Transkript
Medien q q q Moden q q q Medizin
Rosenbergstrasse 115
Nein, wir sind nicht alleine mit unserer vergeblichen Kritik am TarMed. Der neue Tarif ist Gegenstand fast jeden Gesprächs unter Kollegen. Der Anteil jener, die glücklich sind mit dem neuen System, das angeblich die intellektuelle Tätigkeit besser bewertet als die technische, tendiert gegen null. Aber fürs Klagen ists zu spät. Selber schuld sind die Gutgläubigen. Pierre Périat fasst den Unmut in der «Synapse», der Ärztezeitung beider Basel, zusammen. Frei interpretiert etwa so: Die fatale Kaskade ist in Gang gekommen, mächtig angeschubst von eigenen Leuten: mehr Administration, weniger Zeit für die eigentliche Arbeit, höhere Kosten, grösserer Druck auf das flexibelste Glied in dieser Kaskade: die Allgemeinärzte, unattraktive Berufsaussichten, weniger Allgemeinpraxen, dafür mehr Fachärzte, höhere Kosten, niedrigere Taxpunktwerte und so weiter und so fort. Gute Zeiten für Zyniker.
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Gewaltbereitschaft in einer Männerrunde: Kollegen der eigenen Fakultät, Kollegen med.vet. und der eine oder andere Nicht-Mediziner. Med.vet: «Wenn die neue Tier-Arzneimittelverordnung kommt, höre ich auf.» Dann müsse er den Weg eines jeden Milliliters Penicillin zwischen Ankunft in der Praxis und Depot im Hund dokumentieren. Sinnloser Verwaltungsaufwand. Die Humanmediziner in der Runde tragen ihrerseits einige Müsterchen bei, über Qualitätskontrollen und so. Die Schuldigen sind bald erkannt: Beamte und Juristen – die einzigen Berufsleute, die sich ihre Arbeit selber immer neu schaffen können. Das Gespräch endet bei einem Witz, der seinerseits endet mit «first shoot the lawyer». Lediglich der einzige Jurist in der Runde fand das weniger lustig.
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Trost für unsereiner: Die italienischen Kollegen habens noch schwerer. Und die Kranken ebenso. Monatelange Wartezeiten für Wahleingriffe, gelegentlich sogar bei Krebserkrankungen, chronisch überbelegte Notfall- und Intensivstationen, Abweisungen von Notfallpatienten wegen Platzmangel und – dies ein Hauptgrund für den Streik der italienischen Ärzte – unsinnige Kontrollen medizinischer Leistungen, bei denen vorab die eingesetzten Mittel und nicht etwa der medizinische Erfolg kontrolliert werden. Regieren ist vorausschauen – und vorbeugend agieren. Wenns wenigstens unsere Funktionäre begriffen. Obschon, einige haben eines sehr wohl begriffen: dass das Kontrollieren ein einträglicher Wachstumsmarkt ist. Jedenfalls solange wir uns das gefallen lassen.
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Janet Jackson, bisher nicht unbedingt jedem Schweizer bekannte Sängerin, ist in aller TV-Munde. Es tue ihr leid, meint sie weinerlich: «Es ist falsch herausgekommen.» Es? Gemeint war natürlich «sie». Was da nämlich durchaus richtig, wenn auch etwas unverhofft (oder?) herauskam, war die rechte, fast (immerhin mit einem grossen Nippel-Piercing kaschierte) blutte Brust. Hätten die TV-Sender in der Pause der Super Bowl doch bloss Bilder von den Folgen amerikanischer Streubomben im Irak gezeigt. Keiner hätte sich aufgeregt.
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Und was ist eigentlich mit der rockenden Jugend von heute los? Gibts keine Rebellen mehr? Nur noch Weicheier? Justin Timberlake, der Partner der Janet Jackson und eigentlicher «Übeltäter» (er
hat nämlich das ominöse rechte Busenhalfter von JJ gelöst und damit den Skandal erst ausgelöst), ist nicht etwa stolz auf die Provokation oder wenigstens ungerührt ob der lächerlichen Anwürfe. Keine Spur von Widerstand gegen das erzkonservative Establishment, keine Kritik an fundamentalistischen Konventionen, von selbstbewusstem Spott wider die Spiesser nicht die Bohne. Nein, Herr Timberlake entschuldigt sich reuevoll. Business first, es könnte ja der eine oder andere Sender auf die Ausstrahlung seiner Songs und Videoclips verzichten. Die «Stones» – bloss noch Erinnerung an gute alte wilde Zeiten.
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Von Langenscheidt gibts jetzt auch ein Baby-Wörterbuch – mit Platz für individuelle Ergänzungen. Hubbala? BabyDeutsch für Hubschrauber. Budoni? Der Computer. Batateen? Was anderes als der Kapitän. Leicht zu übersetzen: Axelzaft und Zalatzoze.
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Dass auch die deutsche Sprache der Erwachsenen lebt und kreativ ist, zeigen Neuschöpfungen wie Elchtest (inzwischen kaum mehr mit A-Klasse in Verbindung gebracht), Homoehe, Babyklappe, Warmduscher, Ostalgie, doppelklicken, wegzappen, hundert pro und usw. Voll krass, das alles.
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Erfolgreiche Jagdsaison in Italien: 52 erlegte Jäger, 88 Schwerverletzte, davon 14 harmlose Spaziergänger.
Richard Altorfer
A R S M E D I C I 4 q 2 0 0 4 141