Transkript
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Das Sjögren-Syndrom
Klinische Manifestationen, Diagnose und Therapie
ARCHIVES OF INTERNAL MEDICINE
Das Sjögren-Syndrom ist eine
recht häufig vorkommende
Autoimmunkrankheit.
Trockene Augen und trocke-
ner Mund sind die Leitsym-
ptome. Die Erkrankung kann
aber auch andere Organe in
Mitleidenschaft ziehen. Eine
Übersicht über Diagnose und
Therapie dieser fast immer
gutartig verlaufenden Krank-
heit geben Stuart S. Kassan
und Haralampos M. Moutso-
poulos in den «Archives of In-
ternal Medicine».
Niemand weiss genau anzugeben, wie viele Menschen derzeit an einem Sjögren-Syndrom leiden. Der Grund hierfür liegt darin, dass gerade bei systemischer Krankheitsmanifestation die Diagnose oft nicht oder verzögert gestellt wird. Die Patienten, oft sind es Frauen in der Perimenopause, werden nicht selten von verschiedenen Spezialisten behandelt. Diese sehen dann nur einen kleinen Ausschnitt der Erkrankung,
nicht aber das ganze Bild, das der Diagnose den Weg bereiten würde. Oft vergehen mehr als zehn Jahre, ehe die Erkrankung erkannt wird. Sicher ist, dass deutlich mehr Frauen als Männer betroffen sind. Man schätzt das Verhältnis auf 9:1. Zumeist beginnt die Erkrankung in der vierten bis sechsten Lebensdekade. Das Sjögren-Syndrom kann als primäre Erkrankung in Erscheinung treten, oder aber, bei mindestens jedem Zweiten, in Assoziation mit einer anderen Autoimmunerkrankung, namentlich rheumatoide Arthritis, Sklerodermie, systemischer Lupus erythematodes und Dermatomyositis.
Das klinische Bild
Das Sjögren-Syndrom ist eine langsam fortschreitende entzündliche Erkrankung, bei der der trockene Mund und die trockenen Augen und ihre Folgeerscheinungen den Betroffenen besonders in seiner Lebensqualität beeinträchtigen können. Fast alle Betroffenen klagen über trockenen Mund, zwei Drittel über trockene Augen.
Trockenes Auge Typisch für das trockene Auge, also die Keratokonjunctivitis sicca, ist ein Fremdkörpergefühl in den oft juckenden Augen, die andererseits äusserlich völlig normal aussehen können. Manch einer klagt auch über schmerzende und «müde Augen». Zudem können Fotosensibilität, Rötung und zuweilen Visuseinschränkung auftreten. Obwohl eine verringerte Tränenproduktion typisch für das Sjögren-Syndrom ist, muss der aktuell gemessene Tränenfluss nicht unbedingt mit den geklagten Beschwerden übereinstimmen. Wegen des verringerten Tränenfilms können sich dicke, fädige Sekrete im inneren
Merk-
sätze
q Das Sjögren-Syndrom ist eine recht häufige Autoimmunerkrankung, die oft (lange) undiagnostiziert bleibt. Im Zentrum steht die Entzündung der Speichel- und Tränendrüsen mit verminderter Sekretion. Die Erkrankung kann sich aber auch an anderen Organen manifestieren.
q Das Sjögren-Syndrom ist grundsätzlich gutartig, die Lebensqualität der Betroffenen kann aber mitunter stark beeinträchtigt sein. Das Lymphomrisiko ist bei den Patienten erhöht, es soll etwa 5 Prozent betragen.
q Eine kausale Therapie gibt es nicht, die Symptome lassen sich aber medikamentös lindern.
Augenwinkel ablagern. An der Hornhaut enstehen als Folge der Austrocknung mitunter kleine oberflächliche Erosionen, an der Spaltlampe kann in schweren Fällen eine Keratitis sichtbar werden. Eine Vergrösserung der Tränendrüsen ist selten.
