Transkript
FORTBILDUNG q FORMATION CONTINUE
Häufige Fehlstellungen der Augenlider
Praktische Bedeutung, Diagnostik und therapeutische Möglichkeiten
FARHAD HAFEZI
Fehlstellungen der Lider und
die damit verbundenen Symp-
tome begegnen dem Inter-
nisten und/oder Allgemein-
mediziner tagtäglich in der
Praxis. In den meisten Fällen
handelt es sich um alters-
korrelierte Erkrankungen. Im
Folgenden werden die wich-
tigsten Fehlstellungen vorge-
stellt und die diagnostischen
und therapeutischen Möglich-
keiten erörtert.
Einleitung Prinzipiell können Lidfehlstellungen in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden: q Fehlstellungen, die eine korrekte Benet-
zung der Hornhautoberfläche verhindern und/oder die Hornhautoberfläche mechanisch reizen (horizontale Lidlaxizität, Entropium, Ektropium). q Fehlstellungen, die zu einer Einschränkung des Gesichtsfeldes führen (Ptosis). Die verschiedenen Lidfehlstellungen sind für das ungeübte Auge bisweilen nicht sofort ersichtlich. Dieser Artikel gibt eine
Übersicht über die häufigsten Lidveränderungen, die korrekte Diagnosestellung sowie Therapiemöglichkeiten.
Natürliche Konfiguration der Lider
Der anatomische Aufbau der Lider ist komplex und soll hier nur so weit umrissen werden, wie er dem besseren Verständnis der Lidveränderungen dient. Abbildung 1 zeigt die Idealstellung der Augenlider beim jungen Menschen. Das Oberlid bedeckt die oberen 2 mm der Hornhaut, wobei der Apex der Kurvatur knapp medial der Pupillenmitte liegt (Abbildung 1a). Das Unterlid (Abbildung 1b) liegt dem unteren Limbus genau an. Die Deckfalte des Oberlides (Abbildung 1c) liegt 3 bis 5 mm über den Wimpern. Typisch für den jugendlichen Ausdruck ist das «volle» Oberlid (Abbildung 1d) ohne Anzeichen einer Sulcusbildung.
Horizontale Unterlidlaxizität
Im Laufe des natürlichen Alterungsprozesses können die Unterlider eine progressive Schwäche der Bindegewebs-Strukturen im Kanthus- und Tarsusbereich aufweisen. Die Unterlider verlieren ihre horizontale
Merk-
sätze
q Lidfehlstellungen und die damit verbundenen Beschwerden können zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität führen.
q Horizontale Unterlidlaxizität, Entropium und Ektropium können zu trockenem Auge und/oder Hornhautschäden führen.
q Das Tragen von Kontaktlinsen ist ein häufiger Grund einer Ptosis bei jungen Menschen.
q Lidfehlstellungen können mit den modernen Operationsmethoden der plastischen und rekonstruktiven Lidchirurgie mit hoher Erfolgsaussicht korrigiert werden.
Spannung. Typischerweise tritt diese Veränderung im höheren Alter auf. Bei entsprechend veranlagten Menschen mit eher schwachem Bindegewebsapparat kann sie bereits früher beobachtet werden. Neben den unten aufgeführten Beschwerden kann über kurz oder lang aus der horizontalen Unterlidlaxizität ein Entropium oder Ektropium entstehen. «Scleral show»: Bei lange bestehender
Abbildung 1: Reguläre Struktur der Lider beim jungen Menschen a) Lidrand Oberlid. Apex der
Kurvatur knapp medial der Pupillenmitte. b) Lidrand Unterlid. Dem Hornhaut-Limbus anliegend. c) Deckfalte. Liegt 3–5 mm oberhalb der Zilien. d) «Pralle» Kontur im Oberlidbereich, keine Depression.
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Häufige Fehlstellungen der Augenlider
Horizontale Unterlidlaxizität Entropium Ektropium
q «scleral show» bei schweren Formen (Abbildung 2a).
Beschwerdebild q «Trockenes Auge»: Der ungenügende Lid-
schluss verhindert eine korrekte Verteilung des Tränenfilms auf der Bulbusoberfläche. Es kommt zu einer chronischen Keratoconjunktivitis sicca. Reflektorisch erhöht die Tränendrüse die Produktion des wässrigen Anteils des Tränenfilms (Tränenträufeln, Epiphora). Bei lange bestehendem Krankheitsbild werden zudem Infektionen der Hornhaut begünstigt. q In vielen Fällen entsteht über kurz oder lang ein Entropium oder Ektropium.
