Transkript
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Statin-Effekte im Vergleich
Charakteristika der einzelnen Vertreter
URSULA GRESSER UND BIRGIT S. GATHOF
Bei der Therapie der Hypercholesterinämie sind Statine als Mittel der ersten Wahl anerkannt. Doch neuere Studien zeigen, dass diese Sub-
Unter Therapie mit Statinen treten – weitgehend unabhängig von den Cholesterinwerten – bis zu 34 Prozent weniger Herzinfarkte und bis zu 59 Prozent weniger Schlaganfälle auf als unter Plazebo. Der positive Effekt zeigt sich teils schon in der Frühphase nach einem akuten Gefässereignis. Statine haben einen günstigen Effekt auf den Stoffwechsel und auf entzündliche Prozesse in der Gefässwand, verringern die Thrombozytenaggregation und verlangsamen oder stoppen die Plaquebildung.
stanzen weit mehr können, als die Blutfette zu normalisieren. Auch bei Patienten mit normalen Cholesterinwerten treten unter Statinen weniger
“Statine haben einen günstigen
Effekt auf den Stoffwechsel und
auf entzündliche Prozesse in der
Gefässwand, verringern die
Thrombozytenaggregation und
verlangsamen beziehungsweise
”stoppen die Plaquebildung.
Fazit
Die Studienergebnisse einzelner Statine sind nur begrenzt auf andere Statine übertragbar. So konnte beispielsweise für Lovastatin und Fluvastatin kein positiver Effekt auf die Häufigkeit von Schlaganfällen gezeigt werden, während unter Atorvastatin die Schlaganfallhäufigkeit um bis zu 59 Prozent sank Auch beim klinischen Wirkungseintritt gibt es deutliche Unterschiede: Bei Simvastatin und bei Pravastatin wird der klinische Unterschied erst nach 11/2 bis 2 Jahren sichtbar, bei Atorvastatin schon nach wenigen Wochen. Damit empfiehlt sich Atorvastatin für all jene Patienten, bei denen bereits eine Erkrankung vorliegt oder wo aus anderen Gründen ein zügiger Wirkungseintritt wünschenswert ist.
Herzinfarkte und Schlaganfälle auf. Doch es gibt offensichtlich Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten. Eine Analyse, die elf plazebokontrollierte Endpunktstudien einschloss, konnte die Besonderheiten der einzelnen Vertreter dieser Substanzklasse verdeutlichen.
Angriffspunkt Gefässplaques
Professor Nissen, Cleveland, berichtete im November 2003 beim American Heart Association Meeting in Orlando über erste Ergebnisse der REVERSAL-Studie (1). In dieser Studie wird untersucht, ob und wie deutlich Statine die Entwicklung von Plaques in den Gefässen beeinflussen können. Nach 18 Monaten waren die Plaques bei den mit Pravastatin behandelten Patienten langsamer als zuvor nur um 2,7 Prozent gewachsen, bei den mit Atorvastatin behandelten Patienten war das Plaquewachstum sogar zum Stillstand gekommen. Professor Nissen schliesst daraus, dass Statine die «Verkalkung» in den Gefässen zumindest verlangsamen (Pravastatin) wenn nicht stoppen (Atorvastatin) können. Dies würde erklären, weshalb
Patienten, die ein Statin einnehmen, ein deutlich geringeres Risiko haben, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.
“Statine können die «Verkal-
kung» in den Gefässen zumindest
verlangsamen (Pravastatin) wenn
”nicht stoppen (Atorvastatin).
Sind alle Statine gleichwertig?
Wir wollten wissen, ob diese positiven Effekte bei allen Statinen gleich sind, oder ob es zwischen den verschiedenen Statinen klinisch relevante Unterschiede gibt, und haben hierzu die Ergebnisse von elf plazebokontrollierten Endpunktstudien über die fünf wichtigsten Statine
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Statin-Effekte im Vergleich
Unterschiedliches Studiendesign
Bei der Bewertung der Studienergebnisse muss man berücksichtigen, dass die Studien unterschiedlich aufgebaut sind. Die kleineren Studien erreichen zwar seltener statistisch signifikante Ergebnisse als die grossen Studien, sind aber meist wesentlich exakter in Methodik und Ergebnisauswertung. «Statistisch signifikant» bedeutet ja nicht, dass ein Medikament wirksam ist, sondern lediglich, dass ein eventueller Unterschied gegenüber Plazebo wahrscheinlich kein Zufall ist. Da die Studien unterschiedlich aufgebaut und ausgewertet wurden, sind die auf diesen unterschiedlichen Daten beruhenden statistischen Rechenergebnisse nicht vergleichbar. Wir haben deshalb alle Ergebnisse in die Bewertung einbezogen, auch die statistisch weniger signifikanten.
(Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin) bezüglich Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit miteinander verglichen (2). Vom neu auf den Markt gekommenen Rosuvastatin wurde noch keine vergleichbare Studie veröffentlicht.
Statine bei akutem Gefässverschluss
Nur bei zwei der elf Studien wurden auch Patienten mit akutem kardialen Ereignis untersucht. Bei der FLORIDA-Studie (3) erhielten die Patienten spätestens zwei Wochen nach einem akutem Herzinfarkt Fluvastatin oder Plazebo, bei MIRACL (4) spätestens vier Tage nach einem akuten Koronarsyndrom Atorvastatin oder Plazebo. Unter Fluvastatin fand sich ein leichter Vorteil bei der Gesamtmortalität und kein positiver Effekt bezüglich des Schlaganfall-Risikos. Unter Atorvastatin sank im Vergleich zu Plazebo die kardiovaskuläre Erkrankungshäufigkeit um 18 Prozent. Die mit Atorvastatin behandelten Patienten hatten zudem ein um 59 Prozent geringeres Risiko
für einen nichttödlichen Schlaganfall. Das Gesamt-Schlaganfallrisiko sank um 50 Prozent. Der positive Effekt war schon nach einigen Wochen sichtbar.
“In der MIRACL-Studie hatten
die mit Atorvastatin behandelten
Patienten ein um 59 Prozent
geringeres Risiko, einen nichttöd-
”lichen Schlaganfall zu erleiden.
Statine nach Herzinfarkt
Mit der Behandlung von Patienten, die zuvor einen akuten Herzinfarkt überlebt haben, befassen sich drei der elf Studien: CARE (5), 4S (6) und LIPID (7). Unter Pravastatin (CARE und LIPID) traten bis zu 37 Prozent weniger tödliche Herzinfarkte, 23 Prozent weniger nichttödliche Herzinfarkte und 31 Prozent weniger Schlaganfälle auf. Die kardiovaskuläre Sterblichkeit war um bis zu 25 Prozent geringer als unter Plazebo. Die Unterschiede zwischen den Gruppen begannen nach einem bis zwei Jahren Behandlung. Bei der 4S-Studie (6) fiel unter Simvastatin die kardiovaskuläre Sterblichkeit um 35 Prozent niedriger aus als unter Plazebo. Der Effekt begann nach einem bis zwei Jahren Therapie.
“Die Effekte von Pravastatin
und Simvastatin bei Patienten
nach überstandenem Herzinfarkt
machten sich nach einem bis zwei
”Jahren bemerkbar.
Statine bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko
Drei der elf Studien befassen sich mit Patienten mit erhöhtem Risiko für eine Gefässerkrankung. Bei der Heart-Protection-Studie verstarben in der Verumgruppe (Simvastatin) im Vergleich zur Plazebogruppe 17 Prozent weniger Patienten an einem Herztod und 19 Prozent weniger an einem Schlag-
anfall. Der positive Effekt begann nach etwa einem bis zwei Jahren. Die Studie hat jedoch zahlreiche methodische Schwächen, so nahmen zum Beispiel am Studienende 5,5 Prozent aller Studienpatienten Atorvastatin ein. Bei der LIPS-Studie (8), die Patienten mit Angina pectoris oder kardialer Ischämie nach einer erfolgreich verlaufenen Rekanalisierung einschloss, sank unter Fluvastatin das Risiko, ein schweres kardiales Ereignis zu erleiden, um 22 Prozent im Vergleich zur Plazebogruppe. Die Schlaganfall-Häufigkeit wurde nicht positiv beeinflusst. Der positive Effekt begann nach etwa eineinhalb Jahren. Bei der ASCOT-Studie (9) (Patienten mit Hypertonie und mindestens 3 weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren) reduzierte sich unter Atorvastatin das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, um 36 Prozent. Schlaganfälle traten um 27 Prozent seltener als unter Plazebo auf. Der positive Effekt von Atorvastatin zeigte sich schon nach wenigen Wochen.
