Transkript
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Rheumatoide Arthritis
Therapeutische Strategien von Hausarzt und Rheumatologen
THE NEW ENGLAND JOURNAL OF MEDICINE
In der umfassenden Betreu-
ung von Patientinnen und
Patienten mit rheumatoider
Arthritis kommt den Grund-
versorgern in der Frühphase
eine besonders wichtige Rolle
zu. Ein optimales Manage-
ment gelingt nur bei guter
Kommunikation und Koopera-
tion mit dem Rheumatologen.
In der letzten Dekade hat ein besseres Verständnis der Pathophysiologie zu mehreren wichtigen Änderungen im therapeutischen Vorgehen bei rheumatoider Arthritis geführt. James R. O’Dell gruppiert diese in seiner Übersicht im «New England Journal of Medicine» nach vier Gesichtspunkten: 1. Frühzeitige Diagnose und Therapie sind wichtig. 2. Der Einsatz von Basismedikamenten – heute gebräuchlich nach dem englischen Akronym als DMARD (Disease-Modifying Antirheumatic Drugs) bezeichnet – in Kombination ist äusserst effektiv. 3. Gegen Zytokine wie Tumornekrosefaktor-alpha oder Interleukin-1 gerichtete Wirkstoffe stellen eine effektive Strategie dar.
4. Zunehmend ist klar geworden, dass bei der Erfassung des Behandlungsverlaufs auch Begleiterkrankungen, insbesondere solche kardiovaskulärer Natur und Osteoporose, berücksichtigt werden müssen.
Frühe Diagnose und Therapie
30 Prozent der Patienten haben schon bei Diagnosestellung radiologische Anzeichen für Knochenerosionen, und dieser Anteil steigt innert zwei Jahren auf 60 Prozent. Unglücklicherweise sind Knochenerosionen und Deformitäten weitgehend irreversibel. Daher ist die Einleitung einer Basismedikation innert drei Monaten nach Diagnosestellung ausschlaggebend. Eine Verzögerung der Therapieeinleitung von nur drei Monaten hat nach verschiedenen Untersuchungen substanziell mehr radiologische Schäden nach fünf Jahren zur Folge. Die frühe Diagnose, obwohl eine Herausforderung, ist also ein kritischer Punkt. Eine Herausforderung ist die Diagnose, da kein einzelnes Laborresultat oder Abklärungsverfahren Sicherheit bietet. Vielmehr kommen sieben diagnostische Kriterien zum Einsatz, die sich überwiegend auf klinische Faktoren stützen und daher eine sorgfältige Patientenbefragung und Erfassung auch subtiler Befunde erfordern: q Morgensteifigkeit q Arthritis von drei oder mehr Gelenken q Arthritis der Handgelenke q symmetrische Arthritis q Rheumaknoten q erhöhte Titer des Serum-Rheumafaktors q radiologische Veränderungen. Viele andere Syndrome, darunter selbstlimitierende Virusinfektionen, können eine rheumatoide Arthritis imitieren. Daher müssen vier Kriterien für mindestens
Merk-
sätze
q Der möglichst frühen Diagnose und einem frühen Therapiebeginn mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten wird heute grosse Bedeutung beigemessen.
q Rheumatologen fordern die Grundversorger dazu auf, Patienten mit auf rheumatoide Arthritis verdächtigen Symptomen innerhalb der ersten drei Monate nach deren Beginn einer Begutachtung durch den Spezialisten zuzuführen.
q Das Erreichen einer Remission der Gelenksymptome und der Wiederherstellung der Gelenksfunktion ist heute ein realistisches Behandlungsziel.
q Besonderes Augenmerk ist den für die Gesamtprognose wichtigen Begleiterkrankungen – Infektionen, Osteoporose und Atherosklerose – zu widmen.
sechs Wochen vorliegen. Dieses diagnostische Vorgehen ist aber mit einiger Unsicherheit behaftet und kann eine angemessene Therapie für Monate oder Jahre verzögern. Eine gewisse Hilfe kann die Bestimmung von Antikörpern gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (CCP) bieten, die eine hohe Spezifität (90–98%) hat, allerdings bei einer geringeren Sensitivität (50–65%) im Frühstadium. CCP-Antikörper können sogar Jahre vor Ausbruch der klinischen Erkrankung schon vorliegen.
