Transkript
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Vulvovaginale Candidiasis
Wie vorbeugen?
HALID BAS
Lassen sich neuerliche Episo-
den bei rezidivierender vulvo-
vaginaler Candidiasis durch
eine länger dauernde Prophy-
laxe mit einem Antimykoti-
kum verhindern? Ist der Ein-
satz von Probiotika zur
Vorbeugung von antibiotika-
induzierten Vulvovaginitiden
effektiv? Zwei kürzlich
publizierte Studien geben
Antworten.
Rezidivierende Infektionen der Vulva und Vagina mit Candida albicans sind in der Praxis häufig. Sie betreffen etwa 5 Prozent der gesunden Frauen (1). Von einer rezidivierenden Candidiasis kann man sprechen, wenn jährlich vier oder mehr symptomatische Episoden auftreten. In 10 bis 20 Prozent der Fälle sind die Verursacher andere Candidaspezies (z.B. C. glabrata). Angesichts des Problems sollte man immer an mögliche Faktoren denken, die diese Pilzinfektionen begünstigen können. Dazu gehören Diabetes mellitus, häufige Antibiotika-Einnahme oder Langzeit-Steroidtherapie. Symptome im Bereich der Vulva können auch durch der-
matologische Leiden wie Dermatitis oder Lichen sclerosus hervorgerufen werden. Es gibt auch gegen Azole resistente Candidastämme. Ferner wurde eine Assoziation zwischen Atopie (besonders Rhinitis allergica) und einer verstärkten Symptomatik bei rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis beschrieben. In aller Regel erkranken aber immunkompetente, gesunde Frauen ohne erkennbare Risikofaktoren aus allen Bevölkerungsschichten an rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis. Die nicht als typische sexuell übertragbare Erkrankung anzusehende Infektion führt zu beträchtlichem Leidensdruck, beeinträchtigt das Sexualleben und verursacht hohe Kosten.
Orale Rezidivprophylaxe mit Fluconazol
Bisher stützte sich das Management vor allem auf intravaginal applizierte Mykotika, sowohl zur Behandlung einer akuten Episode als auch prophylaktisch zur Verhütung von Rezidiven. Dies wird jedoch öfters als unpraktisch empfunden. Mit der oralen Darreichungsform von Fluconazol (Diflucan®, Flunizol®) lassen sich nach einmaliger Einnahme von 150 mg für 72 bis 96 Stunden im Vaginagewebe und den Sekreten Fluconazol-Konzentrationen erzielen, die für über 90 Prozent der Candidaisolate über der minimalen Hemmkonzentration liegen. Dies erlaubt die einmal wöchentliche Gabe.
Methodik Eine kürzlich im «New England Journal of Medicine» publizierte prospektive, randomisierte US-amerikanische Multizenterstudie verglich die klinische und mykologische Wirksamkeit von Fluconazol mit Plazebo. Bei den 387 Teilnehmerinnen
Merk-
sätze
q In aller Regel erkranken immunkompetente, gesunde Frauen ohne erkennbare Risikofaktoren aus allen Bevölkerungsschichten an rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis.
q Die Infektion führt zu beträchtlichem Leidensdruck, beeinträchtigt das Sexualleben und verursacht hohe Kosten.
q In einer randomisierten kontrollierten Studie erwies sich orales Fluconazol (1 x 150 mg pro Woche) gegenüber Plazebo in der Unterdrückung von Rezidiven als signifikant überlegen.
q Noch ist eine wirkliche Heilung mit den verfügbaren Medikamenten bei rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis aber ausser Reichweite.
q In einer praxisnahen Studie waren Lactobacillus-Präparate (oral oder vaginal) zur Verhütung von antibiotikaassoziierter vulvovaginaler Candidiasis wirkungslos.
wurde zunächst mit drei 150-mg-Dosen Fluconazol in 72-Stunden-Intervallen eine klinische Remission erzielt. Dann erhielt je die Hälfte entweder 150 mg Fluconazol oder Plazebo einmal pro Woche während sechs Monaten. Primärer Endpunkt war
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der Anteil der Frauen, die nach sechs Monaten in Remission geblieben waren. Sekundäre Endpunkte waren die Klinik nach weiteren sechs Monaten sowie der mykologische Befund und die Zeitintervalle bis zum Auftreten eines Rezidivs.
