Transkript
Eine unangenehme Nachricht:
Gegen Neuraminidasehemmer resistente Influenzaviren
Die hochpathogene Geflügelgrippe in etlichen asiatischen Ländern hat auch bei uns Schlagzeilen gemacht und die Furcht vor einer Grippepandemie geweckt. Dabei wird immer an die «Spanische Grippe» von 1918 erinnert, die weltweit Millionen Menschen hinwegraffte. Inzwischen verfügen wir allerdings über Neuraminidasehemmer wie Zanamivir (Relenza®) und Oseltamivir (Tamiflu®), die gegen alle Neuraminidasetypen wirksam sind, auch denjenigen des seinerzeitigen Pandemievirus. Sollte sich ein neues, gefährliches Grippevirus am Horizont abzeichnen, kämen Impfstoffe wegen ihrer langen Entwicklungszeit wohl zu spät. Grosse Vorräte an Neuraminidasehemmern könnten aber die befürchtete hohe Mortalität senken. Für Zanamivir sind bisher bei immunkompetenten Patienten keine resistenten Grippeviren isoliert worden. Die Rate resistenter Viren nach Behandlung mit Oseltamivir ist gering, aber durchaus messbar. Sie beträgt bei behandelten Erwachsenen 0,4 Prozent und bei behandelten Kindern sogar 4 Pro-
zent. Nun kommt ein Warnruf aus Japan: Kiso und Mitarbeiter berichten in «The Lancet» über 50 Kinder, die mit Oseltamivir behandelt wurden und von denen 9 (18%) danach Grippeviren mit Mutationen im Neuraminidase-Gen trugen, die zur Resistenz führten. Die Veränderungen lagen genau an Stellen des Neuraminidaseproteins, die strukturelle Überlegungen beim Vergleich verschiedener Neuraminidasehemmer annehmen liessen. Sollten sich die Ergebnisse andernorts bestätigen, ist von einer wesentlich höheren Mutationsrate bei Kindern auszugehen. Noch bleiben viele Fragen offen, zum Beispiel ob Oseltamivir-resistente Viren übertragbar und pathogen sind. Mit viel Glück könnten sie einen Wachstumsnachteil haben oder aus anderen Gründen weniger virulent oder übertragbar sein. Im anderen
Fall müsste die verbreitete Anwendung im
Zuge einer Pandemie zu ernsthaften Pro-
blemen führen. Bisher gaben Tiermodelle
Entwarnung, da Neuraminidase-resistente
Viren weniger pathogen waren. Auch ist
bisher keine Übertragungen derartiger
Mutanten von Mensch zu Mensch doku-
mentiert. Es bleibt also bis zur befürchte-
ten Pandemie noch Zeit, um die For-
schung zu intensivieren.
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Maki Kiso et al., Lancet 2004; 364: 759–765. Anne Moscona (Kommentar), Lancet 2004; 364: 733–734.
H.B.
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Rheumatoide Arthritis:
Intensive ambulante Therapie besser
Seit einiger Zeit wird von Rheumatologen verlangt, dass die rheumatoide Arthritis von Beginn weg konsequent behandelt wird. Dies geschieht jedoch nicht immer und überall. Die einfachblinde TICORAStudie aus Glasgow hat nun bei ambulanten Patienten untersucht, was ein aggressives Management bringt. 183 Patientinnen und Patienten wurden gescreent, 111 entweder zu einer Behandlungsstrategie von enger Kontrolle und intensivierter Therapie oder zum Routinemanagement randomisiert. Die intensiv Betreuten wurden jeden Monat gesehen, sie erhielten nach grosszügigen Richtlinien jeweils Steroidinjektionen in die entzündeten Gelenke. Bei Persis-
tenz aktiver Krankheitszeichen wurde die Behandlung mit klassischen krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARD) nach einem Protokoll mit Kombinationstherapien (Sulfasalazin, Methotrexat, Hydroxychloroquin, Ciclosporin, Leflunomid) stufenweise intensiviert. Nach 18 Monaten ziehen die Autoren folgende Bilanz: Die Strategie des intensiven ambulanten Managements verbessert bei rheumatoider Arthritis Krankheitsaktivität, radiologische Progression, körperliche Funktion und Lebensqualität substanziell. Wie die Autoren betonen, liess sich dieses Ergebnis ohne die modernen Tumornekrosefaktor-alpha-Blocker und ohne zusätzliche Kosten erzielen. Ob sich die mit-
telfristig erreichten Therapieverbesserungen auch in langfristigen Kosteneinsparungen niederschlagen würden, müsse offen bleiben. Wie die intensive Therapie mit konventionellen DMARD im Vergleich zu biologischen DMARD abschneidet, sei durch randomisierte kontrollierte Studien zu klären. q
Catriona Grigor et al., Lancet 2004; 364: 263–269.
H.B.
Die heutigen Behandlungsstrategien bei rheumatoider Arthritis beschreibt ein Beitrag auf den Seiten 959 bis 965 in diesem Heft.
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