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Allergische Rhinitis
Grundzüge der Therapie
A M E R I C A N A C A D E M Y O F FA M I LY PHYSICIANS
Die Therapie der allergischen
Rhinitis basiert im Wesent-
lichen auf drei Pfeilern: Mini-
mieren oder Ausschalten der
Allergenexposition, Bekämp-
fung der allergischen Symp-
tome durch Medikamente
und Veränderung der Immun-
reaktion durch Hyposensi-
bilisierung. Im Folgenden
stehen ausgewählte Aspekte
der Pharmakotherapie im
Vordergrund, auf der Basis
einer Monografie von
Susanna E. Guzman.
Zur Symptomlinderung der allergischen Rhinitis stehen zwei Substanzklassen im Vordergrund: Antihistaminika und intranasale Kortikosteroide (kurz: Steroide). In den USA, aber auch in vielen anderen Ländern, besteht kein Konsens darüber, welche der beiden Pharmaka bevorzugt eingesetzt werden sollten. Die Erfahrung zeigt aber, dass Ärzte, denen es vor allem
auf die Symptomlinderung ankommt, tendenziell eher Anhistaminika favorisieren. Ärzte, die daneben ein stärkeres Augenmerk auf den Entzündungsvorgang richten, neigen eher dazu, Steroide zu verordnen. Sicher ist, dass die Entzündungsvorgänge bei der allergischen Rhinitis von Bedeutung sind, schon weil die Inflammation das Eindringen von Irritanzien, Allergenen sowie Bakterien und Viren erleichtert. Intranasale Steroide werden deshalb aus gutem Grund eingesetzt, um die Entzündungskaskade zu unterbrechen. Während also der Nutzen von dieser Seite her unzweifelhaft ist, sind einige Ärzte und Patienten in Sorge über eine mögliche systemische Aufnahme von Steroiden, auch wenn es sich lediglich um sehr geringe Mengen handelt. Da viele Rhinitspatienten jedoch zugleich an Asthma leiden und ihnen schon Steroide zur Inhalation verordnet werden, ist man bei Heranwachsenden daher zuweilen etwas zurückhaltender. Die Symptombekämpfung ist grundsätzlich wichtig, weil bei Allergikern, die sich ständig die Nase putzen und ihre Augen reiben, Viren die Tür geöffnet und ihnen erleichterten Zutritt gewährt wird. Möglicherweise werde manchmal eine Kombination aus Antihistaminika und intranasalen Steroiden der Symptomkontrolle und der Prävention von Komplikationen am besten gerecht, gibt die Autorin zu bedenken.
Antihistaminika
sind sehr alte Medikamente. Sie wurden bereits in den 1940er-Jahren eingesetzt. Die Substanzen der ersten Generation, wie etwa Diphenhydramin (z.B. Bedorma®) oder Clemastine (Tavegyl®), haben den
Merk-
sätze
q Massnahmen zur Allergenvermeidung sind wo immer möglich anzustreben.
q Antihistaminika und intranasale Kortikosteroide sind die pharmakologischen Mittel der ersten Wahl.
q Dekongestiva sind nur mit Vorsicht und grosser Zurückhaltung einzusetzen.
Vorteil, sehr kostengünstig zu sein, besonders als Generika. Sie wirken aber sedierend und verleiten zu Müdigkeit und Schwindel und spielen deshalb heute eine untergeordnete Rolle, ohne jedoch ganz bedeutungslos geworden zu sein. So können die sedierenden Eigenschaften bei einzelnen Patienten durchaus genutzt werden, wenn die Medikamente zur Nacht verabreicht werden. Nach Erfahrungen der Autorin hilft manchen die halbe empfohlene Dosis, mit dem Effekt, dass die genannten Nebeneffekte kaum auftreten. Allerdings räumt sie ein, dass es für ein solches Vorgehen keine Bestätigung aus kontrollierten Studien gebe. In der Regel werden heute Antihistaminika der zweiten Generation vorgezogen, weil sie nur sehr geringfügig sedieren und deshalb den (Arbeits-)Alltag nicht oder kaum beeinträchtigen. Gelegentlich vorkommende Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen sowie trockener Mund und trockene Nase. Zu der Gruppe der Antihistaminika der zweiten Generation gehören Cetirizin
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Allergische Rhinitis
(Zyrtec®), Fexofenadin (Telfast®), Loratidin (Claritine®) und Azelastin als Nasenspray (Allergodil®). Allen gemein ist, dass sie weniger häufig appliziert werden müssen als die Vorgängersubstanzen und deutlich geringere ZNS- und anticholinerge Wirkungen zeitigen. Allerdings seien die Kosten höher, schreibt die Autorin. Neuere Studien haben angeblich gezeigt, dass Fexofenadin möglicherweise etwas wirksamer in der Bekämpfung der nasalen Kongestion ist und noch weniger sediert als die anderen beiden Substanzen. Allerdings, schränkt die Autorin ein, sei die Wirksamkeit insgesamt nicht ganz exakt zu beurteilen. Wichtiger scheint, dass die Patienten unterschiedlich auf verschiedene Substanzen reagieren können. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, das ein Patient mehrere Substanzen ausprobiert, um das individuell beste Antihistaminikum zu finden.