Behandlung Bei entsprechenden Beschwerden sollten die Unterlider chirurgisch horizontal gekürzt werden. Dies erfolgt zumeist durch einen lateralen Zugang: Haut und Musculus orbicularis werden subziliar durchtrennt. Danach wird das Unterlid am lateralen Kanthus komplett gelöst und ein 3 bis 5 mm grosser Block entfernt. Im Anschluss erfolgt die Refixierung des Unterlides am lateralen Kanthus oder Periost. Der Behandlungserfolg ist in der Regel sehr gut (> 90%).
präoperativ
postoperativ
Abbildung 2: Lid-Fehlstellungen a) «Scleral show» (Pfeil) bei horizontaler Unterlidlaxizität, kein Entropium oder
Ektropium vorliegend. b) Entropium mit Trichiasis (Pfeil) und «scleral show». c) 4 Wochen postoperativ. Reguläre Lidstellung, kein «scleral show». d) Ektropium (Pfeil) mit «scleral show». e) 2 Monate postoperativ.
Laxizität können die Unterlider nach unten absacken. Der Rand des Unterlides liegt dann nicht mehr am Limbus der Hornhaut, sondern deutlich darunter, und die Sklera wird im Zwischenraum sichtbar (Abbildung 2a, Pfeil).
Diagnostik q Laterale Traktion: Wird das Unterlid nach
lateral gezogen, so verändert das untere Tränenpünktchen im jungen Auge seine
Stellung nicht. Bei der horizontalen Unterlidlaxizität kann es um mehrere Millimeter nach aussen gezogen werden (Abbildung 4a). q «snap back»-Test: Hebt man das Unterlid nach vorne von der Bulbusoberfläche ab, so schnellt das junge Lid beim Loslassen sofort auf die Bulbusoberfläche zurück. Diese Bewegung ist bei der horizontalen Unterlidlaxizität deutlich verlangsamt (Abbildung 4b).
Spastisches/seniles Entropium
Bei einem Entropium handelt es sich um ein nach innen gedrehtes Unterlid (zusammengefasst in [3]). Es tritt zumeist bei älteren Patienten mit horizontaler Lidrandlaxizität auf. Zusätzlich zum schlaffen Unterlid liegt bei diesen Patienten ein relativ hoher Tonus des tarsalen Anteils des Musculus orbicularis vor. Dieser dreht das Unterlid gegen die Bulbusoberfläche (spastisches Entropium) (Abbildung 2b, Pfeil).
Diagnostik q Es handelt sich in der Regel um eine
Blickdiagnose (Abbildung 2b). q «Kneiftest»: Bisweilen tritt das Entro-
pium intermittierend auf. Lässt man diese Patienten das Auge mehrere Sekunden fest zukneifen, so kann im Anschluss ein Entropium beobachtet werden.
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Beschwerdebild Ähnelt dem der horizontalen Unterlidlaxizität. Zusätzlich treten folgende Beschwerden auf: q Trichiasis: Die nach innen gekehrten
Wimpern des Unterlides geraten in mechanischen Kontakt mit dem Hornhautepithel und eröffnen dieses. q Typische Symptome sind Schmerzen, rotes Auge, Epiphora sowie Photophobie. Bei älteren Menschen liegt bisweilen eine verminderte Hornhautsensibilität vor, sodass der intensive Schmerz als Frühsymptom nicht wahrgenommen wird. Dementsprechend spät suchen diese Patienten den Arzt auf. q Bei einem lange bestehenden Entropium können Hornhautinfekte und -ulzerationen auftreten, die im Extremfall zu einer Hornhautperforation (Notfall!) und den damit verbundenen Komplikationen führen können.
Behandlung Ein auch nur leicht ausgeprägtes Entropium kann nicht spontan bessern. Daher sollte früh operiert werden. Eine mechanische oder Elektro-Epilation der Wimpern bringt nur vorübergehend Linderung und beseitigt die Ursache der Beschwerden nicht. Sie sollte nur bei isolierter Trichiasis und ansonsten korrekter Lidstellung erfolgen. Die chirurgische Behandlung erfolgt in der Regel durch eine laterale horizontale Lidkürzung. Zusätzlich werden im Bereich des subziliaren Schnittes Nähte nach Jones-Bicks gelegt, die eine Auswärtsrotation des Unterlides bewirken (Abbildung 2c). Der Behandlungserfolg ist in der Regel sehr gut (> 95%).