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Rheumatoide Arthritis
Rheumatologe Grundversorger
Management der rheumatoiden Arthritis
(in Anlehnung an die Guidelines des American College of Rheumatology)
Diagnose früh stellen Krankheitsaktivität und Gelenkschäden als
Ausgangswert dokumentieren Prognose abschätzen
Therapie beginnen: – Patientenschulung beginnen – Therapie mit DMARD innert 3 Monaten
anfangen – NSAR in Betracht ziehen – Kortikosteroide (lokal oder niedrig dosiert
systemisch) in Betracht ziehen – Physiotherapie oder Ergotherapie beginnen
Krankheitsaktivität periodisch erfassen
Adäquates Therapieansprechen mit reduzierter Krankheitsaktivität
Inadäquates Therapieansprechen (anhaltend aktive Entzündung nach
3 Monaten maximaler Therapie)
DMARD hinzufügen oder wechseln
Zuvor keine MTX-Therapie
Suboptimales Ansprechen auf MTX
MTX
Andere KombinationsMono- therapie therapie
Kombinations- Andere therapie Monotherapie
Biologische DMARD
Mono- Kombinationstherapie therapie
DMARD: Disease-Modifying Antirheumatic Drug NSAR: nichtsteroidales Antirheumatikum MTX: Methotrexat
Versagen multipler DMARD
Symptomatischer oder struktureller
Gelenkschaden
Operative Eingriffe
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Rheumatoide Arthritis
Viele Patienten suchen zuerst ihre Hausärzte auf; es ist also deren Aufgabe, an potenzielle entzündliche Gelenkerkrankungen zu denken und auch eine Überweisung zum Spezialisten innert der ersten drei Monate nach Beginn der Symptome in die Wege zu leiten.
Allgemeine therapeutische Prinzipien
Das American College of Rheumatology (ACR) hat 2002 Guidelines zur Therapie der rheumatoiden Arthritis veröffentlicht (Abbildung). Keine Therapie kann diese Erkrankung heilen, daher konzentrieren sich die Behandlungsziele auf die Remission der Gelenksymptome, die Wiederherstellung der vollen Funktion und die Erhaltung der Remission durch DMARD-Therapie. Ein nützliches Zwischenziel, so der Autor, ist es, wenn alle Patienten innert drei Monaten nach Symptombeginn einem Rheumatologen vorgestellt werden, sodass auch praktisch alle am Ende der ominösen Dreimonatsfrist DMARD erhalten. Zur Erfassung des Interventionserfolgs ist eine ganze Reihe von Messverfahren entwickelt worden. Dazu gehören die Zahl der schmerzhaften und geschwollenen Gelenke, Entzündungsmarker wie Senkungsreaktion (BSR) und C-reaktives Protein (CRP) sowie Patienten- und Ärztefragebogen zur Beurteilung der Krankheitsaktivität und -auswirkungen. Für Forschungszwecke fand eine standardisierte Erfassung einer 20-prozentigen Reduktion dieser Kriterien (ACR20) in Studien Anwendung. Heute ist mit früherem Behandlungsbeginn und erweitertem Medikamentenspektrum eine ACR50, also eine 50-prozentige Reduktion der Kriterien, ein häufiger angewendetes Therapieziel.
Medikamente
James R. O’Dell teilt die bei rheumatoider Arthritis eingesetzten Medikamente in drei Klassen ein: nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Kortikosteroide und DMARD, zu denen er einerseits die herkömmlichen synthetischen und die neuen biologischen zählt.