Trockener Mund Obwohl die Xerostomie praktisch immer vorhanden ist, müssen nicht alle Patienten darunter leiden. Manche haben zumindest im frühen Stadien nur einen unangenehmen Geschmack und gewisse Schwierigkeiten, trockene Nahrung zu essen. Bei fortgeschrittener Krankheit hingegen ist die Mundschleimhaut trocken und trübe,
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und es bilden sich feine Falten aus. Typischerweise wird die Zunge auffallend rot und gelappt mit partieller Depapillierung. Die geringe Speichelproduktion hat auch negative Auswirkungen auf die Zähne, die häufig zu Karies neigen. Zudem spielt der Speichel eine wichtige Rolle bei der Säuberung der Mundhöhle von Nahrungsresten, aber auch Mikroorganismen. Bei schwerer Funktionsstörung der Speicheldrüse werden vermehrt S. mutans und bestimmte Laktobazillen in der Mundhöhle angetroffen, auch Soor tritt häufiger auf. Zudem scheinen die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für periodontale Erkrankungen zu haben, aber diese Korrelation ist nicht so eindeutig wie bei der Karies. Bei ambulanten Patienten ist das SjögrenSyndrom die häufgste Ursache für eine akute bakterielle Sialadenitis, zumeist ausgelöst durch Staphylokokken und Pneumokokken. Typischerweise leiden die Patienten an Schmerzen, Trismus und schmerzhafter Schwellung der Speicheldrüse. Die regionalen Lymphknoten können vergrössert und schmerzhaft sein, auch Fieber kann gelegentlich auftreten.
Xerose an anderen Organen Die Austrocknung der Schleimhaut kann auch andere Körperteile erfassen. Bei Frauen können Vagina und Vulva betroffen sein, was zu Pruritus und Dyspareunie Anlass geben kann. Im Respirationstrakt kann die mangelhafte Schleimproduktion zur Austrocknung von Nase, Hals und Luftröhre führen und einen nichtproduktiven Husten nach sich ziehen. Auch das Integument kann trocken sein. Eine Vaskulitis, die auf die Haut beschränkt ist, fällt als Purpura oder Urtikaria auf.
Allgemeine Symptome und Organbeteiligung
Es gibt neben den typischen Augen- und Mundsymptomen weitere Beschwerden, die Ausdruck eines systemischen Befalls sind.
Müdigkeit Etwa jede zweite Patientin leidet unter Müdigkeit oder Erschöpfung, und nicht
Pathophysiologie
Im Zentrum des Sjögren-Syndroms steht aus pathopyhsiologischer Sicht die chronische Stimulation des Immunsystems. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind nicht bekannt, doch weiss man, dass B- und T-Zellen beteiligt sind. Die B-Zellaktivierung zeigt sich anhand der Hypergammaglobulinämie und zirkulierender Autoantikörper. Auch lassen sich bei Organmanifestation beispielsweise Antikörper gegen die Schilddrüse, Magenmukosa, Prostata, Erythrozyten und Nervenzellen nachweisen. Nicht organspezifische Antikörper werden bei immerhin 60 Prozent der Patienten gefunden. Hierzu zählen Rheumafaktoren, antinukleäre Antikörper und Antikörper gegen kleine RNAProteinkomplexe (SS-A und SS-B). Sie dürften zu gewissen Dysfunktionen Anlass geben, noch ehe eine Entzündung sich bemerkbar macht. Der Entzündungsprozess betrifft vorwiegend die Drüsenepithelzellen, die antigenpräsentierende Proteine bilden, welche wiederum die Adhäsion von T-Zellen stimulieren. Histopathologisch zeigen sich fokale lymphozytäre Infiltrate, vor allem um die Drüsengänge. Betroffen sind die Tränen- und Speicheldrüse, aber auch der Respirationsund Gastrointestinaltrakt sowie die Vagina.
wenige der Betroffenen empfinden dies als den schlimmsten Umstand, leiden mehr darunter als unter den «exokrinen Symptomen». Die Betroffenen verbringen viele zusätzliche Stunden im Bett, schlafen, ohne sich im Anschluss frisch und erholt zu fühlen. Die Ursache für die Müdigkeit ist unbekannt, ein subklinischer Hypothyreoidismus mag eine gewisse Teilschuld tragen. Unter Fibromyalgie, die auch mit Müdigkeit verbunden ist, leidet übrigens jeder fünfte Sjögren-Patient.
Muskel-Skelett-Beteiligung Gelenkerkrankungen sind bei primärem SS recht häufig, vor allem sind intermittierend die kleinen Gelenke betroffen, oft asymmetrisch. Gelenkdeformationen sind auch auf lange Sicht kaum zu erwarten. Eine nichterosive Arthritis, ähnlich der beim systemischen Lupus erythematodes, kann vorübergehend aufscheinen. Arthralgie hingegen ist bei jedem zweiten Patienten zu finden, Myalgien bei jedem fünften. Das primäre Sjögren-Syndrom wird des Öfteren mit einer rheumatoiden Arthritis verwechselt, wobei tatsächlich das Sjögren-Syndrom sekundär bei Rheumatikern des Öfteren vorkommt.