Seniles Ektropium
Bei einem Ektropium handelt es sich um einen nach aussen gekehrten Rand des Unterlides. Analog zum zuvor beschriebenen Entropium tritt das Ektropium bei älteren Patienten mit horizontaler Lidrandlaxizität auf (seniles Ektropium) (Abbildung 2d, Pfeil). Ferner kann ein Ektropium in selteneren Fällen auch durch Hauterkrankungen, Infektionen, Vernarbungen im Unterlidbereich sowie
Aponeurogene Ptosis: senile Form
Aponeurogene Ptosis: Kontaktlinsen-induziert
präoperativ
postoperativ
Abbildung 3: Aponeurogene Ptosis a) Senile Form, beidseitig. Der Rand des Oberlides bedeckt die Pupille (Pfeil). Tiefe
Stirnfalten wegen permanenter Beanspruchung des M. frontalis (Sternchen). b) Unmittelbar nach der Operation. c) Kontaktlinsen-induzierte Ptosis. Der Oberlidrand bedeckt teilweise die Pupille
(Pfeil). Zudem erkennt man einen tiefen Sulcus unterhalb der Orbita (Sternchen). d) Zwei Monate postoperativ: reguläre Lidstellung.
nach unsachgemässer Durchführung einer kosmetischen Unterlidoperation entstehen (3).
Diagnostik Es handelt sich um eine Blickdiagnose (Abbildung 2d).
Beschwerdebild Ähnelt dem der horizontalen Unterlidlaxizität. Zusätzlich treten folgende Veränderungen auf: q Epiphora treten verstärkt auf, da das
untere Tränenpünktchen infolge der Fehlstellung des Unterlides nicht mehr der Bulbusoberfläche anliegt. Im Raum zwischen Augenoberfläche und Unterlid bildet sich ein Tränensee, der überläuft. q Die tarsale Bindehaut des Unterlides ist ständig exponiert, trocknet aus und keratinisiert.
Behandlung Die Therapie erfolgt in der Regel ebenfalls durch eine laterale horizontale Lidkürzung (siehe unter «horizontale Unterlidlaxizität»). Der Behandlungserfolg ist in der Regel gut (ca. 80–90%), jedoch bei lange bestehendem Ektropium mit bereits erfolgter Keratinisierung des Unterlides bedeutend schlechter (50–60%). Daher sollte frühzeitig operiert werden (Abbildung 2e).
Ptosis
Die Ptosis («Fall-Lid») ist kennzeichnet durch ein herabhängendes Oberlid. Physiologischerweise erfolgt die Hebung des Oberlides über den quergestreiften M. levator palpebrae sowie, zu einem geringen Teil, über den sympathisch innervierten Müller-Muskel. Ersterer hat seinen Ursprung am kleinen Keilbeinflügel, verläuft
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Horizontale Unterlidlaxizität
Lateraler Zug
«Snap back»-Test
Ptosis: Messung der Levatorfunktion
Abbildung 4: Diagnostische Tests a) Laterale Traktion: bei Zug nach lateral (Pfeil) wird die Verschiebbarkeit des unte-
ren Tränenpünktchens (Kreis) geprüft. b) «Snap back»-Test: Abziehen des Unterlides nach vorne. Beim Loslassen wird die
Geschwindigkeit des Zurückschnellens beurteilt. c) Messung der Levatorfunktion: Der Daumen des/der Untersuchers/-in verhindert
eine akzessorische Lidhebung durch den M. frontalis. Normale Levatorfunktion: 10–15 mm.
in der Orbita knapp oberhalb und nasal des M. rectus superior, um sich in die Levatoraponeurose und den Müller-Muskel zu teilen. Die Levatoraponeurose fächert sich schlussendlich auf, um am Tarsus zu inserieren. Dabei bildet sie im europäischen Augenlid die charakteristische Lidfurche, die beim offenen Auge als Deckfalte (Abbildung 1c) in Erscheinung tritt. Die Ursachen einer Ptosis im Erwachsenenalter sind mannigfaltig und reichen von Autoimmunerkrankungen (Myasthenia gravis) über Muskeldystrophien (myotone Dystrophie) bis hin zur weitaus häufigsten Form, der aponeurogenen Ptosis. Dementsprechend häufig stellt die Ptosis den Arzt vor diagnostische Probleme, was kostspielige Abklärungen zur Folge haben kann. Im Folgenden wird dargelegt, wie mittels eines
einfachen diagnostischen Mittels, der Messung der Levatorfunktion, die aponeurogene Ptosis von den manifesten Muskelerkrankungen abgegrenzt werden kann (Abbildung 4c). Jedoch sollte bedacht werden, dass Frühformen einer neurologischen oder muskulären Erkrankung auch eine nahezu normale Levatorfunktion zeigen können.
