Transkript
Gastrointestinale Toxizität und Kosten:
Teure Coxibe anstelle von konventionellen NSAR wären sehr viel billiger …
Medien q q q Moden q q q Medizin
Dass nicht selektive nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eine hohe gastrointestinale Toxizität haben, ist bekannt, ebenso, dass NSAR trotzdem häufig verschrieben und eingenommen werden. Eine kürzlich in «Digestion» publizierte gesundheitsökonomische Studie hat versucht, die direkten und indirekten Kosten dieser Toxizität für die Schweiz zu berechnen und prädiktive Faktoren für den dadurch verursachten Verbauch von Ressourcen im Gesundheitswesen und den Produktivitätsverlust zu fassen. Fabiola Delcò (Abteilung für Gastroenterologie, Kantonsspital Basel) und Koautoren stützten sich für die Methodik zunächst auf die Gesundheitsumfrage des schweizerischen Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2000. Eine durch Zufall generierte Gruppe von 6118 Personen zwischen 15 und 75 Jahren wurde telefonisch zu Schmerzen, NSAR-Gebrauch, gastrointestinalen Symptomen und durch sie ausgelöste Abklärungen und Behandlungen sowie Arbeitsausfall befragt. Die in dieser repräsentativen Stichprobe erfassten Zahlen wurden dann auf die Gesamtbevölkerung der Schweiz hochgerechnet. Unter den in der Arbeit detailliert dargestellten Annahmen zu den einzelnen Kostenpunkten ergab sich ein eindrückliches Bild der beträchtlichen finanziellen Belastung durch die gastrointestinale Toxizität der NSAR (Kasten). Umgerechnet entspricht dies 611 Franken pro Jahr für Verbraucher von konventionellen NSAR und 72 Franken pro Jahr für Verbraucher COX2-selektiver NSAR, wobei ein grosser Anteil auf den angenommenen Produktivitätsverlust entfällt. Vielleicht etwas plastischer ist die Berechnung der Studie, dass unter Benützern von «teuren» Coxiben zusätzliche 13 Prozent der Medikamentenkosten für gastrointestinale Nebenwirkungen ausgegeben werden, während es für Benützer «billiger» konventioneller NSAR zuästzliche 315 Prozent sind Die Autoren kommen daher zum Schluss, dass die Kosten der gastrointestinalen
Direkte Kosten (in Franken):
Arztbesuche
6,65 Mio.
Endoskopien
7,55 Mio.
Spitalaufenthalte
147,83 Mio.
Gastroprotektiva
56,25 Mio.
Total direkte Kosten
219,28 Mio.
Indirekte Kosten:
Produktivitätsverlust
213,95 Mio.
Gesamtkosten der gastrointestinalen
Toxizität der NSAR in der Schweiz
219,28 Mio. 213,95 Mio. 432,23 Mio. pro Jahr
davon durch konventionelle NSAR verursacht davon durch COX-2-selektive NSAR verursacht
380,99 Mio. (88,1%) 51,24 Mio. (11,9%)
Toxizität zum grössten Teil durch konventionelle NSAR entstehen und durch den Einsatz von COX-2-spezifischen NSAR (Coxiben) gesenkt werden könnten. Letztere Aussage stützt sich auf eine KostenEffektivitäts-Berechnung, die ergibt, dass Coxibe – unter der Annahme gleicher Wirksamkeit und eines vergleichbaren Preises – rund 25-mal kosteneffektiver sind als konventionelle NSAR. An einem Mediengespräch der Firma Merck Sharp & Dohme-Chibret AG, die die Studie finanziell unterstützt hat, gab einer der Koautoren, der Gastroenterologe Professor Christoph Beglinger aus Basel, einige Erläuterungen. Er unterstrich zunächst, dass es sich um eine retrospektive Befragung handelt, bei der ein so genannter Recall-Bias nie auszuschliessen ist. Dass sich Benutzer konventioneller und COX-2-spezifischer NSAR unterschiedlich erinnert haben könnten, sei jedoch sehr unwahrscheinlich. Angesichts der erstaunlich hohen Kosten versicherte er, dass man mit sehr konservativen Berechnungen operiert habe und damit sicher am unteren Rand der Realität liege. Neuerdings sind die Preise bei Gastroprotektiva etwas gefallen, was die Kosten verringern würde, andererseits wurden die Daten der befragten Altersgruppe bis 75 Jahre auch auf Ältere hochgerechnet, deren Risiko für gastrointestinale NSARNebenwirkungen jedoch deutlich höher
ist, was die Berechnungen eher zu tief ausfallen lässt. Da Coxibe in der Schweiz rund anderthalb Mal teurer sind als konventionelle NSAR, könne man hierzulande davon ausgehen, so Beglinger, dass Coxibe immerhin 15mal kosteneffektiver sind als konventionelle NSAR. Auf entsprechende Fragen mochte er aus dieser Studie keine direkten Konsequenzen oder gar Empfehlungen für die Praxis im ärztlichen Alltag ableiten, er wies aber darauf hin, dass die Kosten der gastrointestinalen NSAR-Toxizität aus gesellschaftlicher Sicht – und diese wolle die Studie mit ihrer ökonomischen Momentaufnahme einnehmen – beträchtlich sind und ganz überwiegend auf das Konto der preisgünstigeren konventionellen Wirkstoffe gehen. Daraus lasse sich freilich – jenseits der grundsätzlich gebotenen Sorgfalt bei der Verschreibung von NSAR (Anamnese, Risikofaktoren, Auswahl des konventionellen NSAR-Wirkstoffs, Begleit- und Selbstmedikationen wie Azetylsalizylsäure etc.) – ein Einsparpotenzial ableiten.
Fabiola Delcò, Pierre Michetti, Christoph
Beglinger, Michael Fried, Thomas Szucs:
Health care resource utilization and costs
of NSAID-induced gastrointestinal toxicity.
Digestion 2004; 69: 10–19.
q
H.B.
524 A R S M E D I C I 1 1 q 2 0 0 4