Hautbeteiligung Unter trockener Haut leidet, wie eine Studie kürzlich zeigte, etwa jeder Zweite,
10 Prozent weisen Hautrötungen und 20 Prozent Hautbrennen auf. Bei einem Teil von ihnen zeigt sich in der Histologie eine Vaskulitis der kleinen und mittelgrossen Gefässe in der Haut. Es ist wichtig, eine Abgrenzung zu Lupus erythematodes und Sklerodermie vorzunehmen, von denen die Patienten sekundär betroffen sein können. Ein Raynaud-Phänomen kann, allerdings in leichter Ausprägung, bei primärem Sjögren-Syndrom auftreten.
Lungenbeteiligung CT-Bilder zeigen bei einem Teil der Patienten eine subklinische pulmonale Erkrankung. Die Lungenbeteiligung spielt in der Praxis aber eine untergeordnete Rolle, da die Beschwerden nicht sehr ausgeprägt sind. Husten tritt des Öfteren auf als Folge der Xerotrachea. Andere Erscheinungsformen betreffen die lymphozytäre interstitielle Pneumonitis und das Pseudolymphom.
Gastroenterologische Beteiligung Mitunter kann der ganze Gastrointestinaltrakt betroffen sein. Malabsorption durch lymphozytäre Infiltrate des Darms und Motilitätsstörungen der Speiseröhre kommen vor. Im Labor ergeben sich zuweilen Zeichen einer leichten Pankreatitis oder Hepatitis. Bei Letzterer muss unterschieden werden zwischen einer Hepatitis C
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und einer organspezifischen Autoimmunhepatitis. Die Hepatitis C ist nicht mit einem typischen Sjögren-Syndrom assoziiert, während eine lymphozytäre Sialadenitis immer häufiger bei Patienten mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion beobachtet wird. Diese Patienten entwickeln des öfteren auch eine Xerostomie, jedoch keine Xerophthalmie.
Nierenbeteiligung Bei manchen Patienten mit Sjögren-Syndrom sind die Nierentubuli mitbetroffen, was beispielsweise eine distale tubuläre Azidose zur Folge haben kann. Die pathologischen Befunde zeigen oft eine tubulointerstitielle Nephritis, bei der die Glomeruli ausgespart bleiben. Der interstitielle Entzündungsherd ist von Lymphozyten besiedelt, Fibrose und tubuläre Atrophie sind erkennbar. Bei Patienten, die Anzeichen für eine glomeruläre Beteiligung haben, kommen Hämaturie, Proteinurie und Niereninsuffizienz vor. In seltenen Fällen kann die Nierenerkrankung bis zum nephrotischen Syndrom fortschreiten. Eine renale Vaskulitis kann Ursache für Hypertonie und Niereninsuffizienz sein.
Neurologische Symptome Eine weitere systemische Manifestation betrifft das Nervensystem, wobei die kranialen und die peripheren Nerven und selten das Zentralnervensystem in Mitleidenschaft gezogen sind. Eine periphere, zumeist sensorische Neuropathie soll bei jeder fünften Patientin auftreten. Auch Höreinbussen sind gelegentlich möglich.
Krebsrisiko Patienten mit Sjögren-Syndrom haben rechnerisch ein 44fach erhöhtes Lymphomrisiko, letztlich erkranken etwa 5 Prozent von ihnen. Die maligne Erkrankung kann zu Beginn des Sjögren-Syndroms auftreten oder sich im Laufe der Krankheit entwickeln. Tabelle 1 gibt Umstände an, die ein erhöhtes Lymphomrisiko anzeigen. Die meisten Lymphome betreffen die BZelllinie und sind von geringerer Malignität. Sie sind in der Speicheldrüse, Lunge, Schilddrüse, Niere und Orbita lokalisiert.
Lokale Lymphome erfordern kein unverzügliches Eingreifen, «watchful waiting» ist angezeigt. Disseminierter Befall macht hingegen eine Chemotherapie notwendig.
