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EURIDIS, ADONIS, SENIORS, JUMBO – Kardiologie aktuell und kommentiert
UWE BEISE
Ende August fand die Jahres-
tagung der European Society
of Cardiology (ESC) in Mün-
chen statt. Im Rahmen der
Update-Symposien der Cardio
Academy stellten Basler Kar-
diologen unter Moderation
von Dr. Christoph Kaiser die
wichtigsten Ergebnisse der
Tagung vor.
Nicht selten bringen die internationalen kardiologischen Grossveranstaltungen wichtige neue Erkenntnisse ans Licht, zumeist durch die Präsentation aktueller Studienresultate. Auch auf dem ESC-Kongress in München wurden die Ergebnisse gerade ausgewerteter Untersuchungen den Experten und der Öffentlichkeit vorgestellt. Viel «Weltbewegendes» und direkt in die Praxis Umsetzbares konnten die Teilnehmer diesmal allerdings nicht mit nach Hause nehmen, liessen die Basler Kardiologen auf der Fortbildungsveranstaltung durchblicken. Manches Bekannte fand seine Bestätigung, einige neue Entwicklungen dagegen scheinen interessant, sind aber klinisch noch nicht spruchreif.
Hierzu gehören auch die Studien EURIDIS und ADONIS, die Dr. Beat Kaufmann vorstellte. Hinter den wohltönenden Akronymen versteckt sich ein neues Antiarrhythmikum mit dem Namen Dronedaron, das bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen dem erneuten Vorhofflimmern oder -flattern vorbeugen soll. Es handelt sich dabei um eine dem Amiodaron ähnliche Substanz, der aber die Jodatome fehlen – ein Mangel, von dem man sich einen Vorteil erhofft. Denn Amiodaron ist zwar ein wirksames Antiarrhythmikum, muss aber bei jedem fünften Patienten wegen Unverträglichkeit abgesetzt werden. Oft sind Nebenwirkungen an der Schilddrüse dafür verantwortlich, die sich womöglich teilweise mit dem enthaltenen Jod erklären lassen. An den beiden ähnlich konzipierten Studien nahmen, wie Kaufmann erläuterte, insgesamt 1250 Patienten teil, bei denen mindestens ein elektrokardiografisch dokumentiertes Vorhofflimmern in den letzten drei Monaten aufgetreten war. Primärer Studienendpunkt war der Nachweis eines erneuten Vorhofflimmerns. Behandelt wurde über zwölf Monate. An EURIDIS nahmen 612 Patienten teil, 411 erhielten 400 mg des Antiarrhythmikums zweimal täglich, 201 erhielten Plazebo. In EURIDIS erlitten die Patienten in der Plazebogruppe im Mittel nach 41 Tagen eine er-
Unter dem Signet CardioAcademy berichten wir im Sinne einer
Medienpartnerschaft von den im Anschluss an wichtige internationale Kongresse von
CardioAcademy in verschiedenen Schweizer Städten organisierten
Update-Symposien.
neute Rhythmusstörung, mit Dronedaron im Mittel nach 96 Tagen. In ADONIS, an der 629 Patienten teilnahmen, lauteten die entsprechenden Fristen 59 Tage unter Plazebo und 158 Tage unter dem neuen Antiarrhythmikum. Vorübergehende unerwünschte Wirkungen waren unter Dronedaron nicht signifikant häufiger als unter Plazebo. Es gab auch keine Hinweise auf Proarrhythmien und keine Episoden der gefürchteten Torsade-de-pointes-Tachykardien, meinte Kaufmann. Die Therapie musste bei 9,7 Prozent der Dronedaron-Patienten abgesetzt werden, unter Plazebo war dies bei 7 Prozent der Fall. Die Ergebnisse lassen zumindest erhoffen, dass Dronedaron womöglich besser vertragen wird als Amiodaron. Allerdings machte Kaufmann klar, dass solche vergleichenden Aussagen nicht verlässlich gemacht werden könnten, da hier ja nicht die beiden Antiarrhythmika direkt gegeneinan-
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Akronyme
auf andere Betablocker übertragbar sind, muss nach der Studie zunächst offen bleiben.
EURIDIS: European trial in atrial fibrillation or flutter patients receiving Dronedarone for the maintenance of sinus rhythm.
ADONIS: American-Australian-African trial with Dronedarone in atrial fibrillation or flutter patients for the maintenance of sinus rhythm.
RIO-EUROPE: Rimonabant in Obesity – Europe
PERTINENT: Perindopril Thrombosis, Inflammation, Endothelial dysfunction and Neurohormonal activation Trial
SENIORS: Study of the Effects of Nebivolol Intervention on Outcomes and Rehospitalization in Seniors with heart failure.
JUMBO-TIMI 26: Joint Utilization of Medications to Block Platelets Optimally (JUMBO)-TIMI 26
der antraten. Spekulativ ist deshalb auch die Vermutung, Amiodaron könne vielleicht doch etwas wirksamer sein, da sich erneutes Vorhofflimmern in den Amiodaron-Studien noch etwas ausgeprägter eindämmen liess als in der aktuellen Dronedaron-Studie.
