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Hautalterung
Kutane Alterungsprozesse und Möglichkeiten, sie zu verlangsamen
JOSEF SMOLLE
Glaubt man der Boulevardpresse, dann gibt es kein wichtigeres Gesundheitsthema, als jung zu sein und jung zu bleiben. Schlüsselorgan unserer Kommunikation ist die Haut, wollen wir doch – wenn wir schon unvermeidlich altern – wenigstens jung aussehen. Vollständig verhindern lässt sich die Haut-
rerseits die lichtinduzierte, extrinsische, durch äussere Faktoren bewirkte Hautalterung. Erstere führt zu einer diskreten Verdünnung der Dermis, einer Atrophie der Epidermis, einer geringen Austrocknung und einer feinen Fältelung. Es handelt sich dabei um einen Zustand, der insgesamt zwar als alt, aber auch oft als ansprechend im Sinne von freundlich und gütig empfunden wird.
Licht macht Zitronenhaut
Anders präsentiert sich die lichtinduzierte, aktinische Hautalterung: Eine massive Degeneration des Kollagens und der elastischen Fasern lässt die Haut gelb und grossporiger erscheinen und führt zur Bildung tiefer Falten und Furchen (Abbildung 1). Letztere treten vor allem im Gesicht und im Nacken auf – dort meist in rhomboidaler Anordnung, Man spricht dann von Cutis rhomboidalis (Abbildung 2).
Insgesamt entsteht der Aspekt der Zitronenhaut. Die sekundäre Beeinträchtigung der Haartalgdrüsenfollikel kann in weiterer Folge regelrechte Komedonen aufschiessen lassen, besonders häufig in der Schläfenregion. Sie gelten als ein untrügliches Zeichen einer schweren aktinischen Schädigung.
Woher kommen die «Altersflecken»?
Neben dieser hypertrophischen Form der aktinischen Schädigung gibt es auch eine atrophische Form. Sie zeigt sich vor allem an Handrücken und Unterarmen: Die Haut ist auffallend dünn, durch Schädigung der kleinen Blutgefässe kommt es zur so genannten senilen Purpura: Polygonal begrenzte, blaurote Flecke und unregelmässige Pigmentierung mit Hyperpigmentierungen (Lentigines solares; Abbildung 3) und Hypopigmentierungen (Hypomelano-
alterung natürlich nicht.
Doch durch frühzeitige
Prävention kann man sie
zumindest verlangsamen.
Die Haut als Altersmarker
Ob man jemandem sein Alter ansieht oder ihn gar älter schätzt als er ist, hängt in erster Linie vom Zustand der Haut ab. Doch was genau lässt eigentlich die Haut altern? Man muss dabei zwei Aspekte unterscheiden: einerseits die intrinsische, unvermeidliche, durch keine äusseren Einwirkungen gestörte Hautalterung, ande-
Abbildung 1: Hypertrophische Form der aktinischen Hautschädigung (so genannte Zitronenhaut) mit aktinischen Komedonen
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Hautalterung
Tabelle: To p i s c h e P r ä p a r a t e , die das Altern der Haut bremsen sollen
Präparat Hydraphase XL La Roche Posay
NeoStrata Skin Smoothing Cream AHA 8
Skinceuticals Promacy Serum C + E
Anmerkung
Für die tägliche Pflege mit integriertem Sonnenschutz
Für die abendliche aktivierende Pflege mit Fruchtsäuren
Als morgendlicher Jungbrunnen
sis guttata). Im Extremfall treten weisse, sternförmige, narbig imponierende Atrophien hinzu – so genannte Pseudocicatrices stellares. Letztere sind nicht nur Ausdruck einer aktinischen Schädigung, sondern können auch durch Lebererkrankungen und systemische Kortisonwirkungen getriggert werden.
Auch die Schwerkraft schadet der Haut
Zwei ganz spezielle Formen der Alterung finden sich aber an den unteren Extremitäten: Die eine ist die Hautalterung durch den hydrostatischen Druck in den Unterschenkeln, der zu einer Sklerose der Dermis, glatter Atrophie der Epidermis, Stasispigmentierung und fallweise auch zur Ulzeration führt. Im angelsächsischen
Sprachgebrauch wird für dieses Phänomen auch der Begriff «gravitational aging» verwendet. Interessierte Wissenschaftler haben sogar herausgefunden, warum ähnliche Phänomene bei der Giraffe, die einen noch viel stärkeren hydrostatischen Druck aushalten muss, nicht auftreten.