Diagnose
Traditionell wurde die Speicheldrüsenbiopsie als diagnostischer Goldstandard angesehen, nach den aktuellen Diagnosekriterien kommt man auch ohne diesen Eingriff aus. Ein amerikanisch-europäisches Konsensuskomitee hat einen entsprechenden Kriterienkatalog aufgestellt, anhand dessen die Diagnose mit einer Sensitivität und Spezifität von etwa 95 Prozent erfolgen kann. Die Kriterien betreffen folgende subjektive und objektive Parameter: q Symptome des trockenen Auges q Pathologischer Schirmer-Test q Symptome des trockenen Mundes q Speicheldrüsentest (Flussrate, Szinti-
gramm oder Sialogramm) q Befund der Speicheldrüsenbiopsie q Autoantikörper SS-A und SS-B
Sind 4 dieser 6 Kriterien erfüllt (ein objektives Kriterium muss darunter sein), kann die Diagnose gestellt werden. Die Autoren empfehlen, auch zum Ausschluss anderer Erkrankungen oder zum Nachweis begleitender Krankheiten, eine ganze Batterie von diagnostischen Massnahmen, die in Tabelle 2 dargestellt sind.
Therapie des SjögrenSyndroms
Die Therapie des Sjögren-Syndroms ist im Wesentlichen symptomatisch, sie zielt darauf, die Folgen der Erkrankung einzudämmen.
Trockenes Auge Durch Applikation von künstlicher Tränenflüssigkeit kann die Feuchtigkeit der trockenen Augen aufrechterhalten und die Irritationen gelindert oder behoben werden. Durch temporären Verschluss des Tränenpünktchens mittels Silikontamponade kann der Tränenabfluss verhindert werden.
Tabelle 1: Hinweise auf ein erhöhtes B-Zell-
Lymphomrisiko
Klinisch: q Persistierende Vergrösserung
der Speicheldrüsen q Splenomegalie q Lymphadenopathie q Palpable Purpura q Beinulzera Serologisch: q Geringe C4-Komplementwerte q Gemischte monoklonale
Kryoglobulinämie
Tabelle 2: Diagnostische Massnahmen bei
Verdacht auf SjögrenSyndrom
Auge q Schirmer-Test q Spaltlampenuntersuchung
Mund q Zahnstatus q Abschätzung des Speichelflusses q Speichelflussszintigramm q Speicheldrüsenbiopsie
Systemisch q Komplette Anamnese
und körperliche Untersuchung q Labor: Blutbild, BSG, Leberenzyme
TSH, Antinukleäre Antikörper (ANA), Rheumafaktor, Serumprotein-Elektrophorese IgM, IgG; Harnanalyse q Thorax-Röntgen
Bei Bedarf q Speicheldrüsen-MRI/Sonografie q Lymphknotenbiopsie q Organspezifische Antikörper
(z.B. der Leber, Schilddrüse) q Untersuchung auf Hepatitis B, C,
Epstein-Barr-Virus, HIV
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Das Sjögren-Syndrom
Auch gibt es besondere Brillen mit einer speziell konstruierten Seitenkammer. Bei Wind kann diese Konstruktion hilfreich sein, ansonsten sind diese Hilfen bei den Patienten nicht sonderlich beliebt. Weiche Kontaktlinsen können dazu beitragen, das Infektionsrisiko zu verringern. Eine Infektion, die oft mit erheblicher Verschlimmerung der Symptome und exzessiver Mukusproduktion einhergeht, sollte sofort therapiert werden. Steroide sind am Auge nach Möglichkeit zu vermeiden, weil sie die Infektion anstacheln und zu Hornhautschäden führen können. Die Blepharitis ist eine Komplikation des trockenen Auges, welche die Therapie mit einem topischen Antibiotikum erforderlich macht. Pilocarpin (Salagen®, in der Schweiz neu im Handel) und Cevimelin sind Sekretagogika, mit denen sich die Symptome des trockenen Auges und des trockenen Mundes gut lindern lassen. Sie stimulieren die Restfunktion der Drüsenzellen durch Wirkung auf bestimmte Muskarinrezeptoren. Die häufigsten Nebenwirkungen der Sekretagogika sind Schwitzen, von dem bis zu 40 Prozent betroffen sind, und – deutlich seltener Übelkeit. Wegen der parasympathikomimetischen Wirkung ist Vorsicht geboten bei Patienten beispielsweise mit Asthma, Engwinkelglaukom, akuter Iritis, schwerer kardiovaskulärer Erkrankung, Gallenleiden, Diarrhö oder Ulkusleiden. Cevimelin, das in der Schweiz nicht im Handel ist, soll, nach Phase-3Studien zu urteilen, seltener zu exzessivem Schwitzen führen. Beide Substanzen werden oral eingenommen.