Resultate Die wöchentliche Therapie mit Fluconazol war zur Vorbeugung von symptomatischen Rezidiven effektiv (Tabelle). Die mediane Zeit bis zum Auftreten eines Rezidivs betrug in der Fluconazolgruppe 10,2 Monate, in der Plazebogruppe jedoch nur 4,0 Monate (p < 0,001). Die mikrobiologische Untersuchung ergab keine Hinweise auf Fluconazol-Resistenzen bei Candida albicans oder auf eine Superinfektion mit C. glabrata. Die Verträglichkeit der Therapie war gut. 5 Patientinnen (2,9%) in der Fluconazolund 2 Patientinnen (1,2%) in der Plazebogruppe hatten mindestens eine Nebenwirkung, die zum Therapieabbruch führte. Nur bei 1 Patientin war Kopfweh, das Fluconazol zugeschrieben wurde, der Abbruchgrund. 1 Patientin hatte während der Erhaltungsphase eine leichte Aminotransferasenerhöhung, die aber nicht zur Beendigung der Behandlung Anlass gab. Leichte Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen selten. Unter Fluconazol berichteten 9 von 189 Patientinnen über Nausea, in der Plazebogruppe 3 von 190 Frauen.
Diskussion Die Studienautoren werten die Ergebnisse als Erfolg. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die orale Prophylaxe mit 150 mg Fluconazol pro Woche Rezidive zwar während sechs Monaten erfolgreich unterdrücken, aber während der folgenden sechs Monate keine Heilung garantieren kann. Für das komplexe Problem sehen sie keine einfache Erklärung. Offenbar sei es aber so, dass Frauen während der Einnahme des Antimykotikums zwar für mehrere Monate negative Pilzkulturen zeigen, aber immer noch Candidaerreger bergen können, die kulturell nicht nachweisbar sind, aber nach Absetzen des Medikaments zum Rezidiv führen. Hier dürften zusätzlich aber auch die körper-
Tabelle: Orale Rezidivprophylaxe mit Fluconazol bei rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis
Fluconazol Plazebo
6 Monaten 90,8% 35,9%
rezidivfrei nach 9 Monaten 73,2% 27,8%
12 Monaten 42,9% 21,9%
Die Unterschiede zugunsten der aktiven Behandlung sind nach 6, 9 und 12 Monaten jeweils statistisch signifikant (p < 0,001).
eigenen Abwehrmechanismen der Betroffenen eine wichtige Rolle spielen. Als beruhigend heben die Autoren hervor, dass – anders als bei HIV-Patienten mit oropharyngealem oder Speiseröhrensoor – keine Resistenzen oder häufigere Infektionen mit anderen Candidaspezies beobachtet wurden. Noch sei eine wirkliche Heilung mit den verfügbaren Medikamenten bei rezidivierender vulvovaginaler Candidiasis aber ausser Reichweite.
Orale oder vaginale Prophylaxe bei Antibiotika-Exposition
Zur Verhütung einer vulvovaginalen Candidiasis, die sich nach systemischer Antibiotikabehandlung entwickeln kann, werden oft Probiotika empfohlen. Dabei stehen – neben anderen Erregern, die auch in Jogurt vorkommen – Lactobacilli im Vordergrund. Eine eben im «British Medical Journal» (BMJ) veröffentlichte Studie, an der sich 50 Allgemeinpraxen und 16 Apotheken aus Melbourne (Australien) beteiligten, wollte testen, ob sich bei Antibiotikatherapie mit oralem oder vaginalem Lactobacillus Vulvovaginitiden verhindern lassen (3).