NSAR NSAR sind besonders hilfreich während der ersten Wochen, da sie den Patienten bis zur Stellung der definitiven Diagnose eine teilweise Linderung von Schmerzen und Steifigkeit verschaffen. Für NSAR konnte jedoch keine Verlangsamung der Krankheitsprogression nachgewiesen werden. Sie sollten daher in der Langzeittherapie immer zusammen mit DMARD eingesetzt werden. Obwohl beide Medikamentenklassen kurzfristig gut vertragen werden, nehmen die gastrointestinalen Behandlungskomplikationen bei Langzeittherapie zu, sodass jährlich 1,5 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis wegen gastrointestinaler Probleme hospitalisiert werden müssen. Mit den COX-2-Hemmern stehen jetzt Medikamente zur Verfügung, die die Häufigkeit von Duodenal- und Magenulzera im Vergleich zu herkömmlichen NSAR um etwa 50 Prozent reduzieren können. Dies ist auch mit der zusätzlichen Verordnung eines Protonenpumpenhemmers in vergleichbarem Umfang möglich, schreibt O’Dell, und zudem sei die Wirksamkeit der COX-2-Hemmer nicht besser als die der alten und billigeren NSAR. Sowohl traditionelle NSAR wie COX-2-Hemmer sind mit Flüssigkeitsretention, Hypertonieexazerbation und Beeinträchtigung der Nierenfunktion in Verbindung gebracht worden. Zudem könnten thrombotische Ereignisse unter COX-2-Hemmern häufiger auftreten.
Kortikosteroide Kortikosteroide sind potente Unterdrücker der Entzündung bei rheumatoider Arthritis, allerdings um den Preis der dosisabhängigen, bekannten Nebenwirkungen. Ob, wann und wie Steroide bei rheumatoider Arthritis eingesetzt werden sollen, bleibt kontrovers. Neuere wie alte Studien belegen, dass Kortikosteroide die radiologische Progression verlangsamen können. Die Tabelle gibt einige Hinweise, wie Kortikosteroide bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nützlich eingesetzt werden können. Grundsätzlich sollten alle Patienten unter Langzeit-Steroid-Behandlung
Hinweise zur Optimierung des
Therapieverlaufs
q Diagnose früh stellen
q DMARD so früh wie möglich einsetzen (innert 3 Monaten nach Symptombeginn)
q Bei allen Patienten eine Remission (keine Gelenksymptome) anstreben
q Kortikoide als Brücke bis zum Ansprechen auf die DMARD-Therapie einsetzen: – Prednison in Dosierungen von > 10 mg/Tag sind bei Gelenkerkrankung selten notwendig – Kortikosteroide ohne DMARD vermeiden – Dauer und Dosis minimieren durch Ausschleichen auf die tiefste Dosis, die die Krankheit kontrolliert – Immer Osteoporoseprophylaxe in Betracht ziehen
q Begleiterkrankungen erkennen und behandeln
q Kommunikation zwischen Grundversorgern und Rheumatologen fördern
Kalzium und Vitamin D erhalten, zudem scheinen Bisphosphonate zur Verhütung von Wirbelfrakturen sehr effektiv zu sein. Sie sollten allen Patienten mit tiefer Knochenmineraldichte verschrieben werden. Den potenziell negativen Auswirkungen der Steroide auf das Endothel müssten daher die sich stetig mehrenden Hinweise gegenübergestellt werden, dass Entzündung bei der Atherosklerose eine entscheidende Rolle spielt.
