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Probleme beim Mann
Erektile Dysfunktion und Testosteronmangel
POSTGRADUATE MEDICINE
Die erektile Dysfunktion (ED)
teilt einige Risikofaktoren mit
Diabetes und Gefässerkran-
kungen und kann auch ein
erster Hinweis auf diese sein.
Wenn ein Testosteronmangel
Symptome macht, sollte er
ebenso behandelt werden
wie die ED anderer Ursachen.
Erektile Dysfunktion und Gefässerkrankungen Mit der Erweiterung der pharmakotherapeutischen Möglichkeiten bei der erektilen Dysfunktion (ED) ist das Thema in den letzten Jahren auch einem breiteren Publikum nahe gebracht worden. Dennoch zögern viele Männer, das Problem vor ihrem Arzt zur Sprache zu bringen. Die erektile Dysfunktion ist nicht nur ein eigenständiges medizinisches Problem, das Patienten und Partnerinnen belasten kann, sondern sie kann auch Zeichen einer zugrunde liegenden Erkrankung sein. Auf diesen Aspekt weist Luciano Kolodny in seiner Übersicht in «Postgraduate Medicine» besonders hin (1).
Risikofaktoren Im Zusammenhang mit sexuellen Funktionsstörungen wird immer wieder auf die
Massachusetts Male Ageing Study von 1994 hingewiesen, die bei 1290 Männern zwischen 40 und 70 Jahren in 52 Prozent ein gewisses Ausmass an sexueller Dysfunktion und in 10 Prozent ein völliges Fehlen der Erektionsfähigkeit fand. Eine Anschlussstudie untersuchte die ED-Inzidenz bei den Teilnehmern nach einem Follow-up von 8,8 Jahren mittels Fragebögen und kam zu einer ED-Gesamtinzidenzrate von 26 Fällen pro 1000 Männerjahre. Diese Häufigkeitsrate nahm mit dem Alter und weiteren Faktoren wie geringem Bildungsniveau, Diabetes, Herzerkrankungen und Hypertonie zu. Die ED kann nach den in Tabelle 1 dargestellten ursächlichen Kategorien (psychogen, neurogen, vaskulär etc.) klassifiziert werden. Bis zu 80 Prozent der ED-Fälle haben nach heutiger Auffassung einen organischen Ursprung, vaskuläre Erkrankungen sind dabei als häufigste Ursache anzusehen, und unter diesen steht die Atherosklerose an erster Stelle. Im Rahmen der Atherosklerose kommt es zu Endothelläsionen, zellulärer Migration und Proliferation von glatten Muskelzellen in der Gefässwand. Viele Faktoren beeinflussen diese Veränderungen, etwa Zytokine, Thrombose, Wachtumsfaktoren, Antioxidanzien und metabolische Störungen, wie sie bei Diabetes auftreten. Man nimmt weiter an, dass das Altern des Endothels die Spiegel von Stickoxid (NO) beeinflusst, das über eine Erschlaffung der glatten Muskelzellen in den Schwellkörpern die Erektion vermittelt, obwohl hierfür weit gehend nur tierexperimentelle Daten vorliegen. Zigarettenrauchen ist wegen seiner Auswirkungen auf das Gefässendothel ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer vaskulogenen ED. Nach dem Rauchen ansteigende Nikotinblutspiegel kön-
Merk-
sätze
q Die erektile Dysfunktion ist oft ein Hinweis auf eine bisher nicht erkannte andere Störung (Atherosklerose, Hypertonie, Diabetes).
q Für die klinische Diagnose eines Testosteronmangels sind entsprechende Symptome einerseits und konsistent subnormale morgendliche Testosteronwerte zu fordern.
nen zu einem erhöhten sympathischen Tonus mit Kontraktion der glatten Muskelzellen im Corpus cavernosum führen, ausserdem verringert Rauchen die NOSynthaseaktivität im Penis. In der erwähnten Prävalenzstudie war die ED bei Männern mit Diabetes mellitus dreimal häufiger und in der Inzidenzstudie erlitten Diabetiker zweimal häufiger ein ED (50 vs. 26 Fälle/1000 Männerjahre). Als Pathomechanismen denkt man bei Zuckerkranken an eine Beschleunigung der Atherosklerose, Veränderungen im erektilen Gewebe sowie neuropathische Störungen. Diabetische Veränderungen können die Degeneration von glatten Muskelzellen, eine Dysfunktion der Endothelzellen und abnorme Kollagenablagerungen umfassen. Studien an isoliertem Corpus-cavernosum-Gewebe diabetischer Männer konnte eine funktionelle Beeinträchtigung der neurogenen und der endothelabhängigen Relaxation der glatten Muskelzellen belegen.
