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EDITORIAL q ÉDITORIAL
E s scheint sich eine Revolution im schweizerischen Gesundheitswesen anzubahnen. Der Vertragszwang soll fallen. Zwar haben nicht einmal alle Kassen eine Managed-Care-Abteilung, die diesen Namen verdient. Von Medizin verstehen sie auch nicht viel. Trotzdem sollen bald Krankenkassen darüber entscheiden, mit welchen Ärztinnen und Ärzten sie Einzelverträge abschliessen wollen. Das Geld wird die ambulanten Leistungen regieren. Qualität wird erhalten, wer sich Medizin ohne Kassendeckung leisten kann. Die aktuelle Vorlage zur Auflösung des Vertrags-
den. Wer stellt nun sicher, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier die richtigen Informationen für ihre Entscheidungen erhalten? Es darf nicht sein, dass nur Netzwerkärzte und Kassenfunktionäre den Kommissionen ihre verzerrte Wahrnehmung darbieten. Die Ärzteschaft muss
Revolution im Gesundheitswesen
zwangs «Alle Macht den Kassenfunktionären» ist sicherlich kein geeigneter Vorschlag, die Probleme unseres Gesundheitswesens zu lösen. Es ist deshalb richtig, dass die Ärztekammer zur aktuellen Vorlage ein deutliches Nein beschlossen hat. Ich zweifle aber auch, ob jetzt die absolute Blockadehaltung noch die richtige Politik ist. Sollte die Ärzteschaft in einem künftigen Abstimmungskampf verlieren, würde eine unbrauchbare und inakzeptable Gesetzesvorlage Realität. Wir müssen klar stellen, dass wir die Abschaffung des Kontrahierungszwanges – so wie geplant – nicht wollen. Ebenso müssen wir aber sicherstellen, dass wir, sollten wir in einer Volksabstimmung überstimmt werden, wenigstens eine akzeptable Lösung erhalten. Sonst laufen wir Gefahr, alles zu verlieren. Wir dürfen jetzt den Kopf nicht in den Sand stecken. In den nächsten Wochen wird die Abschaffung des Vertragszwanges in den vorberatenden Kommissionen besprochen. Änderungen zum Gesetzesentwurf könnten jetzt noch eingebracht wer-
dafür besorgt sein, dass ihre Stimme in unserem Interesse und im Interesse der Patientinnen und Patienten Gewicht erhält. Wir alle haben Zeit und Geld in unsere Ausbildung und unsere Praxen investiert. Wir sind unternehmerische Risiken eingegangen. Und vor allem: Wir alle haben uns dem Wohl unserer Patientinnen und Patienten verschrieben. Es darf nicht sein, dass dies alles nun mit einem Federstrich durch die Kassen annektiert wird. Unser Strategie sollte deshalb zwei Ziele verfolgen: Wir müssen die aktuelle Vorlage mit Vehemenz ablehnen und uns auf die Volksabstimmung vorbereiten. Gleichzeitig müssen wir im konstruktiven Dialog sicherstellen, dass diese Vorlage wenigstens so weit nachgebessert wird, dass wir, sollten wir die Volksabstimmung verlieren, weiterhin motiviert sind, unsere Arbeit im Interesse der kranken Menschen zu leisten.
Ingrid L. Wyler-Brem Präsidentin FMP
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