Orangenhaut durch Fetthernien
Die zweite spezielle Form der Hautalterung füllt in manchen Zeitschriften jene Seiten, den die Gesichtskosmetika freigelassen haben: Die Cellulite oder Orangenhaut, die ab dem dritten Lebensjahrzehnt fast ausschliesslich bei Frauen an Oberschenkel und Gesäss auftritt. Ihr liegt eine spezielle Textur des subkutanen Fettgewebes zugrunde. Während beim Mann die
Abbildung 2: Die Cutis rhomboidalis nuchae ist Ausdruck der lichtinduzierten aktinischen Hautalterung
© alle Abbildungen Prof. Smolle
Bindegewebssepten zwischen den Fettgewebsläppchen scherengitterartig verschränkt sind, erscheinen sie bei der Frau kuboidal-rechtwinklig. Oberflächliche Fetteinlagerung zusammen mit der Erschlaffung des Bindegewebes führt zu einer hernienartigen Vorwölbung der Läppchen, was sich an der Oberfläche als Orangenhaut zeigt.
Die Optik ist nicht alles
Mit den Veränderungen des Aspekts ist es im Alter nicht getan. Zugleich kommt es zu funktionellen Einschränkungen: Die Gefässe werden wandstarr, sodass sie sich weniger gut an unterschiedliche Temperaturen anpassen können. Dies ist mit ein Grund, warum ältere Menschen häufiger einen Hitzschlag erleiden. Die Talgdrüsen schränken ihre Produktion ein, sodass die Haut schneller austrocknet. Besonders markant ist die Abnahme immunkompetenter Zellen in der Epidermis, was die entzündliche Reaktionsfähigkeit einschränkt. Dies dürfte zur höheren Bereitschaft alternder Haut für mykotische, bakterielle und virale Infektionen beitragen.
Selbst schuld?
Was die exogene Hautalterung betrifft, so kann der Einzelne diese durchaus beeinflussen. Der wichtigste Faktor ist nach wie vor die UV-Bestrahlung. An den derzeit beobachteten Schäden ist mit Sicherheit (noch) nicht der Schwund der Ozonschicht, sondern der gewohnheitsmässige Umgang mit Sonnenlicht und künstlichen Strahlungsquellen schuld. Akute Expositionen auf unvorbereiteter Haut, die zum Sonnenbrand führen, sind vor allem für die Entstehung von malignen Melanomen verantwortlich. Dagegen kommen die kosmetisch störenden Altersveränderungen durch kumulative UV-Bestrahlung auch ohne Sonnenbrand zustande. Speziell für die Degeneration des dermalen Bindegewebes ist auch nicht der UVB-Bereich verantwortlich, der ja als Warnsignal den Sonnenbrand hervorruft, sondern der subjektiv viel besser tolerierte UVA-Bereich. Dieses Spektrum lassen kon-
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ventionelle Sonnenschutzmittel passieren, und von Solarien wird es selektiv emittiert. Somit tragen gerade diese Strahlenquellen und die Sonnenexposition unter reinem UVB-Schutz zur Hautalterung bei, weil auf diese Weise UVA in exzessiver Weise konsumiert wird. Der zweite Faktor, der weit gehend der persönlichen Verantwortung unterliegt, ist der Zigarettenkonsum. Sowohl die bindegewebige Degeneration als auch die Entwicklung von Teleangiektasien werden nachweislich durch Rauchen aggraviert. Schätzungen haben ergeben, dass 20 Zigaretten täglich über ein Jahr die Hautalterung um 1,4 Jahre vorantreiben.