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Zu lebhaften Diskussion Anlass gab die Frage, ob die gut dokumentierte grössere ED-Häufigkeit bei Hypertonikern Folge des Grundleidens oder der dagegen eingesetzten Antihypertensiva sei. Eine von Burchardt und Mitarbeitern im Jahr 2000 publizierte Studie zeigte, dass eine schwere ED bei Hypertonikern häufiger ist als in der Allgemeinbevölkerung, dass aber weder Häufigkeit noch Schwere der ED zwischen den verschiedenen Antihypertensivaklassen signifikant unterschiedlich waren und auch nicht von der Anzahl gleichzeitig eingenommener Antihypertensiva abhingen. Diese Ergebnisse sprechen laut Kolodny für die Vorstellung, dass sowohl Hypertonie wie auch Antihypertensiva den Beginn einer ED begünstigen. Ein weiterer ätiologischer Faktor bei ED ist die Hyperlipidämie. Bei Männern mit Hypercholesterinämie ist eine Beeinträchtigung der endothelabhängigen Relaxation in verschiedenen Gefässbetten dokumentiert. Diese Beeinträchtigung ist unter Lipidsenkern reversibel; allerdings sind aber auch Statine und Fibrate mit einer ED assoziiert. Wie unlängst nachgewiesen werden konnte, sind die Fibrinogenspiegel bei Rauchern und Nichtrauchern mit der ED positiv korreliert, nicht jedoch die Lipoprotein-(a)-Werte.
ED als «Sentinel-Manifestation» Die erektile Dysfunktion ist oft ein Hinweis auf eine vaskuläre Störung. Kolodny zitiert in diesem Zusammenhang eine Studie an 980 Männern, die wegen ED Rat suchten: q 18 Prozent hatten eine nichtdiagnos-
tizierte Hypertonie q 16 Prozent litten an Diabetes q 5 Prozent zeigten eine ischämische
Herzerkrankung q 4 Prozent trugen ein Prostatakarzinom q 1 Prozent litt an einer Depression. Bindeglied zwischen ED und kardiovaskulären Erkrankungen ist das Gefässendothel mit seiner herausragenden Rolle für die Regulation der Zirkulation. Wichtigste Verbindung zwischen Endothel und ED ist die Bildung von NO: Ist sie beeinträchtigt, kann sich eine Störung der Erektionsfähigkeit entwickeln. Eine Dysfunktion der Endo-
Tabelle 1: Klassifikation und häufige Ursachen der erektilen Dysfunktion
Kategorie Psychogen
Neurogen
Hormonell
Vaskulogen (arteriell od. kavernös) Substanzbedingt
Andere
häufige Störungen Leistungsangst, Beziehungsprobleme psycholog. Stress, Depression Hirnschlag, Alzheimer, Rückenmarkverletzung, radikale Beckenchirurgie, diabet. Neuropathie, Beckenverletzung Hypogonadismus, Hyperprolaktinämie
Atherosklerose, Hypertonie, Diabetes, Trauma, M. Peyronie
Antihypertensiva, Antidepressiva, Antiandrogene Alkoholmissbrauch Zigarettenrauchen hohes Alter, Diabetes, chron. Nierenversagen, koronare Herzkrankheit
Ursachen Libido ↓, übermässige Hemmung oder NO-Freisetzung ↓ Versagen der Auslösung des Nervenimpulses oder unterbrochene neurale Übermittlung Libido ↓ und inadäquate NO-Freisetzung inadäquater arterieller Blutfluss oder beeinträchtigte Venenokklusion zentrale Suppression Libido ↓ alkoholische Neuropathie vaskuläre Insuffizienz meist multifaktoriell mit neuraler und vaskulärer Dysfunktion
Tabelle 2: Management der erektilen Dysfunktion entsprechend dem kardiovaskulären Risiko
Risiko niedrig mittel
hoch
