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Titel
Medizin wie zu Jeremias Gotthelfs Zeiten
Untertitel
-
Lead
Ja, die Zuppigers im Sahlenweidli, so recht brav gemetzget haben sie sich. Und das ganze Schweizervolk hat dabei zugeschaut, wie sie gegen die Chrutfüüli angekämpft haben. Ein schön Stück Geld hat auch Besitzer Hans Schenk aus der Fernsehserie gelöst. Jetzt schlage ich vor, dass eine Fortsetzung gedreht und gezeigt wird. Doch diesmal nicht über dörfliches Bauernleben, sondern eine Staffel über die Medizin, wie sie zu Gotthelfs Zeiten war.
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Rubriken — ARSENICUM
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11892
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Medizin wie zu Jeremias Gotthelfs Zeiten

Ja, die Zuppigers im Sahlenweidli, so recht brav gemetzget haben sie sich. Und das ganze Schweizervolk hat dabei zugeschaut, wie sie gegen die Chrutfüüli angekämpft haben. Ein schön Stück Geld hat auch Besitzer Hans Schenk aus der Fernsehserie gelöst. Jetzt schlage ich vor, dass eine Fortsetzung gedreht und gezeigt wird. Doch diesmal nicht über dörfliches Bauernleben, sondern eine Staffel über die Medizin, wie sie zu Gotthelfs Zeiten war. Vielleicht wäre eine solche Fernsehstaffel bsonderbar heilsam, wenn unsere Schweizer Kranken, und auch die hochwohlgeborenen Herren Politiker aus Bern, einmal erleben täten, wie es wäre, wenn man dem Rade der Zeit den Hemmschuh unterlegen täte. Denn oft deucht es die modernen Dökter, dass es viele nit verstehen, was die neuzeitliche Medizin den Patienten allweg für schwere Bürden abgeladen hat. So mancher meint, es habe geböset, wenn es gerade gebessert hat mit unserem Wohlsein, unserer Gesundheit und unserem Gesundheitssystem, nur weil er einen Batzen mehr in die Finger nehmen muss, wenn er geheilt werden will. Dabei kann man inzwischen heilen und lindern, so ganz anders als zu Gotthelfs

Zeiten. Doch ehe man heilen kann, muss man zuerst wissen, was man heilen soll und was fehlt, und gerade das ist ja auch das Schwerste. Zu Gotthelfs Zeiten haben sich die Dökter und die Quacksalber das Wasser angeschaut, doch das war damals ein sehr unzuverlässiges Kennzeichen, das in gar vielen Fällen durchaus nichts anzeigte. Denn wenigstens ebenso wichtig als das Wasser ist das Blut, der Auswurf, der Puls, die Zunge, und jedes derselben ein Spiegel irgendeines inneren Zustandes, und im Spiegel muss man ihn erkennen. Darum braucht man den Doktor, damit er mit eigenem kundigem Auge die Zeichen alle vergleiche, sie zusammenstelle und das Urteil fälle, wo es eigentlich fehle. Erst dann, wenn dieses gründlich untersucht ist, kann verständig gedokteret werden. Denn es kommt bei allen Sachen darauf an, wie man es vornimmt. Und jetzt sollte das Fernsehen mal ein Siechenhaus aus Gotthelfs Zeiten zeigen, wie dort gehudelt und geschröpft wurde, wie brandige Beine ohne Betäubung abgeschnitten und Warzen weggebrannt wurden. Die Kranken waren blatterdüpflet und starben an Krebsschäden und Lungensucht. Die Frauen verstarben im Kindsbett, und so manches arme kleine Würmlein

sah gar nicht das Licht der Welt. Ja, es kann wirklich übel gehen, ohne Antibiotika und Antisepsis, ohne Endoskopie und Anästhesie. Zu Gotthelfs Zeiten, da waren die Menschen noch gottergeben und meinten, dass der Herr, der bis hieher geholfen habe, auch weiterhelfen würde, und sie rannten nicht gleich zum Gericht. Doch genau wie heute gingen sie auch zu Quacksalbern, und wenn es dann nicht gut kam, dann blieb der schlechte Erfolg vertüscht, und wie es ihnen hintendrein übel gegangen, rühmten sie nicht. Es gibt heute Leute, die meinen, der liebe Gott habe sie express deswegen erschaffen, dass sie anderen Leuten den Verstand machen und ihnen den Weg zeigen. Lauter selbst ernannte Experten, Medizin- und andere Ökonomen, Versicherungsfunktionäre und Fürsprecher. Wenn diese gleichen Leute aber nach vierzehn Tagen das Gegenteil von dem finden, was sie vor vierzehn Tagen gefunden, so soll es niemand merken. Und wer den Kürzeren zieht, ist oft der Patient. Drum sollten wir das Rad der Geschichte zurückdrehen und zeigen, als die Gesundheitskosten niedrig waren. Dann deucht es vielleicht so mängem Ätti, dass es doch billig sei, dass es etwas kostet und auch der Dokter etwas hätte, wenn er ihn operiert oder vom Fieber befreit.

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