Trockener Mund Die Sekretagogika wirken auch gegen die Mundtrockenheit, die sich nach Pilocarpineinnahme innert 15 Minuten bessert; die Wirkung hält mindestens 4 Stunden an. Einer neueren Studie zufolge kann Pilocarpin auch durch sublinguale Verabreichung einer ophthalmologischen Lösung seine Wirkung im Mund entfalten.
Ansonsten kann die Speichelflüssigkeit ebenfalls substituiert werden. Allerdings hält die Wirkung nicht sehr lange vor, und der künstliche Speichel schmeckt vielen unangenehm. Ohne verbliebene Speicheldrüsenfunktion sollte dennoch Flüssigkeit ersetzt werden, meinen die Autoren. Wichtig ist die regelmässige Zahnuntersuchung wegen des erhöhten Kariesrisikos. Patienten mit Sjögren-Syndom sollten, wenn immer der Gesundheitszustand es erlaubt, auf Diuretika, Antihypertensiva oder Antidepressiva verzichten, weil ihre Vertreter die Speichelfunktion verschlechtern können. Interessant erscheint ein neuer Therapieansatz mit Interferon alfa. Bei oraler Einnahme von 150 IE dreimal am Tag zeigte sich in einer Studie eine deutliche Verbesserungen der Xerostomie verglichen mit Plazebo. Anders als bei der parenteralen Gabe war die orale Einnahme frei von ernsthaften Nebenwirkungen. Diese Therapie müsse nun weiter auf Wirksamkeit und Sicherheit geprüft werden, fordern die Autoren. Im Übrigen können die Patienten durch ihr Verhalten auch etwas zu ihrem Wohl beitragen, also etwa grosse Hitze und Klimaanlagen meiden. Kaugummis regen hingegen die Speichelbildung auch bei Sjögren-Patienten an.
Systemische Erkrankung Nichtsteroidale Antirheumatika können helfen, die Muskel-Skelett-Symptome zu lindern, auch gegen schmerzhafte Parotisschwellung sind die Substanzen wirksam. In schweren Fällen wird versucht, mit Chloroquin den Zustand der immunologischen Hyperreaktivität zu verbessern, der sich beim primären Sjögren-Syndrom durch Hypergammaglobulinämie und Autoantikörper zu erkennen gibt. Der Langzeitnutzen dieser Behandlung ist bislang aber nicht gesichert. Chloroquin wird mitunter auch gegen Arthralgien und Myalgien eingesetzt. In seltenen Fällen kann es angezeigt sein, gegen sehr schmerzhafte
Symptome mit einem kurzen Behand-
lungszyklus mit niedrig dosierten Stero-
iden vorzugehen.
Pruritus und eine leichte leukozytoklasti-
sche Vaskulitis können durch intermittie-
rende Gabe einer Steroidcreme behandelt
werden. In schweren Fällen mit nekrotisie-
renden Läsionen sind initial orale Steroide
angezeigt, um die Entwicklung zu bremsen.
Zur Linderung der Schlafprobleme stehen
niedrig dosierte Antidepressiva zur Ver-
fügung, von denen einige allerdings die
Neigung haben, eine Mundtrockenheit
hervorzurufen.
Eine Langzeittherapie mit Immunsuppres-
siva hat die in sie gesetzten Hoffnungen
nicht erfüllt. In bisherigen Studien war
weder oral verabreichtes Cyclosporin noch
Methotrexat in der Lage, den Tränen-
oder Speicheldrüsenfluss zu verbessern.
Angesichts des prinzipiell gutartigen Ver-
laufs der Erkrankung sollten Immunsup-
pressiva nach Auffassung der Autoren
aber wegen ihres gewissen toxischen
Potenzials ohnehin mit grosser Zurückhal-
tung betrachtet werden.
Eine Leberbeteiligung ist selten und kann,
etwa bei leichter biliärer Zirrhose, mit
Ursodeoxycholsäure behandelt werden.
Bei persistierender oder fortschreitender
Lebererkankung wird man nicht um Pred-
nison oder Azathioprin herumkommen,
meinen die Autoren.
q
Stuart S. Kassan, Haralampos M. Moutsopoulos: Clinical manifestations and early diagnosis of Sjögren syndrome. Arch Intern Med 2004; 164: 1275–1284.
Uwe Beise
Interessenkonflikte: Der Erstautor ist als Redner bei der Firma Daiichi Pharmaceutical Corporation aufgetreten. Die Firma stellt den Muskarinagonisten Cevimelin her.
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