derzeitiger kardiovaskulärer Zustand Management-Empfehlung
kontrollierte Hypertonie;
in der Grundversorgung
asymptomatisch, aber ≤ 3 KRF;
angehen: Behandlungsoptionen
leichtes Herzvitium;
mit Patient (und wenn möglich
minimale bis stabile Angina pectoris; mit Partner) besprechen
Herzinsuffizienz NYHA I
Myokardinfarkt oder kardiovaskuläres spezielle Abklärung empfohlen
Ereignis innert der letzten 6 Wochen; (z.B. Belastungstest b. Angina,
linksventrikuläre Dysfunktion oder Echokardiogramm b. Herz-
Herzinsuffizienz Klasse II;
geräusch)
Herzgeräusch unbekannter Ursache;
mässig schwere stabile Angina pectoris;
Herztransplantation; rekurrierende
transient ischämische Attacken;
asymptomatisch, aber > 3 KRF
schwere, unstabile oder therapie-
Überweisung zur kardialen
refraktäre Angina pectoris;
Evaluation und Behandlung;
unkontrollierte Hypertonie (BD syst. die Behandlung der erektilen
> 180 mmHg); Herzinsuffizienz Klasse Dysfunktion ist bis zur Abklärung
III oder IV; Myokardinfarkt oder
des kardialen Zustands und der
kardiovaskuläres Ereignis innert der Einschätzung des Kardiologen
letzten 14 Tage; Hochrisiko-Arrhyth- aufzuschieben
mien; hypertrophe Kardiomyopathie
mässige bis schwere Klappenerkrankung
KRF: Koronare Risikofaktoren
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Tabelle 3:
Einige Effekte, die mit einem Testosteron-
mangel in Verbindung gebracht wurden
q Knochenverlust, erhöhtes Frakturrisiko
q Einbusse an Skelettmuskulatur und Kraft
q erhöhte Fettmasse
q verringerte Libido
q verringerte erektile Funktion
q Infertilität
q erhöhte Insulinresistenz und Diabetesrisiko
q verringertes Wohlbefinden
q Müdigkeit
q verminderte Ausdauer
q Depression
q verminderte Kognition
thelzellen geht der Bildung atherosklerotischer Plaques voraus und ist bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes häufig. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass die erektile Dysfunktion mit Gefässerkrankungen gleich mehrere beeinflussbare Risikofaktoren teilt: Zigarettenrauchen, Hypertonie und Hyperlipidämie. Sie scheint auch ein unabhängiger Marker für die koronare Herzerkrankung zu sein. Für die Allgemeinpraxis ergibt sich daraus die Forderung, routinemässig nach erektiler Dysfunktion zu fragen, schreibt Kolodny, zumal sich mit den heute dagegen verfügbaren Medikamenten auch meistens eine befriedigende Abhilfe anbieten lässt. Liegt eine ED vor, ist auch immer daran zu denken, dass es sich dabei um einen wichtigen Hinweis auf ein bisher nicht erkanntes kardiovaskuläres Leiden oder eine Zuckerkrankheit handeln kann. Tabelle 2 gibt Hinweise, wie das weitere Vorgehen bei Patienten mit erektiler Dysfunktion und kardiovaskulären Risikofaktoren aussehen kann.
Testosteronmangel
Auch bei gesunden Männern nimmt die Testosteronsekretion nach 30 Jahren langsam ab. Dies hat an sich keinen Krankheitswert. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, bei Männern mit Symptomen eines Androgenmangels einen einer allfälligen Testosterontherapie zugänglichen Hypogonadismus nachzuweisen. Der Endokrinologe John H. MacIndoe gibt dazu in derselben Ausgabe von «Postgraduate Medicine» einige Hinweise (2).