Ursachen der aponeurogenen Ptosis: kontaktlinsen- und altersbedingt Die aponeurogene Ptosis tritt meist beidseitig, selten einseitig im Erwachsenenalter auf und ist dadurch bedingt, dass der Insertionspunkt des Levatormuskels am Tarsus nach oben rutscht. Es entsteht eine typische Depression im oberen Sulcus unter dem Orbitarand (Abbildung 3c, Stern).
Typisch ist, dass das Oberlid trotz guter Levatorfunktion nicht mehr richtig angehoben werden kann. In leichten Fällen hängt/hängen das Oberlid/die Oberlider nur leicht herab. In mittelschweren bis schweren Fällen kann das Oberlid jedoch die Pupille teilweise oder ganz bedecken. Häufig setzen die Patienten den Musculus frontalis als akzessorischen Lidheber ein (vergleichbar mit der Atem-Hilfsmuskulatur), leicht erkennbar an den tiefen Stirnfalten (Abbildung 3a, Stern). Maskierte Ptosis: Bei einer beidseitigen Ptosis ist die Schwere der Veränderung häufig auf einer Seite ungleich stärker ausgeprägt. Nutzt nun der Patient den Frontalismuskel beidseitig, um die Oberlider anzuheben, dann erreicht er auf der schlechteren Seite eine gewisse Besserung der Lidhöhe; auf der Seite mit der geringeren Ptosis kann die Oberlidhöhe nun sogar normal erscheinen. Würde man in einem solchen Fall nur einseitig operieren, so würde der Patient nach der Operation die Frontalis-Innervation vermindern. Dadurch würde die vorher kaum wahrgenommene leichte Ptosis auf der Gegenseite plötzlich manifest. Häufigste Ursache einer Ptosis ist die altersbedingte Disinsertion der Levatoraponeurose (senile Ptosis). Andere Ursachen sind Trauma oder vorangegangene Augenchirurgie. Bei Letzterer kann der bei der Operation verwendete Lidsperrer die Levatoraponeurose mechanisch disinserieren (4). Stark zunehmend ist die Inzidenz der Kontaktlinsen-induzierten Ptosis. Diese Veränderung ist auch unter Augenärzten vielfach noch unbekannt. Auch hier erfolgt eine Überdehnung der Levatoraponeurose: das Oberlid gleitet bei Lidbewegungen über die Bulbusoberfläche. Liegt nun eine Kontaktlinse dem Bulbus auf, so wird die Aponeurose bei jedem Lidschlag (normale Frequenz: ca. 15/Minute) minimal nach vorne verlagert. Diese winzige Mehrbeanspruchung führt nach 10 Jahren Kontaktlinsentragen zu einer Levator-Disinsertion bei 10 Prozent aller Linsenträger mit einer Zunahme der Inzidenz von 1 Prozent für jedes weitere Jahr (1, 2). Diese Form der Ptosis hat in den letzten Jahren
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Häufige Fehlstellungen der Augenlider
massiv zugenommen: Heutzutage tragen in der Schweiz etwa 500 000 Menschen Kontaktlinsen, jeder Fünfte bereits seit mehr als 10 Jahren. Die Ptosis ist bei Trägern von formstabilen (halbharten) Kontaktlinsen ausgeprägter als bei Trägern von weichen Kontaktlinsen.
Diagnostik Erfolgt durch aufmerksame Beobachtung der Stellung des Oberlides in Bezug auf den Bulbus. Normalerweise bedeckt der Oberlidrand die oberen 2 mm der Hornhaut. Entsprechend tiefer ist der Stand des Oberlides bei einer Ptosis (Abbildungen 3a und 3c, Pfeil) (Cave: bei maskierter Ptosis!). Die aponeurogene Ptosis zeigt, im Gegensatz zu den immunologisch oder durch Muskeldystrophie bedingten Ptosisformen, immer eine gute Levatorfunktion. Diese kann auf einfache Weise gemessen werden (Abbildung 4c). Sollte die Levatorfunktion kleiner als 8 mm sein, so sollte auf jeden Fall eine zusätzliche neurologische Abklärung zum Ausschluss der bereits erwähnten neurologisch oder muskulär bedingten Ptosisformen erfolgen. Ist sie grösser als 8 mm und fehlen in der Anamnese Hinweise auf neurologische oder muskuläre Veränderungen, so kann in der Regel von einer aponeurogenen Ptosis ausgegangen werden.
