Transkript
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Rosenbergstrasse 115
Ihre Sprache verrät das anhaltende Unverständnis für die Anliegen der Initiantinnen der erfolgreichen Verwahrungsinitiative. Psychiater und Sozialarbeiter in «Schweiz aktuell» beklagen die Hoffnungslosigkeit, die mit der Verurteilung zu lebenslanger Verwahrung ohne Aussicht auf Entlassung verbunden ist. Wer mit einem solchen Schicksal konfrontiert sei, sei akut «fluchtgefährdet». Haben wir das richtig verstanden? Wieder einmal, einmal mehr, sind es die Täter, die gefährdet sind. Und ihre Betreuung und Therapie geht trotz Verzichts auf gesellschaftliche Wiedereingliederungsversuche – selbstverständlich – weiter. Die Therapie der Opfer – soweit sie überlebt haben – oder ihrer Angehörigen hingegen unterliegt der Limitatio. Mögen die Ängste statistisch gesehen auch irrational, mag die Hoffnung auf mehr Sicherheit durch Verwahrung noch so trügerisch, mögen die juristischen Bedenken berechtigt sein, die Sprache der professionellen «Anwälte» der Täter ist nicht erträglich.
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Kurz vor Weihnachten wurde das existenziell wichtige Thema Preisanschreibepflicht für Medikamente in Praxen mit Patientenapotheke intensiv diskutiert. Am runden Tisch fanden sich zusammen: Vertreter des Bundesamtes für Gesundheit, des Bundesamtes für Sozialversicherungen, der Preisüberwachung, der Wettbewerbskommission, des Büros für Konsumentenschutz, der Swissmedic. Zu einem verbindlichen Schluss kam die hochkarätige Runde nicht. Vermutlich wird das Problem von einer erweiterten Runde erneut zu diskutieren sein. Und am Ende haben – wie immer – die Richter das Sagen, und die Gewerbepolizei wird eine neue Aufgabe erhalten. Alles im Interesse von besserer Qualität und niedrigeren Kosten der Gesundheitsversorgung.
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Für das Patientenmagazin der deutschen Apotheker wird teure TV-Werbung gemacht. Mit Themen wie «Lust an der Lust» (sex sells!) oder «Wie erhalte ich schöneres Haar?». Armes Pharmaziestudium.
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Die neue Einfachheit: Am WEF in Davos herrscht Verzicht-auf-die-KrawatteZwang. Und die Gastropäpste ergänzen ihre Gourmet-Tempel mit Annexen, weil selbst distinguierte Gesellschaften immer häufiger wieder Lust haben auf Schweinskoteletts, Ämmitaler Lammvoressen, Chabiswickel und Blutwürste.
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Vogelgrippe: die Rache der designten Hybridhühner. 70 Milliarden (!) Kilo solch geplagter Viecher werden jährlich weltweit produziert. Produktionskosten pro Kilo Lebendgewicht: 70 Rappen, Tendenz sinkend, dank Zucht- und Haltungsoptimierung. Dazu gehört die Aussortierung männlicher Küken, die zu wenig Fleisch ansetzen. 280 Millionen potenzieller Hähne werden jährlich allein in der EU unmittelbar nach dem Schlüpfen vergast oder geschreddert. Aber auch die Legehennen werden nicht alt. Bereits nach einem Jahr haben sie ausgedient beziehungsweise dienen dann in einer neuen Funktion: als Heizmaterial in Zementfabriken. «Rauchen schadet Ihrer Gesundheit.» Und wo bleibt der Warnhinweis auf den Industrie-Güggelis?
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FMH-Specher Reto Steiner, der selber mit Sicherheit gar nichts dafür kann, muss für seine Chefs gestehen: «Die Abgeltung der Belegärzte wurde bei den Tarmed-Verhandlungen einfach vergessen.
Das Problem muss nun schnell gelöst werden.» Ach, die Eile versteht man nun wirklich nicht. Auf ein Jahr mehr oder weniger kams bisher doch auch nicht drauf an.
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Können Sie sich glücklich schätzen, weil Sie mit dem Aufstehen am Morgen keine Mühe haben? Oder gehören Sie zu den Nachtvögeln, den sogenannten «Eulen», deren Tag (eigentlich) erst um zehn Uhr morgens beginnen sollte? Dann sind Sie chronobiologisch vielleicht einfach im Pubertätsstadium stecken geblieben. Denn offenbar verschiebt sich die innere Uhr bei den Teenagern so, dass sie abends nicht mehr müde und morgens nicht wach werden. Der Trend zu den erst gegen Mitternacht beginnenden Sessions und Parties, das langsame Auftauchen aus dem Reich der Träume im Laufe des frühen Nachmittags – alles physiologisch erklärbar. Das Melatonin ist schuld, nicht etwa die schlechte Gesellschaft. Vielleicht sind wir «Eulen» ja einfach länger jung geblieben.
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Apropos Jugend: Jugendliche im Arbeitsrecht dürfen bis zum 19. Lebensjahr, Lehrlinge gar bis 20 keine Nacht- und Sonntagsarbeit leisten. Jugendschutz nennt sich das. Eine Minirevision des Arbeitsgesetzes soll das Schutzalter nun auf 18 herabsetzen. Wogegen sich Gewerkschaften und Jugendverbände vehement wehren. Was meinen eigentlich volljährige, stimmberechtigte, heiratsfähige 18-Jährige dazu? Und wie äussern sich wohl die 16-jährigen Teenies am Sonntag Morgen nach einer anstrengenden Raver-Night? Sie hielten vermutlich mehr von einem Gesetz zum Schutz vor Arbeit am Montag Morgen.
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 5 q 2 0 0 4 189