“Der positive Effekt von
Atorvastatin auf Herzinfarkt- und
Schlaganfall-Häufigkeit zeigte
sich in der ASCOT-Studie schon
”nach wenigen Wochen.
Statine bei älteren Patienten
Eine der elf Studien – die PROSPER-Studie (10) – befasst sich mit der Wirkung bei Patienten über 70 Jahren und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Unter Pravastatin traten 19 Prozent weniger Herzinfarkte und 24 Prozent weniger Herztode auf, die Gesamtsterblichkeit sank aber nur um 3 Prozent, da andere Todesursachen anteilig zunahmen. Die Häufigkeit von Schlaganfällen wurde nicht beeinflusst.
Statine bei Patienten ohne Atherosklerose
Zwei der elf Studien befassen sich mit Patienten ohne Atherosklerose. Bei der WOSCOP-Studie (11) traten bei den mit
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Statin-Effekte im Vergleich
Studie
Tabelle: Statin-Studien im Überblick*
Statin-Dosierung Mittlere Beobachtungszeit Grösse der Studie
Häufigkeit primärer Endpunkt Abnahme des relativen Risikos Endpunkte-Definition
Verringerung der Gesamtsterblichkeit
Verringerung kardiovaskulärer Todesfälle
Verringerung der kardiovaskulären Erkrankungshäufigkeit
Atorvastatin MIRACL (Schwartz et al. 2001)
Atorvastatin 80 mg/Tag Plazebo 0,3 Jahre (16 Wochen) 3086 Teilnehmer
ASCOT (Sever et al. 2003)
Fluvastatin LIPS (Serruys et al. 2002)
Atorvastatin 10 mg/Tag Plazebo 3,3 Jahre 10 305 Teilnehmer
Fluvastatin 80 mg/Tag Plazebo 3,9 Jahre 1677 Teilnehmer
FLORIDA (Liem et al. 2002)
Fluvastatin 80 mg/Tag Plazebo 1 Jahr 540 Teilnehmer
Lovastatin AFCAPS/TexCAPS (Downs et al. 1998)
Lovastatin 20 bis 40 mg/Tag Plazebo 5,2 Jahre 6605 Teilnehmer
Pravastatin WOSCOP (Shepherd et al. 1995)
Pravastatin 40 mg/Tag Plazebo 4,9 Jahre 6595 Teilnehmer
Atorvastatin 14,8% Plazebo 17,4% 16% Tod, nichttödlicher Herzinfarkt, Herzstillstand, rezidivierende behandungsbedürftige myokardiale Ischämie
6%
Atorvastatin 1,9% Plazebo 3,0% 36% Herzinfarkt, tödlich und nichttödlich
13%
Fluvastatin 21,4% Plazebo 26,7% 22% Herzinfarkt, tödlich und nichttödlich, invasive Therapie
31%
Fluvastatin 32,5% Plazebo 35,8% 9% Tod, kardiale Ischämie, Herzinfarkt, invasive Therapie
34%
Lovastatin 6,8% Plazebo 10,9% 37% erster Herzinfarkt, tödlich oder nichttödlich
4%
Pravastatin 5,5%
22%
Plazebo 7,9%
31%
erster Herzinfarkt,
tödlich oder nichttödlich
4% 18% Apoplex 50%
10%
21% Apoplex 2%
nicht differenziert
nicht differenziert
43%
9%
32%
25%
32%
25–26%
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Statin-Effekte im Vergleich
Pravastatin behandelten Patienten 32 Prozent weniger kardiovaskuläre beziehungsweise 33 Prozent weniger kardiale Todesfälle auf. Das Risiko, einen Schlaganfall zu
erleiden, war unter Pravastatin um 11 Prozent niedriger. Der positive klinische Effekt begann nach sechs bis zwölf Monaten. Bei der AFCAPS/TexCAPS-Studie (12) er-
litten Patienten mit Lovastatin-Therapie 40 Prozent weniger Herzinfarkte. Der positive Effekt begann nach etwa einem Jahr Behandlung.