Frühzeitig Prävention betreiben
Will man mit der Vorbeugung vorzeitiger Hautalterung erst anfangen, wenn das Alter bereits da ist, kommt man mit Sicherheit zu spät. Was sich an der Haut an Altersveränderungen zeigt, ist die kumulative Einwirkung während der vorangegangenen Jahrzehnte. Daher muss eine sinnvolle primäre Prävention der Altersveränderungen bereits in der Jugend ansetzen. Nur wenn es hier gelingt, hautfreundliche Lebensgewohnheiten zu etablieren, wird die Haut bis ins hohe Alter einen Teil ihrer jugendlichen Zartheit behalten. Man hat den Eindruck, dass das intensive Bräunen in den letzten Jahren nicht mehr unabdingbares Pflichtprogramm zu sein scheint, sodass sich hier in den Gewohnheiten etwas zum Besseren wendet. Im Gegenzug lassen aber die EU-weiten Statistiken über die Rauchgewohnheiten der 15-Jährigen wenig Erfreuliches erwarten.
Reparieren ist schwierig
Die Massnahmen zur Reduktion bereits sichtbarer Alterserscheinungen können grob in drei Gruppen eingeteilt werden: 1. Die breite Palette der pflegenden, rück-
fettenden und aufbauenden Externa 2. Verschiedene operative Eingriffe im
weiteren Sinn 3. Nahrungsmittelergänzungen.
Welchen Sinn hat das Altern?
Im biologischen Sinn nehmen wir das Altern als unvermeidlich und selbstverständlich hin, zugleich aber wehren wir uns dagegen. Wie selbstverständlich aber ist das Altern wirklich? Und hat Altern an sich eine biologische Funktion? Heute nimmt man an, dass ein Teil des Alterungsprozesses durch das Erbmaterial determiniert ist (deterministische Alterungstheorie), während ein anderer Teil durch zufällig im Lauf des Lebens akkumulierte Schäden entsteht (stochastische Alterungstheorie). Die evolutionsbiologische Alterungstheorie wiederum fragt nach dem Warum des Alterns. Offensichtlich haben sich in der Evolution solche Arten durchgesetzt, die nicht extrem lange leben, sondern bei denen es durch Altern und Tod einerseits und durch Fortpflanzung andererseits zu immer neuer Verjüngung der Population kommt. Die Hautalterung im engeren Sinn wird – im biologistischen Sinn – dahingehend interpretiert, dass nach den fortpflanzungsfähigen Jahren ein gefälliges Äusseres als sexuelles Selektionsmerkmal seine Funktion verloren hat und daher die Haut getrost altern darf. Die evolutionsbiologisch eingeschränkte Sichtweise der menschlichen Existenz entspricht jedoch nicht der christlich-abendländischen Wurzeln entsprungenen westlichen Werthaltung. Somit sollte man wohl allen Individuen das Recht zugestehen, über das biologisch Notwendigste hinaus etwas für die Gesunderhaltung der Haut tun zu dürfen. Es ist zu hoffen, dass daraus kein von vornherein hoffnungsloses Festklammern an unwiederbringlicher Jugend wird, sondern ein Altern in einer den fortschreitenden Jahren gemässen Schönheit und Würde.
Die angesprochenen pflegenden und aufbauenden Externa (siehe Tabelle) haben je nach Präparatgrundlage eine rückfettende und wasserbindende Wirkung. Ein tatsächlicher Einfluss auf die Alterungsprozesse ist nicht oder nur marginal nachweisbar.
Schleifen, verdampfen, wegätzen
Anders ist die Situation bei den operativen Eingriffen im weiteren Sinn: Eine operative Entfernung der oberflächlichen Hautschichten – im Wesentlichen der Epidermis und der papillären Dermis – führt zu einem Regenerationsprozess, der eine glattere, besser durchblutete Hautoberfläche schafft. Die oberflächlichen Hautschichten können mechanisch (hochtouriges Schleifen), chemisch (chemisches Peeling) oder durch Verdampfung (abrasive Laser) entfernt werden. Hochtouriges Schleifen kommt heute praktisch nur mehr bei entstellender Talgdrüsenhyperplasie zur Anwendung. Das chemische Peeling mit hochprozentigen Säuren (z.B. Trichloressigsäure) kann in fachkundiger
Hand gute Ergebnisse erzielen, bedarf aber grosser Erfahrung und ist gerade in der Nachbehandlungsphase oft schmerzhaft. Gut reproduzierbare Ergebnisse bringen die abrasiven Laser (z.B. ultragepulster CO2-Laser, Neodym-YAG-Laser), weil ihre Ablationstiefe genau definiert ist und weniger als das chemische Peeling von der Handhabung durch den Arzt abhängt. Allen genannten Massnahmen ist gemeinsam, dass sie zuerst mit Krusten und Erosionen einhergehen und anschliessend ein Wochen oder Monate lang anhaltendes Erythem induzieren. Erst nachdem dieses abgeklungen ist, stellt sich ein befriedigendes kosmetisches Ergebnis ein.
