhalb einer Woche erzielen, ebenso ergab die Bewertung der lokalen Verträglichkeit und der Zufriedenheit ein einheitliches Bild. Zum Abschluss des Symposiums fasste Prof. Daniel Wassermann die Erkenntnisse wie folgt zusammen: Bei signifikanten akuten Wunden sowie Verbrennungen zweiten Grades kann nicht auf Antiinfektiva verzichtet werden. Die Kombination eines wundheilungsfördernden Wirkstoffs wie Hyaluronsäure mit einer antiseptischen Silbersulfadiazinverbindung ist eine bedeutende Innovation in der Wundbehandlung. Literatur 1. Baux S. et al.: Etude clinique de l'ac- tivité et de la tolérance de Ialugen® PLUS dans le traitement des brûlures. Etude comparative (versus sulfadiazine argen- tique), randomisée et multicentrique. Brûlures 2004; 4: 233–236. 2. Koller J.: Topical treatment of partial thickness burns by silver sulfadiazine with the addition of hyaluronic acid compared to silver sulfadiazine alone. A double blind clinical study, Drug under Experimental and Clinical Research, in press. ● Dr. Gisela Stauber Redaktion «medicos» Lättendörfli 3 8114 Dänikon Mail: g.stauber@bluewin.ch A R S M E D I C I 2 1 ● 2 0 0 4 1075