Betablocker bei Herzinsuffizienz
Dass Betablocker auch bei herzinsuffizienten Patienten hilfreich sein können, ist keine neue Erkenntnis. Das nämlich hatten verschiedene Studien in der Vergangenheit bereits nahe gelegt, und vielfach warben Experten für den verstärkten Einsatz dieser Substanzen. Allein in den bisherigen Studien hatte man zumeist einen Bogen um alte Menschen gemacht. Diesem Defizit Abhilfe zu schaffen, war das Anliegen einer Studie mit dem sinnfälligen Kürzel SENIORS, die in verschiedenen europäischen Ländern, darunter auch die Schweiz, durchgeführt wurde. Zum Einsatz kam dabei, wie Dr. Dagmar Keller berichtete, der Beta-1-Rezeptorblocker Nebivolol (Nebilet®). Eingeschlossen wurden in die Studie mehr als 2000 Patienten über 70 Jahre, unter ihnen mit etwa 40 Prozent vergleichsweise viele Frauen. Die meisten Patienten wiesen eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen II und III auf, nur wenige waren in NYHA IV eingestuft. Die meisten Teilnehmer wiesen eine
Auswurffraktion von unter 35 Prozent auf. Die Therapie durfte in den letzten zwei Wochen vor Beginn der Studie nicht verändert worden sein, die meisten Teilnehmer waren auf verschiedene Medikamente, etwa ACE-Hemmer, Diuretika und Glykoside, eingestellt. Letztere werden in osteuropäischen Ländern, die an der Studie auch beteiligt waren, wohl zumeist aus Kostengründen häufiger verordnet als hierzulande. Im Rahmen der Studie erhielten die Patienten zusätzlich zur Standardtherapie den Betablocker oder aber Plazebo. Nebivolol wurde dabei langsam über 16 Wochen von 1,25 mg bis auf maximal 10 mg aufdosiert. Die Ergebnisse nach 40-wöchiger Therapie zeigten, laut Keller, einen günstigen Effekt des Betablockers hinsichtlich des primären Endpunkts, der als Kombination aus Sterblichkeit und Hospitalisationsrate definiert war. Der sekundäre Endpunkt hingegen, die Gesamtsterblichkeit, liess keinen Unterschied zu Plazebo erkennen. Das Fazit der Studienautoren lautet: Betablocker können auch bei alten herzinsuffizienten Patienten unabhängig von der Pumpfunktion als Zusatzmedikation empfohlen werden, zumal sich die Behandlung mit Nebivolol als gut verträglich herausstellte. Wie Frau Keller weiter sagte, hängt die Wirkung nicht entscheidend davon ab, welche Substanzen als Basistherapie eingesetzt werden. Ob die Ergebnisse
Neue Studienergebnisse mit Rimonabant
Eine Substanz, die in letzter Zeit von sich reden gemacht hat, ist Rimonabant. Obwohl noch gar nicht auf dem Markt, wird dieser Cannaboid-Blocker bereits mit reichlich Vorschusslorbeeren versehen – was wenig verwundert, bedenkt man, dass der Substanz das Potenzial einer «Mehrzweckwaffe» zugeschrieben wird. Nach bisherigen Untersuchungen trägt sie zur Gewichtsreduktion bei, lindert ein vorhandenes metabolisches Syndrom und hat obendrein als Mittel zur Rauchentwöhnung bereits erste Erfolg versprechende Resultate geliefert. Auf dem ESC wurden nun die Ein-JahresErgebnisse einer neuen Studie, der RIOEUROPE, vorgestellt. In der auf zwei Jahre angelegten klinischen Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit von Rimonabant gegenüber Plazebo verglichen. Dr. Peter Burger stellte die RIO-EUROPE in Basel vor. An der Parallelgruppenstudie, an der 60 Zentren in ganz Europa und den USA beteiligt waren, nahmen rund 1500 übergewichtige Patienten mit einem BMI von mindestens 30 kg/m2 oder 27 kg/m2 bei Voliegen einer Komorbidität wie Dyslipidämie oder Bluthochdruck teil. Sie erhielten je nach Gruppenzuteilung Rimonabant in Dosen von 5 oder 20 mg beziehungsweise Plazebo. Nach einem Behandlungsjahr lesen sich die Hauptergebnisse wie folgt: Die mit 20 mg Rimonabant behandelten Patienten verloren durchschnittlich 8,6 kg Körpergewicht, verglichen mit 4,8 kg bei der geringen Rimonabant-Dosis. Auch die Plazebomedikation hatte Effekte. Die Patienten nahmen um fast 4 kg ab. Fast 40 Prozent verloren über 10 Prozent des ursprünglichen Gewichts unter der hohen Rimonabant-Dosierung, unter Plazebo gelang dies nur bei jedem Zehnten. Die Gewichtsabnahme spiegelte sich auch in der Abnahme des Taillenumfangs wieder.
