Transkript
Rheumatoide Arthritis:
Mit Statinen zwei Fliegen auf einen Schlag treffen?
Die chronische Entzündung bedroht bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) nicht nur Struktur und Funktion der Gelenke. Die Betroffenen erleiden auch eine signifikant erhöhte kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Statine bewirken bei Patienten ohne chronische Entzündungskrankheit eine klinisch bedeutsame vaskuläre Risikoreduktion. Diese wird nicht nur der Lipidsenkung zugeschrieben, sondern einem weiteren Spektrum antientzündlicher und vermutlich auch immunmodulatorischer Eigenschaften der Statine. Eine Arbeitsgruppe aus Glasgow postulierte, dass Statine Entzündungsfaktoren bei RA reduzieren und gleichzeitig Surrogatparameter für das vaskuläre Risiko modifizieren könnten. Eine entsprechende Studie bei 116 RA-Patienten ist soeben im «Lancet»
veröffentlicht worden. Die Autoren setzten ein möglichst praxisnahes Studiendesign ein, das heisst, die Patienten erhielten weiterhin ihre vorbestehende Therapie mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten, also konventionellen DMARD oder den neueren Biologika (TNF-alpha-Blocker). Zusätzlich wurden sie entweder zu 40 mg Atorvastatin (Sortis®) oder Plazebo randomisiert und doppelblind während 6 Monaten beobachtet. Am Studienende zeigte sich in der Atorvastatin-Gruppe ein bescheidener, aber klinisch fassbarer Vorteil beim Entzündungsaktivitäts-Score (DAS28) und in der Rate des Ansprechens nach EULAR-Kritierien. Daneben nahmen C-reaktives Protein und BSR (-50% resp. -28%) statistisch signifikant ab. Neben der zu erwartenden Lipid-
senkung nahmen auch weitere vaskuläre
Risikomarker wie Fibrinogen und Inter-
leukin-6 ab, und die Verträglichkeit unter-
schied sich nicht von Plazebo.
Die Studie bestätigt somit in einem ersten
Schritt, dass Statine bei RA einen besonde-
ren therapeutischen Nutzen bieten könn-
ten – gewissermassen zwei Fliegen auf
einen Schlag treffen könnten. Noch ist aber
über die immunmodulierenden Eigen-
schaften der Statine recht wenig bekannt,
insbesondere bleibt zu klären, ob eine
Langzeittherapie nicht in unerwarteter
Weise mit den mannigfachen Medikamen-
ten interferiert, die RA-Patienten anwen-
den müssen. (Quelle: Lancet 2004; 363:
2015–2021.)
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H.B.
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Epidemiologische Studien zeigen:
Lungenkrebsrisiko steigt mit zunehmender Radonkonzentration in Wohnungen
Das Lungenkrebsrisiko steigt mit zunehmender Radonkonzentration in Wohnungen. Das hat die Auswertung von zwei epidemiologischen Studien ergeben, die das GSF-Gesundheitszentrum für Umwelt und Gesundheit im Auftrag des deutschen Bundesamts für Strahlenschutz vornahm. Insgesamt gingen 2963 Lungenkrebsfälle und eine Bevölkerungsstichprobe von 4232 nicht an Lungenkrebs erkrankten Kontrollpersonen in die Analyse ein. In über 9000 Wohnungen, die von den Probanden entweder zum Zeitpunkt der Studie oder früher bewohnt worden waren, wurde die Höhe der Radonkonzentration gemessen. Die mittlere Radonkonzentration liegt im Studiengebiet West bei 50 Bq/m3. Im Studiengebiet Ost, das Gebiete mit bekanntermassen höheren Radonkonzentrationen in den Bundesländern
Thüringen und Sachsen umfasst, beträgt die mittlere Radonkonzentration 75 Bq/m3. In der Risikoanalyse wurde die Radonkonzentration in den letzten 5 bis 35 Jahren untersucht und dabei unter anderem das lebenslange Rauchverhalten, der bei weitem bedeutsamste Risikofaktor für Lungenkrebs, berücksichtigt. Für die höchste Radonkategorie (140–3000 Bq/m3) ergibt sich ein im Vergleich zur Referenzkategorie (50–80 Bq/m3) um 40 Prozent erhöhtes Lungenkrebsrisiko, was statistisch signifikant war. Das Lungenkrebsrisiko steigt vor allem für das kleinzellige Lungenkarzinom, das eine besonders ungünstige Prognose hat. Radon erhöht das Krebsrisiko bei Rauchern wie bei Nichtrauchern. In der Schweiz schätzt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Zahl der Radon-bedingten Lungenkrebstodesfälle auf 200 pro Jahr.
Radon ist ein natürliches radioaktives
Edelgas, das im Erdboden beim Zerfall von
Uran entsteht und durch undichte Stellen
in Fundament und Keller in Wohnhäuser
eindringen kann. Es stellt die Hauptquelle
der natürlichen Radioaktivität dar, der die
Allgemeinbevölkerung ausgesetzt ist. Aus
Studien an Bergarbeitern, die unter Tage
sehr hohen Radonkonzentrationen aus-
gesetzt sein können, ist bekannt, dass
Radon die Entstehung von Lungenkrebs
begünstigt.