Falten unterspritzen – Effekt nicht von Dauer
Zu den operativen Verfahren gehören auch verschiedene Augmentationsmethoden, bei denen körpereigenes Fettgewebe, allogenes organisches Material oder Kunststoff im Bereich von Hautfurchen oder narbigen Einsenkungen eingebracht wird. Man will damit die Hautoberfläche anheben und glätten. Die meisten Mate-
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Hautalterung
Abbildung 3: Atrophische Form der aktinischen Schädigung mit Lentigines solares
rialien werden im Lauf der Zeit jedoch resorbiert, sodass zuerst überkorrigiert werden muss, und der Effekt mit der Zeit wieder verschwindet. In Einzelfällen kann es zu granulomatösen Fremdkörperreaktionen kommen, die zu einer grobknotigen Auftreibung des behandelten Areals führen, äusserst therapieresistent sind und den initial angestrebten Nutzen konterkarieren. Der Vollständigkeit halber sei auch das klassische Facelifting erwähnt, das noch vor wenigen Jahren beinahe die einzige Therapieoption war.
Hautglätter Botulinumtoxin
Eine Zwischenstellung zwischen konservativen und operativen Verfahren kommt der lokalen Injektion von Botulinumtoxin zu. Botulinumtoxin hemmt die Freisetzung von Azetylcholin aus der synaptischen Endplatte. Damit kommt es zu einer Relaxation der Muskulatur, die einige Monate anhält. Injiziert man Botox® in die mimische Muskulatur, dann glätten sich zum Teil die Falten, wobei allerdings auch
die Lebhaftigkeit des Mienenspiels ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wird. Im Vergleich zu den oben erwähnten operativen Therapieverfahren ist das Risiko von Komplikationen aber gering.
Radikalfänger als Altersbremse?
Nahrungsmittelergänzungsstoffe, so genannte Nutraceuticals, erleben derzeit einen Boom. Viele von ihnen sind Radikalfänger. Der Zusammenhang zwischen Oxidation, freien Radikalen und Alterung ist theoretisch gut fundiert und zum Teil im Tierexperiment belegt. Ob sich diese Theorien auf den Alterungsprozess des Menschen umlegen lassen beziehungsweise ob diese Ergänzungsstoffe irgendeinen protektiven Effekt gegen das Altern haben, ist dagegen nicht belegt. Einige lokale Massnahmen, die zwar eine alte Haut nicht wieder jung machen, aber zur Pflege durchaus geeignet sind, finden sich in der Tabelle.
Hautalterung ist auch gefährlich
Angesichts der augenfälligen kosmetischen Altersveränderungen der Haut darf man aber nicht übersehen, dass die gleichen Risikofaktoren, die die Haut altern lassen, auch das Malignomrisiko erhöhen. Am gefährlichsten ist das maligne Melanom, wobei das grossflächig wachsende, vorzugsweise im Gesicht auftretende Lentigo-maligna-Melanom ein typischer Tumor des hohen Lebensalters ist. Weitaus häufiger sind aber die epithelialen Tumoren der Haut: 1. das Basaliom, das vor allem in den
oberen zwei Dritteln des Gesichts in chronisch lichtgeschädigter Haut auftritt 2. das spinozelluläre Karzinom der Haut, das sich oft aus einer aktinischen Keratose entwickelt und die unteren Gesichtspartien sowie die Handrücken bevorzugt. Es ist bemerkenswert, dass das Malignomrisiko an der Haut nicht nur durch UV-Strahlung, sondern auch durch Zigarettenkonsum – ebenso wie die kosmetischen Altersveränderungen – erhöht wird.
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Univ. Prof. Dr. med. Josef Smolle Universitätsklinik für Dermatologie
und Venerologie A-8036 Graz
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 15/2003. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
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