Transkript
Medien q q q Moden q q q Medizin
Rosenbergstrasse 115
Die Olympischen Spiele boten vielerlei Art von Show, fast wie im Kino: Spannendes, Dramatisches, Tragisches, Liebenswürdiges, sogar Romantisches. Und Horror (und wie bei den Horrorfilmen möchte man das Gruslige nicht sehen und kann doch nicht davon lassen): Die Rede ist vom Gewichtheben der Damen, Klasse Schwergewicht. Es tun einem die kaum mehr als solche erkennbaren jungen Frauen Leid und mindestens so sehr ihre Gelenke.
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Doping: Die Frage ist nicht, ob oder ob nicht, sondern ob erwischt oder nicht. Nicht nur, aber besonders die griechischen Sportler machen Schlagzeilen. Zwei Sprinter sind gar nicht erst angetreten – das Schummelsystem unter gütiger (besser wohl: gut entlöhnter) Mithilfe von griechischen Ärztekollegen hat nicht funktioniert. Dann besser den Test ganz verweigern. Dumm gelaufen. Eine dritte griechische Sprinterin hat dafür Gold gewonnen. Sie kam, lief und siegte, ohne zuvor je mit guten Leistungen in Erscheinung getreten zu sein, dafür mit einer geradezu unheimlichen Leistungssteigerung innert eines halben Jahres. Es kommt eben auf die Qualität des Schummelsystems an.
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Früher hiess die Sportart Military, heute etwas verharmlosend Vielseitigkeitsprüfung. Die Sportart ist «attraktiv» für die Zuschauer. Über Baumstämme in knietiefe Gunten, über Mäuerchen und andere feste Hindernisse springend, kommt es immer wieder zu spektakulären Stürzen. Da bricht dann schon mal ein Reiter ein Bein oder ein Pferd den Hals (oder umgekehrt, was für das Pferd nicht viel besser ist). Tierschützer haben sich schon immer für ein Verbot dieser Sportart eingesetzt. Aber der Weltverband FEI wiegelt ab: Alles nicht
mehr so schlimm heutzutage. Der ChefVeterinär des Verbands in Athen: «Wir haben 93 Prozent der Pferde ohne Probleme ins Ziel gebracht.» Dumm für jedes zehnte Pferd.
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Aber wir wollen ja nicht defätistisch und miesepetrig sein. Es gab auch viel Spannendes und Schönes an den Olympischen Spielen in Athen. Zum Beispiel die unbändige Freude unserer Silbermedaillen-Gewinner im Radfahren. (Kannten Sie eigentlich vor diesem freudigen Ereignis eine Radsportart namens «Madison»? Oder erinnern Sie sich an den auch eher als Modeerscheinung in der Tanzschule?)
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In unserer Nachbereitung zur FussballEM eine Reihe neuerer Sprüche, (unter Weglassung einiger bereits bekannter goldener Zitate wie «Egal, ob Madrid oder Mailand – Hauptsache Italien»): Günter Netzer (auf die Frage von Gerhard Delling, ob die französischen Spieler zu ihrem Trainer stünden): «Bevor ich solche Dinge nicht weiss, würde ich sie nicht spekulieren wollen.» Franz Beckenbauer (kommentiert das nicht gegebene Tor der Engländer gegen Portugal): «Im 5-Meter-Raum darf der Torwart nicht angegangen werden. Da ist er eine heilige Kuh.» Giovanni Trappatoni (Italiens Nationaltrainer begründet die schwache Vorstellung seines Teams gegen Dänemark): «Es war sehr, sehr heiss. Man konnte fast nicht mehr atmen.» Totti, der prominentere der beiden bestraften EM-Spucker, doppelte nach mit der Erklärung, er habe unter einem Hitzestau in den Füssen gelitten, verursacht von seinen neuen Schuhen. Günter Netzer: «Die meisten Spiele, die 1:0 ausgingen, wurden gewonnen.» Anke Engelke: «Rainer Calmund war
der einzige deutsche Fussballmanager, den man mit blossem Auge vom Weltall aus sehen konnte.» Ruth Moschner: «Carsten Ramelow möchte jüngeren Spielern Platz machen. Komisch – das macht er auf dem Spielfeld doch schon seit Jahren so.» Anke Engelke: «Ich sass ganz ergriffen vor dem Fernseher: gedämpfte Stimmung, Gesichter voller Trauer, Veteranen, die sich langsam über den Platz schleppen, bis ich merkte: Das ist gar nicht die Feier zum D-Day, das ist ja unsere Fussball-Nationalmannschaft!» Und zum Schluss Alexander Strehmel: «Gerade in einem Spiel, in dem die Nerven blank liegen, muss man sein wahres Gesicht zeigen und die Hosen runterlassen.»
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Die demografische Entwicklung in den Industrieländern zeigt merkwürdige Folgen. In Japan etwa steigt die Zahl der kriminellen Senioren. Festnahmen von über 65-Jährigen haben in den letzten Jahren um über das Dreifache zugenommen; allein im Jahr 2003 wurden über 30 000 alte Japaner inhaftiert. In Hiroshima wurde deshalb sogar ein Altersgefängnis eröffnet. Die Täter: Bisher unbescholtene, gesetzestreue Mitbürger, denen es nicht allen schlecht ging und die deshalb stehlen mussten. Grund ist vielmehr: Sie sind einsam geworden in dieser überalterten Gesellschaft, und die kleinen Delikte, die sie begehen, verschaffen ihnen den (vielleicht letzten) Kick.
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Was man so alles nicht weiss: Es gibt Parasitierte Bären, Schweizer Alpenbären, Gletscherbären, Matterhornbären, Engadiner Bären, Braune Bären (klar), Fleckleibbären. Sie sind alle harmlos, weil Nachtfalter.
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 1 7 q 2 0 0 4 837