Eine präzisere quantitative Abschätzung
des Lungenkrebsrisikos ist von den ge-
meinsamen Auswertungen der nordameri-
kanischen und europäischen Radonstudien
zu erwarten, die vermutlich noch in diesem
Jahr vorliegen werden.
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U.B.
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Neu ist nicht immer besser. Aber manchmal schon. Zumal dann, wenns nur noch besser werden kann. Deshalb: der neue Präsident der FMH ist – so viel Vorschusskredit muss sein – eine gute Wahl. Ob für die gesamte FMH, einzelne Teile davon, ihre Partner, die Basis, uns – das wird sich zeigen. Als Allgemeinarzt sollte Jacques de Haller (früher übrigens, zu Zeiten, als uns die SGAM und ihr Präsident, ebendieser JdH, noch näher standen, häufiger Gast in der ARS MEDICI) die Anliegen unserer Leserinnen und Leser jedenfalls bestens kennen. Wenn auch überwiegend aus romanischer Sicht. Was im Hinblick auf die «germanische» Selbstdispensation ein Handicap sein könnte. Nicht: sein muss. Schliesslich ist der Präsident der FMH der Präsident aller Ärztinnen und Ärzte und hat unser aller Interessen zu verteidigen. Die ersten Statements von JdH scheinen das zu versprechen: eine klare Haltung bezüglich Zulassungsstopp, Kontrahierungszwang. Warum nicht auch bezüglich SD? Wenn JdH diese Linie beibehält und seine Aktivitäten auf die Standespolitik konzentriert und nicht – wie sein Vorgänger – auf ein Allerlei von nichtärztlichen Betätigungs- und Profilierungsfeldern vorwiegend wirtschaftlicher Natur ausrichtet, dann verdient er unsere Unterstützung. On verra.
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Frau Dr. Ellen Ringier, zumindest im Sonn-Talk von Tele-Züri immer mal wieder um eine gesellschaftskritische Haltung bemüht, hat ihre offenbar verlorenen Lebensgeister wieder gefunden, kaum dass sie im Grand Hotel Quellenhof in Bad Ragaz für einen Reha-Auf-
enthalt angekommen ist. Den Erfolg verdankt sie der liebevollen Betreuung durch das Team des medizinischen Zentrums. Sie wäre ja so gerne noch geblieben. Aber leider nimmt auch die «Reha mit Genussfaktor» mal ein Ende. So die Werbung in der NZZ am Sonntag. Ringier wie Ringier (das Pressehaus mit Samuel Stutz) setzen offenbar konsequent auf die Medizin als Konsumartikel. Schön, dass die FMH das endlich erkannt hat. (Das heisst, erkannt habens einige aus dem ZV wohl – oder hoffentlich – schon lange, bloss sich nicht gegen das Lobbying ihres Präsidenten durchsetzen können.)
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Berlusconi zum Lifting im Tessin. Umberto Bossi zur Reha in Brissago. Und jetzt auch noch dies: Sogar ein Mafiaboss soll sich Ende der Neunzigerjahre beim Kollegen SP-Nationalrat Franco Cavalli Hilfe geholt haben. Ob ein mit Interpol-Haftbefehl gesuchter, ist nicht bekannt. Wie so vieles nicht, im Tessin.
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Urs P. Gasche, ehemals KassensturzModerator und Möchtegern-Illich, weiss natürlich, wos im Schweizer Gesundheitswesen hapert. Und wie man mit Worten manipuliert. Beispiel: In der Schweiz werden die Spitäler nach Aufenthaltstagen entschädigt, in den USA hingegen erhalten die Spitäler Fallpauschalen. Das erklärt, so Gasche, weshalb Herzinfarkt- oder Blinddarmpatienten in den USA (verglichen mit der Schweiz) nur halb so lang im Spital bleiben «müssen». Warum nicht: «dürfen»? Richtig! Des Weltbilds wegen.
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Immer noch Gasche: «Die vielen Genfer Ärzte geben pro Kopf der Bevölkerung auch für doppelt so viel Geld Medikamente ab wie etwa ihre Kollegen im Kanton Zug.» Vielleicht weil sie die Medikamente eben grad nicht abgeben, sondern verschreiben (müssen)? Schon, aber anders passts eben besser ins Weltbild.
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Apropos Wortwahl (die sich selbst qualifiziert): Die Kampfparole der Apotheker-Führung, medizinisch-martialisch (oder schlicht verzweifelt?): «Das Geschwür der Selbstdispensation muss landesweit ausgemerzt werden.»
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Und schliesslich das noch: Zugerinnen und Zuger fühlen sich gesünder als andere Schweizer. Sie treiben mehr Sport und leiden weniger unter körperlichen Beschwerden. Eine Studie versucht, dieses zugerische Wohlbefinden auf den hohen Ausbildungs-, ja sogar Bildungsstand der Zuger zurückzuführen. Dabei liegt eine andere Interpretation doch so nahe: Weniger Steuern – gesündere Bürger.
Richard Altorfer
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