Transkript
Medien q q q Moden q q q Medizin
Rosenbergstrasse 115
Man erinnert sich noch an die iranischen siamesischen Zwillinge, die in Singapur hätten operiert werden sollen. Sie starben im Laufe der vielstündigen Operation, wo doch die ganze Welt ein Happy End erwartet hatte: zwei erschöpfte, aber glückliche, endlich selbstständige junge Frauen und eine strahlende Klinik mit stolzen Ärzten, die wieder einmal bewiesen haben, was sie und die Technik vermögen. Auch jene, die den Medienrummel um die beiden Iranerinnen eher degoutant fanden, waren am Ende etwas traurig, dass es nicht geklappt hatte. Man hätte es allen gegönnt, inklusive den daran beteiligten Schweizer Chirurgen. Aber eben: Nicht alles ist machbar. Und das war dann doch eine irgendwie beruhigende Erfahrung.
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Und nun die Geschichte mit der Herztransplantation und den inkompatiblen Blutgruppen am Universitätsspital Zürich. Zweifaches Staunen: zum einen darüber, dass und wie Derartiges passieren kann, zum andern über die insgesamt gelassene Reaktion der Menschen, auch der TVKonsumenten, die während Wochen aus dem Fauteuil im Wohnzimmer die Hoffnungen und Ängste der Patientin miterlebt oder eben konsumiert hatten. Bedauernde, aber fatalistische Kommentare herrschten vor: «Shit happens» oder «Wo gearbeitet wird, passieren Fehler». Ist das nun ein gutes Zeichen angesichts des Machbarkeitsglaubens allenthalben? Schon, oder?
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Obschon: Welche Kollegin, welcher Kollege hat nicht überlegt und überlegt, wie es zu einer derartigen «Verwechslung» kommen konnte. Was hat denn da wer mit was verwechselt? Das Herz konnte man ja kaum verwechseln. Der Entscheid, ein 0-er-Herz für eine 0-er-Patientin nach Zürich zu schicken, fiel ja wohl in der
Transplantationszentrale beziehungsweise im Spital des Spenders. Und dort ist der Fehler angeblich nicht passiert. Dumme Frage: Wurde etwa die Patientin verwechselt? War das Herz gar nicht für sie vorgesehen? Schon richtig: Es hilft nicht, zu spekulieren. Aber hilfts, nicht zu spekulieren?
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Nun kann man sich zwar mit gutem Recht darüber empören, dass die amerikanische TV-Station CBS die inzwischen etliche Jahre alten Helgen der mit ihrem Mercedes in einer Pariser Unterführung verunfallten Lady Di öffentlich gezeigt hat, wo sich doch bisher alle Medienleute – erstaunlicherweise – an eine Art Agreement gehalten hatten, die Bilder nicht zu zeigen. Wenn dann aber Minuten später die bewegten Bilder von toten Irakern, von weinenden und verzweifelten Eltern mit den leblosen Körpern ihrer Kinder über die Bildschirme flimmern (Leute, die man vermutlich nicht gefragt hat, ob sie einverstanden sind, ihr unendliches Leiden in die Stuben der Europäer, Briten und Amerikaner zu tragen), dann hilft einmal mehr nur noch Zynismus.
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Ebenso wie angesichts der schon immer bekannten, nun aber – endlich – offenkundig gewordenen Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und erbärmlicher Wirklichkeit. Die Bilder aus den Foltergefängnissen des Irak? Not american. Die Bilder aus Guantánamo? Die, die wir sehen, offenbar durchaus. Und jene, die wir nicht zu Gesicht bekommen? Was schlimmer ist als rohe Gewalt? Die Gewalt von Heuchlern.
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Bei Fussballspielern geht die Pubertät direkt in die Midlife-Crisis über. Meint ein Kenner der Szene, angesprochen auf die
Seitensprung-Geschichten von Kahn, Beckham und Co.
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Versucht ein anderer die Eskapaden der (männlichen) Stars menschlich zu erklären: Auch Superfrauen (wie Beckhams Spice Girl etwa) haben Migräne, morgens Mundgeruch und Pickel an Stellen, an denen keine sein sollten.
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Auf SAT 1 als Vorankündigung gehört und gelesen: «Streicheltempel im Plattenbau». Ein Beitrag über Massagesalons in alten Häusern Ost-Berlins.
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Last, not least: Das Wichtigste ausgelassen: den Kapitän, der das Schiff namens EMH (so der Zeichnung von ANNA in der SAeZ zu entnehmen – warum nur?) verlässt. Immerhin – zumindest zeichnerisch – nicht das sinkende, sondern ein sicher vertäutes. Die paar ärztlichen Matrosen oder wohl eher Offiziere (der Rest der Führungscrew?) schauen dem bärtigen Käpten (gekleidet eher wie ein Binnenschiffer auf dem Weg zu seinem Freizeitvergnügen, dem Angeln) teils unbeteiligt, teils missbilligend, teils traurig und teils erfreut hinterher. Grad wie im richtigen Leben.
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Ja, ja, die Offiziere an der Reling: Es mag ja an ANNA liegen, jedenfalls: Als ob sie das Format zum Kapitän hätten, sehen sie alle nicht aus …
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 1 0 q 2 0 0 4 469