Synthetische DMARD Das optimale Management der rheumatoiden Arthritis erfordert eine rasche und anhaltende Unterdrückung der Entzündung mit DMARD. Die Krankheitsmodifikation zeigt sich am überzeugendsten in der Abnahme der radiologischen Progression. Eine Metaanalyse der verblindeten klinischen Studien deutet darauf hin, dass die relative Wirksamkeit von Methotrexat, Sulfasalazin (Salazopyrin®), intramuskulärem Gold (Tauredon®) und Penicillamin
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ähnlich ist. Antimalariamittel (z.B. Hydroxychloroquin [Plaquenil®]) sind weniger effektiv. Penicillamin und Gold werden heute nur noch selten eingesetzt. Gestützt auf die guten Resultate in Beobachtungsstudien wird Methotrexat für die Initialtherapie am häufigsten gewählt. Für Methotrexat sprechen bewiesene Wirksamkeit, anhaltende Wirkung und akzeptable Toxizität bei geringen Kosten. Eine wichtige Beobachtungsstudie hat gezeigt, dass mit Methotrexat behandelte Patienten im Vergleich zu solchen, die nie Methotrexat erhalten hatten, eine signifikant tiefere Mortalität hatten (Odds Ratio 0,4). Die gleichzeitige Gabe von Folsäure kann viele toxische Effekte signifikant verringern, ohne die Wirksamkeit messbar zu beeinträchtigen. Die meisten Daten deuten auf 17,5–30 mg pro Woche als effektivste Dosis. Allerdings kann die orale Absorption sehr variabel sein. Leflunomid (Arava®), ein neuerer synthetischer DMARD, hat eine mit Sulfasalazin oder Methotrexat in mittlerer Dosis vergleichbare Wirksamkeit. Die synthetischen DMARD können in verschiedenen Kombinationstherapien zusammen eingesetzt werden. Eine sichere Verwendung aller DMARD setzt ein sorgfältiges Monitoring voraus. Inzwischen haben vier doppelblinde kontrollierte Studien gezeigt, dass auch Minocyclin (Minocin®) bei rheumatoider Arthritis effektiv ist. Der Wirkmechanismus ist nur unvollständig bekannt, dürfte aber auf Immunmodulation, auf der Hemmung von Matrix-Metalloproteinasen und auf der Unterdrückung interkurrenter unspezifischer Infektionen beruhen, die zur Produktion von Entzündungszytokinen führen.
Biologische DMARD Heute sind drei biologische Produkte verfügbar, die sich gegen Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) richten: das Fusionsprotein Etanercept (Enbrel®), der chimärische Antikörper Infliximab (Remicade®) und der rekombinante humane Antikörper Adalimumab (Humira®). Ein zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis entwickelter Interleukin-1-Blocker, Anakinra
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Rheumatoide Arthritis
(Kineret®), ist in der Schweiz bisher nicht zugelassen. Weitere Wirkstoffe mit ähnlichem Angriffspunkt sind in Entwicklung, und Antikörper gegen B- und T-Zellen werden zurzeit in klinischen Studien auch gegen rheumatoide Arthritis bei Patienten geprüft, die auf bisherige Therapien nicht ausreichend angesprochen haben.
Kombinationstherapien mit verschiedenen DMARD Früher waren Kombinationstherapien eher die Ausnahme, heute werden sie häufig angewendet. Diese Praxis stützt sich auf verschiedene Studien, die einen Zusatznutzen durch Kombination von Methotrexat mit einem oder mehreren DMARD bei Patienten belegten, die auf die Monotherapie nicht genügend angesprochen hatten. Auch bei Patienten im frühen Erkrankungsstadium haben Kombinationstherapien gegenüber Monotherapien Vorteile wie rascheres Ansprechen, weniger Therapieabbrüche wegen Toxizität und vor allem weniger radiologische Progression gezeigt. Bisher fehlt aber ein direkter Vergleich zwischen einer initialen Kombinationsbehandlung und der raschen Therapieaufstockung nur bei Patienten, die auf Monotherapie nicht ansprechen. In Studien besonders oft untersucht wurden Patienten mit aktiver Erkrankung trotz Methotrexat. Mehrere Studien mit ähnlichem Design haben teils eindrückliche ACR20-Verbesserungen dokumentiert, wenn die neuen biologischen DMARD zur bestehenden MethotrexatBehandlung hinzugefügt wurden. Direkte Vergleiche zwischen den neuen Präparaten stehen aber noch aus.