Diagnose und Abklärung Die häufigsten Symptome eines Testosteronmangels bei erwachsenen Männern sind vage und unspezfisch: Libidoverlust, sexuelle Dysfunktion, reduzierte Vitalität, depressive Verstimmung (Tabelle 3). Fragen nach solchen Symptomen gehören also zur Anamnese. Es besteht auch die Möglichkeit, einen einfachen Fragebogen einzusetzen (der Kasten gibt ein Beispiel). Auch ausführlichere Befragungsinstrumente (z.B. der ADAM-Fragebogen) haben für die Aufdeckung eines Hypogonadismus zwar eine recht hohe Sensitivität (88%), aber nur eine bescheidene Spezifität (60%), da eine bedeutende Überlappung mit eugonadalen Männern mit Depression besteht. Die Laborbestätigung des Hypogonadismus erfordert den Nachweis subnormaler Spiegel von zirkulierendem Testosteron. Der nächste Schritt ist dann die Unterscheidung zwischen primärem Hypogonadismus (Störung im Hoden) oder sekundären Ursachen (Hypothalamus-Hypophyse). Da die Testosteronsekretion bei jungen und mittelalterlichen Männern jeweils am Morgen höher ist, soll die Bestimmung des Gesamttestosterons bei zwei Gelegenheiten am Morgen erfolgen. Werte unterhalb der Normgrenze (gewöhnlich 200 ng/dl [6,9 nmol/l]) gelten als Bestätigung; es gibt aber auch Männer mit einem klaren Hypogonadismus, bei denen die Spiegel im unteren Normbereich liegen. Das Gesamttetosteron umfasst drei zirkulierende Formen des Hormons, die sich in einem Gleichgewicht befinden. Etwa 40
Prozent sind fest an Sexhormon-bindendes Globulin gebunden, völlig ungebundenes (freies) Testosteron macht etwa 2 Prozent aus, der Rest ist lose an Albumin gebunden und vermutlich für die biologische Wirkung ebenso verfügbar wie das freie Testosteron. Die Notwendigkeit für weiterführende Laborbestimmungen kann sich ergeben, wenn eine abnormale Produktion des Sexhormon-bindenden Globulins vorliegt. Häufigste Situationen sind Östrogenüberschuss, krankhafte Fettsucht und normales Altern. Die erhöhten Mengen von Sexhormon-bindendem Globulin absorbieren vermehrt freies und lose gebundenes Testosteron, womit dessen Bioverfügbarkeit sinkt. Dies führt zu einem Anstieg des luteinisierenden Hormons (LH) und – bei normaler Gonadenfunktion – zu einer konsekutiven Steigerung der Testosteronproduktion. Bei inadäquater Hodenfunktion bleibt der Gesamttestosteronspiegel jedoch weit gehend unverändert, das Hormon liegt aber zu einem geringeren Prozentsatz in bioverfügbarer Form vor. Die meisten Fälle von Hypogo-
Beispiel eines Fragebogens zum Androgenmangel bei alternden Männern
1. Haben Sie weniger Lust auf Sex?
2. Verspüren Sie einen Mangel an Energie?
3. Haben Sie weniger Kraft und Ausdauer?
4. Ist Ihre Körperhöhe geringer geworden?
5. Haben Sie an sich eine Abnahme der Lebensfreude bemerkt?
6. Sind Sie traurig oder mürrisch?
7. Sind Ihre Erektionen weniger stark?
8. Hält Ihre Erektion während des Verkehrs weniger lang an?
9. Fallen Sie nach dem Abendessen plötzlich in Schlaf?
10. Ist Ihre Arbeitsleistung in letzter Zeit schlechter geworden?
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nadismus bei Männern gehen auf eine inadäquate LH-Produktion zurück. Selbst symptomatische Patienten können dann normale Gesamttestosteron- und LH-Spiegel haben, zumal sich eine abgeschwächte LH-Antwort im messbaren LH-Spiegel nicht zuverlässig niederschlägt. Für die klinische Diagnose eines Testosteronmangels sind entsprechende Symptome einerseits und konsistent subnormale morgendliche Testosteronwerte (Gesamttestosteron < 100 ng/dl [69 nmol/l] oder freies Testosteron unterhalb des Normwerts des Labors) zu fordern. Da die Andropause allein kaum zu einem Gesamttestosteron < 150 ng/dl führt, empfiehlt sich bei so tiefen Werten eine weiterführende Untersuchung mittels SchädelMRI, um Hypophysen- oder Hypothalamusläsionen zu suchen. Therapie Zurzeit gibt es nur wenig Hinweise, dass ein Testosteronmangel die Mortalität direkt beeinflusst, Indikation für eine Androgenbehandlung bei ausgewählten Männer ist somit die potenziell gravierende Beeinträchtigung der Lebensqualität. Perorale 17-alpha-alkylierte Androgene sind dabei wegen des ungünstigen Effekts auf LDLund HDL-Cholesterinspiegel sowie auf die Leberfunktion zu vermeiden. In Frage kommen intramuskulär injizierte lang wirkende Testosteronester (Testoviron® Depot) sowie transdermale Testosteronpflaster (Androderm®). Bei Testosteronester-Injektionen