Beschwerdebild Zunehmende Einschränkung des Gesichtsfeldes von oben. Bei schweren Formen, die die Pupille teilweise oder ganz bedecken, wird eine Kopf-Zwangshaltung eingenommen; der Kopf wird in den Nacken gelegt, um das Gesichtsfeld zu vergrössern. Sekundäre Schäden der Halswirbelsäule sind nicht selten die Folge einer solchen Zwangshaltung.
Behandlung: die LevatorReinsertion Die Behandlung erfolgt operativ durch eine Reinsertion des Levatormuskels am Tarsus. Die Höhe der Lidstellung nach erfolgter Reinsertion wird intraoperativ überprüft; dazu ist die aktive Lidhebung des Patienten notwendig. Aus diesem Grund sollte eine Levator-Reinsertion
wenn möglich in Lokalanästhesie erfolgen. Nach einem Haut- und Muskelschnitt wird der Levatormuskel freigelegt und am Tarsus refixiert (Abbildungen 3b und 3d). Der Behandlungserfolg bei Levator-Reinsertion ist in der Regel sehr gut (> 90%), jedoch kommt es auch bei erfahrenen Chirurgen in 10 bis 15 Prozent der Fälle nach beidseitiger Operation zwar für das einzelne Auge zu einem funktionell guten Resultat, jedoch zu einer gewissen Asymmetrie der Lidöffnung beider Augen. Diese kann, falls nötig, in einer Folgeoperation korrigiert werden («touch up»).
Differenzialdiagnose: Ptosis versus Schlupflider Bei der Oberlid-Dermatochalasis, dem Schlupflid, handelt es sich um einen Hautüberschuss im Bereich der Oberlider, der durch einen Prolaps von retroorbitalem Fett durch das Septum orbitale noch verstärkt werden kann. Obwohl es sich bei der Dermatochalasis um ein gänzlich verschiedenes Krankheitsbild handelt, wird sie häufig mit einer Ptosis verwechselt. Beiden Erkrankungen ist gemein, dass das Gesichtsfeld von oben eingeschränkt ist. Die Differenzierung erfolgt über die Stellung der Oberlidkante in Bezug auf die Hornhaut: bei der Ptosis liegt die OberlidKante deutlich zu tief, bei der Dermatochalasis liegt sie korrekt und bedeckt nur die oberen 2 mm der Hornhaut. Bisweilen ist dies wegen des zum Teil massiven Hautüberschusses bei der Dermatochalasis nur schwer zu erkennen. Hier sollte der/die Untersucher/-in den Hautüberschuss vorsichtig anheben, ohne Zug auf das Oberlid auszuüben, um die Stellung des Oberlides zu eruieren.
Schlussfolgerung
Die oben beschriebenen Lidveränderungen treten zumeist bei älteren Menschen auf. Im Alter sind die sozialen Aktivitäten eingeschränkt, die Hauptbeschäftigungen bestehen aus Lesen und Fernsehen. Gerade diese Aktivitäten werden durch die typischen Beschwerden, die bei Lidfehlstellungen auftreten, behindert: brennende und beissende Augen, vermehrte
Blendung, Tränenträufeln (Epiphora). Die
Betroffenen sind in ihrer Lebensqualität
zum Teil stark eingeschränkt, was von
ärztlicher Seite häufig unterschätzt wird:
neuere Untersuchungen nach der Time-
trade-off-Methode zeigten, dass sich Pa-
tienten mit einem schweren trockenen
Auge ähnlich eingeschränkt fühlen wie
bei einer Angina pectoris III/IV (5).
Aus diesen Gründen und um Folgeschä-
den an den Augen zu minimieren, sollten
Lidfehlstellungen dem okuloplastischen
Chirurgen möglichst früh zugewiesen
werden. Die moderne plastische und re-
konstruktive Lidchirurgie kennt eine Reihe
von Operationstechniken, mit denen ein
funktionell und kosmetisch ansprechen-
des Resultat erzielt werden kann.
q
Die Literaturliste kann beim Verlag angefordert werden.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Farhad Hafezi IROC, Institut für Refraktive und
Ophthalmo-Chirurgie Zollikerstrasse 164 8008 Zürich
E-Mail: farhad.hafezi@iroc.ch Internet: www.iroc.ch
Interessenkonflikte: keine
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