Initialtherapie
Die Diagnose so früh wie möglich zu stellen und dann die DMARD-Therapie zu starten, bildet die Grundlage einer erfolgreichen Behandlung. Dennoch blieben viele Fragen offen, schreibt James R. O’Dell: Welches Medikament soll an erster Stelle eingesetzt werden? Können die Toxizität und das Ansprechen des individuellen Patienten durch Pharmakogenomiks vorher-
gesagt werden? Sollte von Beginn weg eine Kombination eingesetzt werden? Sollte versucht werden, mittels Kortikosteroiden oder TNF-alpha-Blockern eine rasche Krankheitsunterdrückung zu erzielen? Gibt es biologische Marker, die das herkömmliche Assessment ergänzen oder ersetzen könnten? Bis diese Fragen beantwortet seien, entschieden sich die meisten Rheumatologen zu Methotrexat als Initialtherapie für die meisten Patienten, schreibt der Autor. Dabei spielen auch Patientencharakteristika und -präferenzen eine Rolle. So ist Methotrexat bei vorbestehender Leber- oder Nierenerkrankung kontraindiziert, ebenso bei geplanter Schwangerschaft, Alkoholkonsum oder fehlender Bereitschaft zu regelmässigen Laborkontrollen. Ob gleichzeitig auch niedrig dosierte Kortikosteroide eingesetzt werden sollen, bleibt umstritten. Zum Beispiel kann mit 5–7,5 mg/ Tag Prednison die Zeit überbrückt werden, bis die langsamere DMARD-Wirkung einsetzt. Dann sollte das Steroid ausgeschlichen werden. Bisher scheinen zwei Studien mit unterschiedlichen Kombinationstherapien in relativ frühen Erkrankungsstadien darauf hinzudeuten, dass eine möglichst rasche Unterdrückung der Krankheitsaktivität Vorteile bringen könnte. Falls die Krankheitskontrolle eher innert Tagen als Wochen oder Monaten erzielt werden sollte, müsste dies in Studien mit der Kombination von Kortikoiden und TNF-alpha-Blockern näher untersucht werden. Dann hätte man vielleicht in Analogie zur Onkologie eine Induktionstherapie bei rheumatoider Arthritis.
Therapie bei etablierter rheumatoider Arthritis
Wenn Patienten nach zwei bis drei Monaten Methotrexat in einer Dosis von 20–30 mg pro Woche weiter an aktiver Entzündung leiden oder wenn sie trotz Folsäure-Supplementation höhere Dosen nicht vertragen, wird ein zusätzlicher DMARD verabreicht. Die dabei in Frage kommenden herkömmlichen und die neuen biologischen DMARD unterschieden sich hin-
sichtlich Toxizität nicht klinisch signifikant. Eine Ausnahme bildet die schlechte Langzeitverträglichkeit der Kombination von Methotrexat mit Ciclosporin (Sandimmun®). Solange es keine direkten Vergleichsstudien gibt, ist die ökonomischste Therapie die Kombination von Methotrexat mit Sulfasalazin oder Hydroxychloroquin oder beiden. Eine Studie aus Grossbritannien fand zum Beispiel, dass konventionelle DMARD, optimiert und in Kombination verabreicht, bei mehr als der Hälfte der Patienten, die sonst als Kandidaten für eine TNF-alpha-Blockade in Frage kämen, zur Erkrankungskontrolle führten. Dokumentieren Gelenkentzündung und Gelenkschwellung nach drei Monaten unter konventionellen DMARD-Kombinationen eine anhaltende Krankheitsaktiviät, sollte entweder Leflunomid oder ein TNF-alphaBlocker verabreicht werden. (Die Therapie mit TNF-alpha-Blockern ist sehr kostspielig, sie kann in der Schweiz etwa Fr. 25 000 pro Jahr ausmachen. Die Indikation zur Behandlung mit biologischen DMARD ist daher mit Limitatio versehen und an die Teilnahme am Swiss Clinical Quality Management [SCQM] geknüpft. Das SCQM garantiert überdies die vom Autor explizit geforderte umfassende Überwachung des therapeutischen Managements und die Förderung des Informationsflusses zwischen den an der Behandlung beteiligten Ärzten.)