ist die Dosis so anzupassen, dass der Gesamttestosteronspiegel unmittelbar vor der nächsten Injektion bis in den tiefnormalen oder mittleren Bereich abfällt. Ein Nachteil dieser Verabreichungsform können starke zyklische Spiegelveränderungen mit sehr hohen Spitzen sein, die bei gewissen Männern mit abrupten Gemütsveränderungen einhergehen können. Auch sollen die supraphysiologischen Hormonspitzen nach jeder Injektion eher zu Testosteronnebenwirkungen führen. Testosteronpflaster sind täglich zu applizieren. Der Wechsel spätabends kann bis zu einem gewissen Grad die physiologischerweise am Morgen höhere Konzentration imitieren. Häufigste Nebenwirkung sind Hautirritationen, die bei Männern über 50 Jahre häufiger zu sein scheinen. Auf einem Testosteronmangel beruhende sexuelle Dysfunktionen können verschwinden, wenn der Testosteronspiegel die untere Hälfte des Normbereichs erreicht, positive Effekte auf Muskeln und Knochen können aber höhere Konzentrationen nötig machen. John H. MacIndoe empfiehlt daher monatliche Kontrollen des Testosteronspiegels und eine Dosistitration auf Werte über 500 ng/dl (17,4 nmol/l). Er beginnt die Behandlung wenn immer möglich mit Testosteroninjektionen und wechselt auf die transdermale Applikation, wenn eine symptomatische Besserung eingetreten ist. Absolute Kontraindikationen für eine Testosteronersatztherapie sind Status nach Brust- oder Prostatakrebs sowie ein Hämatokrit > 55 Prozent. Relative Kontraindikationen sind Hämatokrit > 52 Prozent, schweres Schlafapnoesyndrom, schwere kongestive Herzinsuffizienz oder obstruktive Symptome bei benigner Prostatahyperplasie (BPH). Die Auswirkungen der intramuskulären oder transdermalen Substitution auf die Lipidspiegel waren relativ geringfügig und zwischen den Studien inkonsistent, eindeutig sind mit beiden Applikationsformen hingegen Fälle von verstärkter Erythropoese bis hin zur Polyzythämie. Ältere Männer und Raucher scheint eher zu dieser Nebenwirkung zu neigen, und dies besonders unter Testosteroninjektionen. Gelegentlich kann es auch zu auch Flüssigkeitsretention und Blutdruckanstieg kommen. Ob eine langfristige Testosteronsubstitution vermehrt zur Entwicklung einer BPH oder eines Prostatakarzinoms führen kann, ist zurzeit noch nicht schlüssig zu beantworten, da entsprechende Studien bisher noch zu kurze Laufzeiten hatten. Daher, so John H. MacIndoe, sollten bei jeder Substitutionstherapie der Ausgangswert des prostataspezifischen Antigens (PSA)
bestimmt und die Prostata digital unter-
sucht werden. Beide Untersuchungen, zu-
sammen mit Blutdruckmessung und Hä-
matokritbestimmung sind nach drei und
sechs Monaten und später jährlich zu wie-
derholen. Zeigt sich bei einem der Parame-
ter ein abnormer Anstieg, ist die Testos-
teronsubstitution abzusetzen und die
Rückkehr zur Norm zu dokumentieren.
Libidoverlust und sexuelle Dysfunktion
sollten sich innert einiger Wochen bes-
sern, Klagen über Kraft- und Energiever-
lust können Monate brauchen. Stellt sich
innert dreier Monate keine Besserung der
die Lebensqualität beeinträchtigenden Sym-
ptome ein, ist der Versuch mit der Tes-
tosteronsubstitution abzubrechen, mahnt
John H. MacIndoe.
Zum Schluss räumt der Endokrinologe ein,
dass auch seine Ausführungen zur Durch-
führung einer Testosteronsubstitution in
der Praxis die grundlegende Frage nach
den relativen Vor- und Nachteilen beim in-
dividuellen Patienten nicht beantworten
können. Hierzu herrsche ein echter Mei-
nungskrieg, den die Aufmerksamkeit der
Medien nur noch geschürt hat. Die eine
Seite behauptet, dass die Vorteile der
Testosteronsubstitution vor allem bei älte-
ren Männern unbewiesen und daher das
– ebenso unbewiesene – potenzielle
Prostatakarzinomrisiko nicht wert seien.
Die andere Seite ist der Meinung, dass der
Nutzen bei symptomatischen Patienten
die Risiken wettmacht. Ein sauberer Aus-
weg sei da nur die möglichst eingehende,
umfassende Information des Patienten,
bei dem dann der letzte Entscheid zur
Therapie bleibe.
q
1. Luciano Kolodny: Erectile dysfunction and vascular disease. Postgraduate Medicine 2003; 114: 30–40. 2. John H. MacIndoe: The challenges of testosterone deficiency. Postgraduate Medicine 2003; 114: 51–62.
Halid Bas
Die Autoren der Originalpublikation deklarieren, keine Interessenkonflikte zu haben.
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