Transkript
REFERAT q EXPOSÉ
Asbestexposition und Krebs
ERNST MORITSCH
Lungenasbestose, Lungenkrebs
und Pleuramesotheliom sind
anerkannte Folgen von län-
gerer, oft 20 bis 40 Jahre
währender Asbestexposition.
Zunehmend ist auch ein
Asbest-induziertes Larynxkar-
zinom evident und schliesslich
auch als Asbest-verursacht
eingestuft worden. Dies er-
fordert aber auch zusätzliche
laryngologische Kontrollen.
Das erhöhte Risiko infolge Asbestkontakt an einer Lungenasbestose, einem Bronchuskarzinom oder einem Pleuramesotheliom zu erkranken, hat zu entsprechenden regelmässigen sozialmedizinischen Kontrolluntersuchungen geführt. Der Überwachungszeitraum orientiert sich an der oft 20 bis 40 Jahre betragenden Latenzzeit bis zum Manifestwerden einer der genannten Erkrankungen. Die in Deutschland vorgesehene berufsgenossenschaftliche Vorsorgeuntersuchung sieht dabei Abstände von drei bis fünf Jahren vor. Allerdings traten Zweifel auf, ob dieses System ausreichend ist; eine 1989 publizierte Analyse von 70 000 Untersuchten ergab, dass
die Zahl der als Berufskrankheit anerkannten Fälle der genannten Erkrankungen höher lag als die durch die Vorsorgeuntersuchung erfassten. Dies führte in den Jahren 1992 bis 1996 dazu dass man eine zusätzliche computertomografische Thoraxbefundung zur besseren Früherkennung vorsah. Darüber hinaus wurde in einer Erlanger Studie eine jährliche HNO-Untersuchung im Hinblick auf ein erhöhtes Larynxkarzinomrisiko vorgenommen. Dabei fand man bei den Probanden in 40 Prozent mindestens einmal eine akute oder subakute und bei 14 Prozent eine chronische Laryngitis. 4 Patienten hatten bereits Stimmbandleukoplakien, und bei 1 von 100 wurde ein Stimmlippenkarzinom diagnostiziert und laserchirurgisch entfernt. Ferner fielen bei weiteren 5 Untersuchten Leukoplakien der Mundschleimhaut auf. Diese Ergebnisse hatten zur Folge, dass auch das Larynxkarzinom in die Liste der Asbest-bedingten Erkrankungen aufgenommen wurde. Die Ergänzung des Vorsorgeprogramms durch eine HNO-ärztliche Untersuchung, insbesondere eine Lupenlaryngoskopie erschien somit richtig. Bedauerlicherweise ist eine solche Massnahme bisher nicht in der Liste enthalten, obwohl diese Untersuchung durch den Facharzt ohne grossen Kostenaufwand und ohne besondere Belastung für den Patienten möglich ist. Die Kombination von Rauchen und Asbestexposition steigert die Krebsgefährdung. Bei stärkeren Rauchern und Trinkern mit gleichzeitigem Asbestkontakt erhöht sich die Häufigkeit einer Karzinomentwicklung in den oberen Atem- und Verdauungswegen um das 8,7fache gegenüber nicht-Asbestexponierten Personen. Eine regelmässige HNO-Befundung sollte daher unbedingt in das Betreuungschema von Asbestarbeitern einbezogen werden.
Kommentar des Referenten
Alle noch so gut gemeinten Vorsorge-
untersuchungen sind letztlich nur dann ef-
fektiv, wenn der in Betracht kommende
Personenkreis auch zu diesen Untersuchun-
gen hingeht. Nun ist leider bekannt, dass
Patienten mit Karzinomen im Mund- und
Rachenbereich zumeist reichlich den Ziga-
retten und dem Alkohol zusprechen und
ihrem oropharyngealen Bereich wenig Be-
achtung schenken, gewöhnlich auch keine
wesentliche Mund- und Zahnpflege betrei-
ben. Diese Karzinome werden daher häu-
fig in fortgeschrittenen Stadien mit erheb-
lich geringeren Heilungsraten angetroffen.
Die Heiserkeit, Ausdruck einer chronischen
Laryngitis, ändert sich zunächst auch kaum,
wenn sich darin ein Stimmbandkrebs ent-
wickelt. Auch hier werden dann oft thera-
peutisch günstige Frühformen versäumt.
In das Vorsorgeprogramm Asbest-belasteter
Personen sollte daher die Larynxuntersu-
chung nicht als «Fleissaufgabe» einzelner
Untersucher, sondern als regulärer Be-
standteil desselben aufgenommen werden.
Asbest ist wegen der bekannt geworde-
nen Schädigungen verfemt und aus dem
Bauwesen verbannt worden; Kontakte
mit Altlasten bei Gebäudesanierungen
sind jedoch weiterhin als Quelle von Schä-
digungen möglich.
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1. Prof. Dr. H. Maier, HNO-Abteilung Bundeswehr-Krankenhaus Ulm: Krebsfrüherkennung bei asbeststaubexponierten Personen. HNO 2002; 50: 976–977. 2. Dr. med. W.M. Winter et al., Univ.HNO-Klinik Erlangen-Nürnberg: Befunde in einem Hochrisikokollektiv nach Asbestexposition. HNO 2002; 50: 989–969.
Ernst Moritsch
Interessenkonflikte: keine deklariert
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