Transkript
«PROVE IT»: Statin-Studie nach akuten Koronarsyndromen
Intensive Lipidsenkung ist eindeutig überlegen
Dass eine lipidsenkende Therapie mit Statinen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senkt, konnte bisher vielfach nachgewiesen werden. Unklar ist das optimale Ausmass der Lipidsenkung. Hierfür wollte die Studie «Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy – Thrombolysis in Myocardial Infarction 22» (PROVE IT – TIMI 22) eine Antwort finden. Aufgenommen wurden 4162 Patienten, die innert der vorangegangenen zehn Tage wegen eines akuten Koronarsyndroms hospitalisiert worden waren. Sie erhielten entweder eine «Standardtherapie» mit täglich 40 mg Pravastatin (Mevalotin®, Selipran®) oder eine intensive Behandlung mit 80 mg/die Atorvastatin (Sortis®). Der primäre Studienendpunkt war zusammengesetzt aus Tod aller Ursachen, Myokardinfarkt, dokumentierter instabiler Angina
pectoris mit Rehospitalisation, Revaskularisationseingriff mindestens 30 Tage nach Randomisierung sowie Hirnschlag. Die Studie war darauf ausgelegt, die Nichtunterlegenheit von Pravastatin gegenüber Atorvastatin hinsichtlich der Zeit bis zu einem Endpunktereignis nachzuweisen. Das Follow-up betrug 18 bis 36 Monate (im Mittel 24 Monate). Der mediane LDL-Cholesterinspiegel unter Pravastatin in «Standarddosierung» betrug 95 mg/dl (2,46 mmol/l) und 62 mg (1,60 mmol/l) unter hochdosiertem Atorvastatin (p < 0,001). Die Ereignisraten nach zwei Jahren lagen bei 26,3 Prozent in der Pravastatin- und bei 22,4 Prozent in der Atorvastatingruppe (16-prozentige Reduktion der Hazard-Ratio für Atorvastatin [p = 0,005]). Die Studie erreichte das vordefinierte Kriterium für Äquivalenz nicht, sondern er- gab die Überlegenheit des intensiveren Behandlungsarms (allerdings bei deutlich mehr Nebenwirkungen). Die Autoren dieser angelsächsischen Multizenterstudie kommen zu folgendem Schluss: «Bei Patienten, die kürzlich ein akutes Koronarsyndrom durchgemacht haben, bietet die intensive lipidsenkende Statintherapie einen grösseren Schutz vor Tod oder schweren kardiovaskulären Ereignissen als eine Standardbehandlung. Die Resultate zeigen, dass solche Patienten von einer frühen und fortgesetzten Senkung der LDL-Cholesterinspiegel unterhalb die zurzeit gültigen Zielwerte profitieren.» q (Quelle: New Engl J Med 2004; 350. Publikation am 8. April 2004, vorab online am 8. März 2004.) H.B. Medien q q q Moden q q q Medizin MMR-Impfung und Autismus: Autoren ziehen Lancet-Studie zurück 1998 publizierten A. J. Wakefield und 12 Mitautorinnen und -autoren in «The Lancet» eine Studie über 12 Kinder zwischen 3 und 10 Jahren, die einer pädiatrischen gastroenterologischen Abteilung zur Abklärung überwiesen worden waren. Alle hatten sich zunächst normal entwickelt, doch dann stellte sich ein Verlust erworbener Fähigkeiten inklusive des Sprechens, begleitet von abdominellen Symptomen wie Diarrhö, Schmerz und Blähungen, ein. Die Kinder wurden ausführlich abgeklärt. Nach Schilderung der Eltern war die Veränderung bei 8 der 12 Kinder in zeitlichem Zusammenhang mit einer MasernMumps-Röteln-Impfung aufgetreten, bei je einem weiteren nach natürlicher Maserninfektion oder Otitis media. Die Untersucher konnten bei allen Kindern Darmveränderungen (fleckige chronische Dickdarmentzündung, lymphoide noduläre Hyperplasie im Ileum, aphthoide Ulzerationen) nachweisen. Fokale neurologische Abnormitäten fehlten, MRI und EEG waren normal. Die Autoren stellten ein neues Syndrom aus gastrointestinaler Erkrankung und kindlicher Entwicklungsregression zur Diskussion. Der Artikel goss Öl ins lodernde Feuer des Glaubenkriegs um die Zweckmässigkeit und Sicherheit der MMR-Impfung und beeinflusste auch rechtliche Auseinandersetzungen. Er wurde – in der verkürzten Botschaft «MMR macht Autismus» – immer wieder zitiert und zog etliche epidemiologische Untersuchungen nach sich, die für diesen Zusammenhang keinen Anhalt fanden. Diesen Februar erreichten happige Anschuldigungen die Lancet-Redaktion: Die eingreifenden Abklärungen seien seinerzeit ohne Ethik-Zustimmung erfolgt; die Kinder seien absichtlich bei impfkritischen Eltern rekrutiert worden; sie hätten teil- weise auch zu einer anderen Studie gehört, um rechtliche Schritte medizinisch zu untermauern; ausserdem seien mögliche Interessenkonflikte eines Autors verschwie- gen worden. Abklärungen der Lancet- Redaktoren entkräfteten das meiste, sie räumten aber ein, dass etwas verkürzt berichtet wurde, und beklagten die man- gelhafte Deklaration möglicher Interessen- konflikte. Am 6. März zogen alle Autoren bis auf zwei denjenigen Teil ihrer Publika- tion zurück, der als Darstellung einer kau- salen Beziehung zwischen MMR-Impfung und Autismus verstanden wurde. Eine sol- che gebe es nicht. q (Quelle [spannende, umfangreiche Lektüre!]: Lancet 2004; 363: 747–749, 750 und 820–824.) H.B. 236 A R S M E D I C I 6 q 2 0 0 4