Transkript
Niederländische Kohortenstudie:
Marketing in Laienmedien fördert Verschreibungen durch den Hausarzt
Die Autoren ahnen schon Schlimmstes: Würden gleichzeitig mehrere Firmen Werbekampagnen in den Laienmedien starten, um den Umsatz von Präparaten gegen kosmetische Leiden, die mit frei verkäuflichen Mitteln nicht zu behandeln sind, anzukurbeln, wären Allgemeinpraktikerinnen und -praktiker schnell so überlastet, dass ihnen die Zeit für ernsthaftere Probleme ihrer Patienten fehlte. Ihre Befürchtungen stützen sie auf eine Erhebung im Rahmen der niederländischen Forschungsdatenbank für Allgemeinpraxis. Diese umfasst über 470 000 Patienten mit einem Follow-up von 1,5 Milionen Patientenjahren. Sie verglichen die Erstkonsultationen wegen Onychomykose und die Verschreibungen für zwei Antimykotika während der Jahre 1996 bis 1999 und 2000 bis 2002. Die Versuchsanordnung hatte ihnen die Firma Novartis, Hersteller von Terbinafin (Lamisil®), geliefert, die im Mai 2000 in den Niederlanden eine landesweite «Informationskampagne» gestartet hatte, zu der auch Fernsehspots gehörten, die den Leuten den Rat gaben, bei Veränderungen
der Nägel ihren Allgemein-
praktiker aufzusuchen. Die
Niederländische Allgemein-
praktiker-Gesellschaft wehrte
sich gegen die Kampagne,
da sie ein unwichtiges Gesundheitsproblem betreffe. Im Mai 2002 entschied jedoch ein Gericht, dass die Novartis-Kampagne nicht gegen das Verbot der Wer-
Erstkonsultationen wegen Onychomykose
Terbinafin-Verschreibungen
ItraconazolVerschreibungen
Werbekampagne Onychomykose in Laienmedien
bung für rezeptpflichtige Me-
dikamente verstosse, da Terbinafin nicht dung). Da Terbinafin in den niederländi-
spezifisch genannt werde. Die Firma stoppte schen Allgemeinmediziner-Richtlinien zur
die Kampagne im Juli 2002.
Therapie der Oychomykose direkt emp-
Ihren Zweck hatte die Marketingoffensive fohlen wird, war der Effekt der Marketing-
bis dahin erreicht: Die Zahl der Terbinafin- bemühung auch ohne Nennung des Prä-
Verschreibungen verdoppelte sich nach parats vorhersehbar. Dass sich auch andere
Kampagnenbeginn gegenüber dem Vor- Firmen dieses Vorgehens bedienen, ist
monat (von 7,7 auf 15,2 Verschreibungen Ihnen sicher nicht entgangen. Entspre-
pro 1000 Personenjahre), und die Rezepte chende Studien erübrigen sich, die Kurven
für das Konkurrenzpräparat Itraconzol dürften ähnlich verlaufen.
(Sporanox®) gingen zurück. Parallel dazu (Quelle: British Medical Journal 2004;
nahm die Zahl der Erstkonsultationen we- 328: 931)
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gen Onychomykose in den untersuchten
150 Allgemeinpraxen deutlich zu (Abbil-
H.B.
Medien q q q Moden q q q Medizin
Unabhängige Zertifikate für Hausärzte in Deutschland
Gütesiegel für Arztpraxen
Mehr Qualitätsbewusstsein, Transparenz und Sicherheit für deutsche Hausarztpraxen und Versicherte will der unabhängige Verein «Stiftung Praxistest» mit einer Zertifizierung ermöglichen. Die von der Bertelsmann-Stiftung und dem Verein TO-PAS – einer Vereinigung europäischer Wissenschaftler für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen – gegründete interessenneutrale Institution hat kürzlich den ersten 30 Arztpraxen die drei Jahre gültigen Zertifizierungsurkunden überreicht. Das Gütesiegel gibt Hausärzten die Möglichkeit, die gute Organisation ihrer Praxen nach aussen zu dokumentieren. Für
die Patienten soll das Zertifikat die Transparenz im Gesundheitssystem erhöhen. Stiftung Praxistest versteht sich als eine weder den Ärzteverbänden noch den Kassen verpflichtete Instanz. Ihr Gütesiegel bestätigt, dass die jeweiligen Praxen ein akkreditiertes Qualitätsmanagementsystem anwenden und dem vom Verein definierten Qualitätsstandard genügen. Untersucht und extern bewertet werden die fünf Bereiche Sicherheit, Infrastruktur, Patienten und Mitarbeiter, Informationen und Finanzen. Konkrete Beispiele sind etwa die Verfügbarkeit von Patienteninformationen, die Prä-
ventionsaktivitäten, die Aus- und Weiter-
bildung der Mitarbeiter, Erreichbarkeit und
Wartezeiten, der Schutz der Intimsphäre,
die Verfügbarkeit respektive Lagerung
von Notfallmedikamenten oder das Be-
schwerde- und Fehlermanagement. Die
Praxen werden aus mehreren Perspektiven
begutachtet: Ein Selbstassessment des Arz-
tes wird ergänzt durch Befragungen von
Patienten und Mitarbeitern. Kernstück des
Prozesses ist der Besuch eines unabhängi-
gen und speziell ausgebildeten «Visitors»
in der Praxis.
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U.B.
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