Tabelle (Fortsetzung): Statin-Studien im Überblick*
Studie
Statin-Dosierung Mittlere Beobachtungszeit Grösse der Studie
Häufigkeit primärer Endpunkt Abnahme des relativen Risikos Endpunkte-Definition
Verringerung der Gesamtsterblichkeit
Verringerung kardiovaskulärer Todesfälle
Verringerung der kardiovaskulären Erkrankungshäufigkeit
CARE (Sacks et al. 1996)
Pravastatin 40 mg/Tag Plazebo 5,0 Jahre 4159 Teilnehmer
Pravastatin 10,2% Plazebo 13,2% 24% Herzinfarkt, tödlich oder nichttödlich
9%
16%
Herzinfarkt 24% Apoplex 31%
LIPID (The Long-Term Intervention with Pravastatin in Ischaemic Disease (LIPID) Study Group 1998)
Pravastatin 40 mg/Tag Plazebo 6,1 Jahre 9014 Teilnehmer
Pravastatin 6,4% Plazebo 8,3% 24% Herzinfarkt, tödlich
22%
25%
Herzinfarkt 29% Apoplex 19%
PROSPER (Shepherd et al. 2002)
Pravastatin 40 mg/Tag Plazebo 3,2 Jahre 5804 Teilnehmer
Pravastatin 14,1% Plazebo 16,2% 15% Herzinfarkt, tödlich oder nichttödlich; Schlaganfall, tödlich oder nicht-tödlich
3%
15%
15%
Simvastatin Scandinavian Simvastatin Survival Study (4S) (Scandinavian Simvastatin Survival Study Group 1994)
Simvastatin 20–40 mg/Tag Plazebo 5,4 Jahre 4444 Teilnehmer
Simvastatin 8,2% Plazebo 11,5% 30% Tod
30%
35%
27% Apoplex 37%
Heart Protection Study (Heart Protection Study Collaborative Group 2002)
Simvastatin 40–80 mg/Tag Plazebo 5,3 Jahre 20 536 Teilnehmer
Simvastatin 12,9% Plazebo 14,7% 13% Tod
13%
17%
24% Apoplex 25%
*Bei der Bewertung der Ergebnisse muss die unterschiedlich lange Beobachtungszeit von 0,3 bis 6,1 Jahren berücksichtigt werden.
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Statin-Effekte im Vergleich
Wenn man die Ergebnisse – statistisch nicht ganz korrekt – auf eine einheitliche Behandlungszeit von 5 Jahren hochrechnet, dann ergeben sich folgende Ergebnisse: Verringerung akuter kardialer Ereignisse: Atorvastatin bis zu 44% Pravastatin bis zu 36% Fluvastatin oder Simvastatin bis zu 32% Lovastatin bis zu 24% Verringerung der Schlaganfallhäufigkeit: Atorvastatin bis zu 41% Simvastatin bis zu 34% Pravastatin bis zu 31%
Auch bei Patienten ohne Atherosklerose
nahmen unter Statinen (Pravastatin bzw.
Lovastatin) kardiovaskuläre Todesfälle und
Herzinfarkte ab.
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Literatur: 1. REVERSAL = Reversing Atherosclerosis
with Aggressive Lipid Lowering. 2. Eur J Med Res 9: 1–17; 2004. 3. FLORIDA = Fluvastatin on Risk Diminish-
ment After Acute Myocardial Infarction. 4. MIRACL = Myocardial Ischemia
Reduction with Aggressive Cholesterol Lowering. 5. CARE = Cholesterol And Recurrent Events. 6. 4S = Scandinavian Simvastatin Survival Study. 7. LIPID = Long-term Intervention with Pravastatin in Ischemic Disease. 8. LIPS = Lescol Intervention Prevention Study. 9. ASCOT = Anglo Scandinavian Cardiac Outcomes Trial. 10. PROSPER = Prospective Study of Pravastatin in the Elderly at risk. 11. WOSCOP = West of Scotland Coronary Prevention Study Group.
12. AFCAPS/TexCAPS = Airforce/Texas Coronary Atherosclerosis Prevention Study.
Für die Autoren: Prof. Dr. med. Ursula Gresser
Universität München Kontakt:
Praxisklinik für Ambulante Operationen und Innere Medizin D-82054 Sauerlach bei München
Interessenkonflikte: keine
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 6/2004. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorinnen.
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