Transkript
Reanimation bei Herzstillstand:
Ist Vasopressin bei Asystolie Adrenalin überlegen?
Bisherige internationale Richtlinien zur kardialen Wiederbelebung, darunter auch die schweizerischen, sehen bei den Pharmakotherapeutika als Vasopressoren in erster Linie Adrenalin und in zweiter Linie (als Unterstützung oder Alternative) Vasopressin vor, wobei jedoch die Vasopressinverabreichung bei pulsloser elektrischer Aktivität (PEA) oder Asystolie nicht empfohlen wird. Dem widerspricht jetzt eine kürzlich im «New England Journal of Medicine» veröffentlichte randomisierte europäische Multizenterstudie, an der sich auch Spitäler in der Schweiz (Basel, Luzern, St. Gallen) beteiligt haben. Die Studie randomisierte Erwachsene, die ausserhalb eines Krankenhauses einen Herzstillstand erlitten, zu zwei Injektionen von 40 IU Vasopressin oder 1 mg Adrenalin, bei Bedarf gefolgt von zusätzlicher Adrenalintherapie. Primärer Endpunkt war das Überleben bis zur Hospitalisation, sekundärer Endpunkt das Überleben bis zur Spitalentlassung. Von 1186 Patienten erhielten 589 Vasopressin und 597 Adrenalin. Die klinischen Profile waren in den beiden Gruppen vergleichbar. Unter den Patienten mit Kammerflimmern oder PEA ergab sich zwischen den beiden Gruppen keine signifikante Differenz hinsichtlich der Hos-
pitalisationsraten. Hingegen konnten signifikant mehr Patienten mit Asystolie nach Vasopressintherapie hospitalisiert werden (29 vs. 20,3%, p = 0,02). In der initial mit Vasopressin behandelten Gruppe erlebten ebenfalls signifikant mehr Patienten die Spitalentlassung (4,7 vs. 1,5%, p = 0,04). Unter den 732 Patienten, bei denen die spontane Zirkulation durch die vorgesehenen zwei Injektionen des Studienmedikaments nicht erreicht worden war, führte die zusätzliche Adrenalinverabreichung in der Vasopressingruppe zu signifikant besseren Hospitalisations- und Spitalentlassungsraten, nicht jedoch in der Adrenalingruppe (Spitalaufnahme 25,7 vs 16,4%, p = 0,002; Spitalentlassung 6,2 vs. 1,7%, p = 0,002). Hinsichtlich der zerebralen Funktionsstörungen waren die beiden Gruppen vergleichbar. Die Autoren ziehen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass bei Kammerflimmern und PEA Vasopressin und Adrenalin vergleichbar effektiv sind, aber bei Asystolie Vasopressin Vorteile bietet. Beim refraktären Herzstillstand könnte Vasopressin gefolgt von Adrenalin sogar effektiver sein als alleinige Injektionen von Adrenalin.
Aufgrund experimenteller Daten lässt sich
dieses überraschende Ergebnis mit der Vor-
stellung erklären, dass Adrenalin den Sauer-
stoffverbrauch fördert, während Vasopressin
über die Verbesserung der Koronardurchblu-
tung das Sauerstoffangebot für das ischämi-
sche Myokard steigert. Da die endogenen
Katecholaminspiegel nach einem Stillstand
des Herzens charakteristischerweise rasch
ansteigen, könnte zusätzlich zugeführtes
Adrenalin die Hypoxämie und fortschrei-
tende Azidose noch verstärken. Damit wäre
es nicht nur ineffektiv, sondern potenziell
sogar schädlich.
(Quelle: Volker Wenzel et al., NEJM 2004;
350: 105–113.)
q
H.B.
Medien q q q Moden q q q Medizin
Pestwurz in der Schweiz vom Markt
Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic hat die Zulassung eines bestimmten Pestwurz-Extraktes widerrufen. Betroffen sind davon die Präparate Petadolor® und Dolomed®.. Grund für diese Massnahme sind seltene, aber schwere Fälle von Leberschädigungen. Dabei spielen ausschliesslich Erfahrungen aus Deutschland eine Rolle, wo inzwischen sechs Berichte über schwere Leberschädigungen nach Einnahme des Pestwurz-Extraktes vorliegen, der mit CO2 als Auszugsmittel hergestellt wird. «Aufgrund der Zunahme der Meldungen, ihrer Verdichtung auf ein bestimmtes Präparat und der Schwere der Leberschädigung hat
Swissmedic (...) eine Risiko-Nutzen-Evaluation vorgenommen und danach die weitere Zulassung widerrufen», heisst es in einer Mitteilung des Heilmittelinstituts. Der Zusammenhang der Leberschädigungen mit der Einnahme des Extraktes wird «in allen Fällen als möglich bis wahrscheinlich beurteilt». Die Lebersymptome wie Ikterus sind in den bekannt gewordenen Fällen auch unter herkömmlichen Dosierungen und bei Einhaltung der empfohlenen Therapiedauer aufgetreten. Welche Inhaltsstoffe für die Nebenwirkungen verantwortlich sind, ist ebenso wenig bekannt wie die zugrunde
liegenden Mechanismen. Nach Auffassung von Swissmedic ist «der Verlauf der Leberschädigungen nicht vorhersehbar», sodass weitere Massnahmen – wie zum Beispiel eine regelmässige Kontrolle der Leberwerte die Sicherheit der Anwendung nicht gewährleisteten. Aufgrund der nicht vitalen Indikation und der Verfügbarkeit alternativer Medikamente zur Migräneprophylaxe sah sich Swissmedic zum Widerruf der Zulassung gezwungen. In Deutschland steht offenbar eine Marktrücknahme des Pestwurz-Extrakts nicht unmittelbar bevor. q
U.B.
140 A R S M E D I C I 4 q 2 0 0 4