Begleiterkrankungen
Die Langzeitprognose der Patienten mit rheumatoider Arthritis hängt nicht nur von der Qualität der Behandlung der Gelenkerscheinungen ab, sondern auch von der Erfassung und Behandlung von Begleitzuständen. Die stärkste Auswirkung auf Morbidität und Mortalität haben: q Infektionen (v.a. pulmonal) q Osteoporose q kardiovaskuläre Erkrankungen. Im Vergleich zu Kontrollpersonen gleichen Alters haben Patienten mit rheumatoider Arthritis ein doppelt so hohes Infektionsrisiko; diese Risikozunahme korreliert mit dem Schweregrad der Erkrankung. Ob Kortikosteroide für ein höheres Infektions-
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risiko verantwortlich zu machen sind oder ob sie vor allem bei schwerer kranken Patienten mit ohnehin erhöhtem Infektionsrisiko eingesetzt werden, ist nicht völlig geklärt. Noch nicht entschieden ist die wichtige Frage, ob die neuen TNF-alphaBlocker das Infektionsrisiko erhöhen. Eine Veränderung beim Spektrum der Infektionen ist hingegen dokumentiert: Fälle von Tuberkulose, Histoplasmose und Listeriose sind dokumentiert. Auf Infektionen ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in jedem Fall sorgfältig zu achten. Alle Betroffenen sollten jährlich eine Grippeimpfung und in adäquaten Intervallen eine Pneumokokkenimpfung erhalten. Da die Immunantwort dann noch besser ist, sollten Impfungen wenn möglich vor Beginn einer Methotrexat-Therapie durchgeführt werden. Lebendimpfstoffe sind unter immunsuppressiver Therapie zu vermeiden. Vor Beginn einer Behandlung mit TNFalpha-Blockern soll der Tuberkulosestatus dokumentiert werden. Treten interkurrent Infektionen auf, ist die Therapie zu unterbrechen. Sowohl die diagnostischen wie die therapeutischen Möglichkeiten bei Osteoporose sind heute viel besser, was Patienten mit rheumatoider Arthitis zugute kommt, die ein verdoppeltes Osteoporoserisiko tragen.
Kardiovaskuläre Erkrankungen verursachen den Grossteil der Überschussmortalität, was mit der systemischen Entzündung bei rheumatoider Arthritis in Verbindung gebracht wird, die die verstärkte Atherosklerose bei diesen Patienten erklären könnte. Kardiovaskuläre Risikofaktoren sollten aggressiv angegangen werden. Dazu gehört der Verzicht aufs Rauchen, der auch die Gelenkentzündung günstig beeinflussen soll. Zurzeit laufen viel versprechende Studien mit Statinen, die gegen Atherosklerose und Entzündung wirken sollen (ein Kurzbericht erschien in AM 14/04, S. 708).
Bleibende Herausforderungen
Noch immer bietet das Management von Patientinnen und Patienten einige Herausforderungen: Eine wirklich akkurate Methode zur Frühdiagnose fehlt, ebenso gute Prädiktoren für das individuelle Ansprechen auf die verschiedenen verfügbaren Therapien. Zudem gibt es zu wenige Studien, die effektive Therapien direkt vergleichen, und die Kosten der Behandlung sind durch die neuen Therapien enorm in die Höhe geschnellt. Dies könnte allerdings langfristig durch Gewinne an Lebensqualität und Produktiviät vielleicht aufgewogen werden.
James R. O’Dell schliesst seine Übersicht
jedoch in einem positiven Ton. Heute sei
die Remission unter adäquater Therapie
ein realistisches Ziel, ebenso wie die er-
folgreiche Behandlung von Begleiterkran-
kungen. So habe eine Untersuchung
neueren Datums ergeben, dass nur eine
kleine Minderheit (5%) der von Rheuma-
tologen konsequent behandelten Patien-
ten noch an so aktiven Krankheitssympto-
men leidet, dass sie sich für die Teilnahme
an einer klinischen Behandlungsstudie
qualifiziert.
q
James R. O’Dell (Department of Internal Medicine, University of Nebraska Medical Center and the Omaha Veterans Affairs Medical Center, Omaha/USA): Therapeutic strategies for rheumatoid arthritis. New Engl. J. Med. 2004; 350: 2591–2602.
Halid Bas
Interessenlage: Der Autor der Originalpublikation deklariert Beraterhonorare der Firmen Amgen, Abbott, Centocor, Wyeth, Bristol-Myers Squibb sowie Vortragshonorare von Thompson, Armand Scott und Maritz.
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