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EDITORIAL q ÉDITORIAL
B estätigen sich die Trends, dann dürften Krebskrankheiten in einigen Ländern bald zur Todesursache Nummer eins avancieren. Das liegt zum einen sicher an der insgesamt höheren Lebenserwartung der Menschen, denn Krebs ist weiterhin mehrheitlich eine Alterskrankheit. Doch vor allem ist unübersehbar, dass bis heute der erhoffte Durchbruch in der Krebstherapie ausgeblieben ist. Der neue Leiter des Deutschen Krebsforschungsinstituts (DKFZ) in Heidelberg, der Neuropathologe Otmar Wiestler, hat vergangene Woche in einem Interview zum Auftakt des 26. Deutschen Krebskongresses ungeschminkt ausge-
Jetzt suggeriert eine neue, in deutschen Kliniken durchgeführte Impfstudie erstmals einen Erfolg bei Nierenkrebspatienten (Seite 188). Kommentatoren im «Lancet» sprechen schon von einem «immunologischen Durchbruch». Doch Zurückhaltung scheint erneut am Platze. Zwar erlitten
Impfen gegen Krebs?
sprochen, wie sehr man bisher auf der Stelle tritt: «Die Aussichten für viele Krebspatienten haben sich in den letzten 25 Jahren nicht wesentlich gebessert.» Wie viele andere Krebsforscher setzt er seine Erwartungen in die Stammzellforschung. Doch sind durchschlagende klinische Erfolge zumindest vorerst nicht in Sicht. Das gilt auch für die Krebsimpfung, seit langem ein Traum der Onkologen, der zwar nicht ausgeträumt ist, doch weit davon entfernt ist, seine Versprechen in der Wirklichkeit einzulösen. Die Impfung mit aus Krebszellen der Betroffenen hergestellten Vakzine hat bislang weit gehend enttäuscht, schlimmer noch, durch Ungereimtheiten bei einzelnen Studien ist der ganze Forschungszweig ins Zwielicht geraten. Man denke etwa an die Melanom-Impfstudie, die auch in der Schweiz für Schlagzeilen sorgte. Ein anderes unrühmliches Beispiel: Im letzten Jahr musste eine deutsche Forschergruppe eine Impfstudie bei Nierenkrebspatienten widerrufen, nachdem sich herausstellte, dass man bei der Auswertung der Daten allzu sorglos vorgegangen war.
die geimpften Krebspatienten später Metastasen als ihre Leidensgenossen in der Kontrollgruppe, doch ob sich ihr Leben verlängerte oder auch nur die Lebensqualität verbesserte, darüber sagt die Studie nichts aus. Warum man die Überlebenszeit nicht zum Studienendpunkt erklärte, erschliesst sich einem nicht. Zudem verzichteten die Studienleiter auf eine «Verblindung», was Ergebnisverzerrungen zumindest nicht ausschliesst. Aufgrund solcher methodischer Probleme hatte es die «Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie» im Vorfeld abgelehnt, die Studie in ihr Register aufzunehmen. Für die Krebsforschung gilt allemal: Ohne Zuversicht geht es sicher nicht voran. Es gibt aber nach den gemachten Erfahrungen – auch im Interesse der betroffenen Patienten – gute Gründe, grosslettrige Sensationsmeldungen zu streichen und das Wort Hoffnung etwas kleiner zu schreiben.
Uwe Beise
A R S M E D I C I 5 q 2 0 0 4 185