Methodik Die Autorinnen benützten dabei ein 2-x-2faktorielles Design. Geprüft wurden ein Pulver, das entweder ein LactobacillusPräparat (L. rhamnosus und Bifidobacterium longum) oder Plazebo enthielt, sowie ein Vaginalpessar mit einem anderen Lactobacillus-Präparat (L. rhamnosus, L. delbrueckii, L. acidophilus und Strepto-
coccus thermophilus) oder Plazebo. Während zehn Tagen nahmen die Teilnehmerinnen jeweils einen halben Teelöffel Puder 20 Minuten vor den Mahlzeiten und führten abends ein Pessar ein. Die Behandlung wegen nichtgynäkologischer Infektionen mit verschiedenen Antibiotika (am häufigsten Amoxicillin) dauerte sechs Tage, die Lactobacillus- beziehungsweise Plazebotherapie also vier Tage darüber hinaus. Mit dem Studiendesign ergaben sich vier Gruppen: oral und vaginal Lactobacillus; oral Lactobacillus und vaginal Plazebo; oral Plazebo und vaginal Lactobacillus sowie oral und vaginal Plazebo.
Resultate Die Ergebnisse waren enttäuschend: Insgesamt entwickelten 55 von 235 Patientinnen (23%, 95%-KI 18–29%) eine postantibiotische Vulvovaginitis. Im Vergleich zu Plazebo betrug die Odds Ratio für das orale Lactobacillus-Präparat 1,06 (95%-KI 0,58–1,94) und für das vaginale Lactobacillus-Präparat 1,38 (0,75–2,54). Die Compliance mit Antibiotika und Lactobacillus-Präparaten war hoch. Die Studie wurde nach der zweiten Interimsanalyse abgebrochen, da statistisch nur minimale Chancen bestanden, einen Therapievorteil doch noch nachweisen zu können.
Diskussion Die Autorinnen kommen zum Schluss, dass die orale oder vaginale Verabreichung von Lactobacillus in ihren Ergebnissen keine Stütze findet, und halten sogar weitere Forschung in dieser Richtung für
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kaum aussichtsreich, solange keine klareren Vorstellungen bestünden, wie Lactobacillus tatsächlich wirken könnte.
Studienkritik Wie immer bei Studien mit Probiotika meldeten sich im BMJ die Kritiker sofort. Insbesondere wird vor Verallgemeinerungen gewarnt, da sich verschiedene Probiotika in ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Ausserdem hätten längere Behandlungen geprüft werden sollen. Auch wird bemängelt, dass keine qualitativen und quantitativen Daten zur Besiedlung der Vagina vor, während und nach der Therapie erhoben wurden. Die Autorinnen weisen die Anwürfe mit dem Hinweis zurück, dass ihre Studie so praxisnah wie möglich konzipiert und durchgeführt wurde, was mehrfache Abstriche und
komplizierte mikrobiologische Untersu-
chungen ausschloss. Interessanterweise
habe die durchschnittliche Dauer bis zum
Auftreten von Vaginitissymptomen fünf
Tage betragen, sie seien also noch wäh-
rend der Antibiotikaeinnahme aufge-
taucht. Daran hätte eine längere Verabrei-
chung der Lactobacillus-Präparate nichts
geändert.
q
1. Helen Mitchell (Camden Primary Care Trust, London/UK): Vaginal discharge – causes, diagnosis, and treatment. Brit. med. J. 2004; 1306–1308. 2. Jack D. Sobel (Division of Infectious Diseases, Wayne State University School of Medicine, Detroit/USA) et al.: Maintenance fluconazole therapy for recurrent vulvovaginal candidiasis. New Engl. J. Med. 2004; 351: 876–883.
3. Marie Pirotta (Department of General Practice, Carlton, Victoria/AUS) et al.: Effect of lactobacillus in preventing post-antibiotic vulvovaginal candidiasis: a randomised trial. Brit. med. J. 2004; 329: 548–550.
Halid Bas
Interessenlage: Die Fluconazol-Studie wurde durch einen «individual institutional grant» der Firma Pfizer unterstützt. Die Autoren deklarieren Forschungsgelder zahlreicher Pharmafirmen. Verum- und Plazebo-Darreichungsformen sowie finanzielle Unterstützung kamen bei der Lactobacillus-Studie von den Herstellerfirmen Nutrition Care und Institute Rosell.
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