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Zudem scheint die Studie zu bestätigen, dass Rimonabant zumindest in der hohen Dosis auch ein metabolisches Syndrom lindern kann, das bei etwa 40 Prozent der Teilnehmer zu Studienbeginn diagnostiziert wurde. Das HDL-Cholesterin stieg dabei um 27 Prozent, aber auch unter Plazebo immerhin um 17 Prozent. Die Triglyzeridwerte sanken unter 20 mg Rimonabant um knapp 11 Prozent, während sie unter der niedrigen Verumdosis um 5 Prozent und in der Plazebogruppe um über 6 Prozent anstiegen. Auch wurde, wie Burger berichtete, die Insulinreaktion verbessert, wie sich im oralen Glukosetoleranztest zeigte. Die insgesamt positiven Ergebnisse wurden, wie der Referent anmerkte, allerdings durch eine sehr hohe Drop-out-Rate relativiert, die unabhängig von der verabreichten Studienmedikation etwa 40 Prozent betrug. Nebenwirkungen waren dafür nur ausnahmsweise verantwortlich. Rimonabant wurde nämlich in beiden Dosierungen insgesamt gut vertragen. Übelkeit, Durchfall und Schwindel schlugen als häufigste Nebenwirkungen bei etwa 5 bis 10 Prozent der Patienten zu Buche.
ACE-Hemmer bei stabiler KHK?
Die EUROPA-Studie ist die grösste Studie zur ACE-Hemmer-Therapie bei Patienten mit stabiler KHK. Zum Einsatz kam dabei Perindopril (Coversum®), dem auch antiarteriosklerotische beziehungsweise antientzündliche Eigenschaften nachgesagt werden. In der Studie nahmen über 12 000 Patienten mit und ohne Herzinsuffizienz teil. Nach vier Jahren zeigte sich,
dass ein kombinierter Endpunkt aus Myokardinfarkt, kardiovasulärem Tod und Reanimation nach Herzstillstand durch Perindopril um 20 Relativprozent gesenkt werden konnte. 92 Prozent der Patienten waren zudem mit Thrombozytenaggregationshemmern, die Mehrheit auch mit Statinen und Betablockern behandelt. Im Rahmen einer Teilstudie von EUROPA mit dem Kürzel PERTINENT wurde bei den Patienten die Wirkung von Perindopril auf verschiedene Marker für Thrombose, Entzündung und Endothelfunktion anhand von Labormarkern untersucht. Nach Darstellung von Burger zeigte sich dabei, dass Perindopril das Angiotensin-II/BradykininVerhältnis optimiert (Abnahme von AII und Anstieg von Bradykinin), die TNF-alfaAktivierung sowie die Apoptose des Endothels hemmt und die NO-Synthaseaktivität verstärkt. Auch der von-Willebrand-Faktor, der als Marker für einen Endothelschaden gilt, konnte, wie Burger sagte, bis zu einem gewissen Grad herabgesetzt werden. Insgesamt, so der Basler Kardiologe, sprechen die Laborergebnisse für eine antientzündliche Wirkung des ACE-Hemmers.
Konkurrenz für Clopidogrel in Sicht
Eine Konkurrenz könnte in Zukunft dem Thrombozytenaggregationshemmer Clopidogrel (Plavix®) erwachsen. Die neue Substanz Prasugel stellt sich bislang als zumindest ebenso sichere Alternative dar. Im Rahmen einer Phase-2-Prüfung, der JUMBO-TIMI-26-Studie, erwies sich die Substanz als dem Clopridogrel ebenbürtig. Die Studie wurde von der TIMI-
Vorschau
Auf den nächsten Update-Symposien werden die Highlights des Jahreskongresses der American Heart Association (AHA) vorgestellt. Die Termine: Lausanne: Dienstag, 16. November Zürich: Mittwoch, 17. November Basel und Bern: Donnerstag, 18. November Genf: Samstag, 20 November 2004
Gruppe in Boston durchgeführt, die ins-
gesamt 904 Patienten mit akutem Koro-
narsyndrom und Stentimplantation in den
USA und Kanada rekrutiert hatte. Die Pa-
tienten erhielten zusätzlich zu Aspirin ent-
weder Clopidogrel oder Prasugel. Nach
Angaben von Dr. R. Osterwalder gab es
hinsichtlich der Blutungskomplikationen
nach 30 Tagen keine Unterschiede zwi-
schen den beiden Prüfsubstanzen (Häu-
figkeit: 1,2 vs. 1,7%) . Auch der sekundäre
Endpunkt – eine Kombination aus Tod,
Herzinfarkt, Thrombose, Schlaganfall – liess
keine Unterschiede erkennen. Nach die-
sen zufrieden stellenden Sicherheitsdaten
wird der neue Thrombozytenhemmer jetzt
in Phase-3-Studien getestet werden, sagte
Osterwalder. Wie in Basel verlautete, er-
warten die Kardiologen von der Substanz
zwar keine bessere Wirkung, vielmehr er-
hoffen sie sich Preissenkungen aufgrund
der womöglich entstehenden Konkur-
renzsituation. Das allerdings wird sich
noch erweisen müssen.
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Uwe Beise
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