Intranasale Steroide
verhindern die allergische Akut- und Spätphase-Reaktion. Dabei reduzieren sie nasale Kongestion, Schnupfen, Jucken und Rhinorrhö. Nasal verabreichte Steroide (z.B. Beclomethason [Beconasol®]; Budesonid [Cortinasal®]; Mometason [Nasonex®]; Fluticason [Flutinase®]) sind im Allgemeinen sichere Medikamente, aber auch nicht frei von Nebenwirkungen. Irritationen in der Nase und Epistataxis kommen bei etwa 5 bis 10 Prozent der Behandelten vor. Die Therapie muss dann abgebrochen werden, weil sich die Symptome mit fortdauernder Behandlung nicht bessern. Nasenperforation ist in sehr seltenen Fällen beschrieben. Um dies zu verhindern, sollen die Patienten darin eingewiesen werden, den Spray nicht gegen die Nasenwand zu richten. Eine Doppelblindstudie mit Beclomethason zeigte bei Kindern mit perennialer allergischer Rhinitis eine geringfügige, aber statistisch signifikante Wachstumsverzögerung. Mit Mometason und Fluticason konnten entsprechende Effekte nicht nachgewiesen werden. Deshalb bevorzugt die Autorin diese beiden Substanzen. Andere systemische Effekte dürften, wenn überhaupt, höchstens in
Kombination mit inhalativen Steroiden auftreten. Die Autorin weist darauf hin, dass man Steroid-Ängste, unabhängig von der persönlichen Einschätzung des Arztes, ernst nehmen sollte und in die Therapieentscheidung einbeziehen. Im Folgenden sollen noch Besonderheiten bei bestimmten Patientengruppen erwähnt werden.
Kinder unter sechs Jahre
Von einer Pollenallergie sind Kinder unter zwei Jahren kaum betroffen. Zumeist müssen sie zwei Saisons den Pollen ausgesetzt sein, ehe eine Sensibilisierung stattfindet. Allerdings sind Allergien gegen ständig anwesende Allergene, wie etwa Hausstaub, auch bei unter Zweijährigen möglich. Therapeutisch geht es wie immer zunächst um die möglichst weit gehende Ausschaltung der Allergenexposition. Medikamentös kommt intranasales Cromoglycin (Tilade®) in Betracht, da es sich als recht sicheres Medikament mit wenigen Nebenwirkungen erwiesen hat. Die Substanz hemmt die Mastzelldegranulation, wenngleich der genaue Wirkmechanismus bis heute unbekannt ist. Klar dürfte sein, dass die Wirksamkeit geringer ausfällt als die von Steroiden. Zudem muss Cromoglycin viermal täglich verabreicht werden. Dekongestiva sollten, wenn überhaupt, nur unter strengen Vorsichtsmassnahmen appliziert werden, da die therapeutische Breite gering ist. Bei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren kommen schon mehr Substanzen in Frage. Verschiedene Antihistaminika der ersten und zweiten Generation sind ab zwei Jahre zugelassen. Viele intranasale Steroide sind ab sechs Jahren zugelassen, Fluticason schon ab vier Jahren.
Ältere Patienten
Bei älteren Menschen spielt die allergische Rhinitis eine recht geringe Rolle. Andererseits nehmen betagte Patienten öfter Medikamente ein, die eine Rhinitis auslösen können, wie etwa Betablocker, ACE-Hemmer oder Methyldopa. Auch NSAR können Symptome hervorrufen, die der aller-
gischen Rhinitis zum Verwechsen ähneln. Wenn tatsächlich eine allergische Rhinitis vorliegt, kommen Antihistaminika der zweiten Generation und intranasale Steroidie zum Einsatz. Dekongestiva sind bei alten Menschen zu vermeiden, weil sie den Blutdruck und auch den intraokularen Druck erhöhen können. Sie können auch eine bestehende Harnobstruktion verschlechtern. Zudem sind Interaktionen mit Betablockern, Insulin, Metyhldopa oder Indomethacin zu befürchten. Absolut kontraindiziert sind Dekongestiva bei gleichzeitiger Einname von MAO-Hemmern und bei Patienten mit Anfallsleiden.
Schwangere und stillende Frauen
Die Symptome einer allergischen Rhinitis verschlechtern sich oftmals während der Schwangerschaft, wahrscheinlich als Folge der steigenden Östrogenspiegel. Schwangere haben im Allgemeinen eine erhöhte Empfindlichkeit gegen irritative Umwelteinflüsse wie Zigarettenrauch oder bestimmte Düfte, welche die Rhinitis verschlimmern können. Im zweiten und dritten Trimenon ist die vasomotorische Rhinitis häufig. Intranasale Steroide und die meisten Antihistaminika können bei Frauen in der Schwangerschaft eingesetzt werden, in der Stillzeit am besten Steroide und Cromoglycin. Bei Frauen mit schwerem Asthma kann sich die Erkrankung verschlimmern, weshalb eine antiallergische Therapie von besonderer Bedeutung ist.
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Susanna E. Guzman: Diagnosis and management of allergic rhinitis. An American Family Physician Monography, 2004.
Uwe Beise
Interessenkonflikte: keine
Hinweis: Der Stellenwert der Immuntherapie wurde in ARS MEDICI 8/04, Seite 360ff. diskutiert.
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