Metainformationen


Titel
Verhaltene Gratulation und unpanegyrische Laudatio
Untertitel
-
Lead
Die Wahl des FMH-Präsidenten ist erfolgt, die Würfel sind gefallen. Der Rubikon, zumindest aber der Röstigraben, wurde überschritten. Die letzten faulen Eier werden nach dem zurückgetretenen (Frage des Korrektors: Partizipadjektiv aktiv oder passiv?) HHB geworfen. Und schon ächzt JDH nicht nur unter der Arbeitslast, sondern auch unter den schweren Kränzen aus Vorschusslorbeeren, die ihm aufgebürdet werden: Opfertiere pflegt man vor dem rituellen Schlachten zu schmücken.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rubriken — ARSENICUM
Schlagworte
-
Artikel-ID
11855
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/11855
Download

Transkript


ENICUM

Verhaltene Gratulation und unpanegyrische Laudatio

Die Wahl des FMH-Präsidenten ist erfolgt, die Würfel sind gefallen. Der Rubikon, zumindest aber der Röstigraben, wurde überschritten. Die letzten faulen Eier werden nach dem zurückgetretenen (Frage des Korrektors: Partizipadjektiv aktiv oder passiv?) HHB geworfen. Und schon ächzt JDH nicht nur unter der Arbeitslast, sondern auch unter den schweren Kränzen aus Vorschusslorbeeren, die ihm aufgebürdet werden: Opfertiere pflegt man vor dem rituellen Schlachten zu schmücken. Nur einige der irre(alistische)n Erwartungen an JDH: Als Hausarzt und Ex-SGAMPräsident soll er nicht nur die Kümmernisse der niedergelassenen Praktiker kennen, sondern auch sofort aus der Welt schaffen. Als Allgemeinmediziner ist er Generalist und daher auch für alles zuständig: speziell für die Anliegen der universitären Spezialisten und ganz allgemein für die Allgemeinmedizinerwünsche. Einen richtigen Haudegen, einen knallharten Ärztegewerkschafter wünschen wir uns. «Einer für alle» soll das Credo unseres FMH-Muske(l)tiers lauten – mit dem «Alle für einen» tun wir uns hingegen schwer. Wir wollen einen, der uns im Alleingang mit eiserner Hand die Kohlen aus dem Feuer holt und sie den Kassenfunktionären aufs Haupt häuft! Aber bitte mit so elegantem, diplomatischem Auftreten, dass er bei Herrn Couchepin jederzeit offene Türen, Ohren und Portemonnaies vorfindet ... Schliesslich ist JDH

Genfer, daher von Genetik und Region her zwangsläufig sowohl Charmeur wie calvinistisch anspruchsloses integeres Arbeitstier. Der Ruf nach dem starken Mann erschallt – aber bitte ein strahlender Held mit frauenfreundlichem Softie-Kuscheleffekt, der stets alles demokratisch vernehmlässt. Wir wollen einen Gutmenschen, dem das Patientenwohl und die globale Volkswirtschaft am Herzen liegen – aber vor allem unsere Ärztehonorare und -rechte. Schaffen soll er, Dossiers speditiv zu unseren Gunsten erledigen, aber bitte sorgfältig, und dabei auch die Repräsentationspflichten nicht vernachlässigen. Als Romand soll er die Romandie vertreten, zugleich mit Bündner Biss, Walliser Wucht und Tessiner Taktik operieren, doch dies alles natürlich auf gutdeutschschweizerische Art! Sollte er all diese unvereinbaren Forderungen nicht erfüllen, erwarten wir, dass seine Frau, von Beruf Pfarrerin, höheren Beistand erbeten kann. Ich gratuliere JDH trotzdem zu seiner Wahl. Ich wünsche ihm, dass die grossen Vorräte an Kraft, Stärke, Wissen, Gelassenheit und Humor, die er mitbringt, noch weiter zunehmen. So richtig gratuliert hat ihm eigentlich niemand. Nun – selbst die gnadenlosesten Nörgler wissen, wie schwer das Amt des FMH-Präsidenten ist. Meine tief empfundene Anteilnahme spreche ich JDH (noch) nicht aus, denn er hat sich selbst um das Amt beworben. Uns ÄrztInnen und ihm wünsche ich, dass er sich

zu der eierlegenden Wollmilchsau entwickelt, die die FMH und seine heterogenen Mitglieder brauchen. Und danke JDH, dass er die Herausforderung dieses Amts anpackt. Amtsvorgänger HHB verdient ein «Grand Merci». Einen Dank dafür, dass er sein Bestes gegeben hat: In einer bewegten Zeit und mit nicht immer einfachen Menschen, Freunden wie Gegnern gleichermassen. Dass er das Gesundheitswesen als Ganzes und nicht nur die Partikularinteressen der Ärzteschaft im Auge hatte, dass er ehrlich geglaubt hat, trotz grösster Konflikte Win-Win-Situationen schaffen zu können, sollte man anerkennen, statt ihm anzulasten. Seine Sicht mag falsch gewesen sein, aber er hat dafür teuer gezahlt, als er zwischen das Feuer der Kontrahenten geriet und nicht den einfacheren Weg des Ärztegewerkschafters nahm. Er ist aber nicht der «Verräter», als den man ihn verunglimpft. Erinnern wir uns dankbar an seine Erfolge, an seine Verdienste, an das, was er für die Ärzteschaft und das Gemeinwohl erstritten hat. An den hochgebildeten Mann, der stets bereit ist, seinen Wissens- und Erfahrungsschatz mit anderen zu teilen. Dass er unter dem enormen externen Druck und den internen Attacken dünnhäutiger wurde, vermehrt verbal zurückschlug und Trost dort suchte, wo es virile Männer tun, sollten wir ihm augenzwinkernd nachsehen. Er ist ein Mann: mit Stil und Persönlichkeit.

750 A R S M E D I C I 1 5 q 2 0 0 4