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Kongressbericht/Neue Therapien
11. Internationaler Kongress der Society for Melanoma Research, Zürich, 13.–16.11.2014
Therapie des fortgeschrittenen Melanoms/Nivolumab
Aktuelle Fortschritte bei der Immuncheckpoint-Blockade
Ipilimumab hat die moderne Tumorimmuntherapie mit gezielter ImmuncheckpointBlockade beim fortgeschrittenen Melanom etabliert. Jetzt liegen auch für einen anderen Immuncheckpoint-Inhibitor, den Anti-PD-1-Antikörper Nivolumab, Resultate von Phase-III-Studien vor.
In den letzten Jahren fand auf dem Gebiet der Tumorimmuntherapie ein fundamentaler Paradigmenwechsel statt – weg von der Immuntherapie mit Tumorvakzinen und mit hoch dosierter Interleukin-2Behandlung, hin zu einer gezielten Immuntherapie mit ImmuncheckpointBlockade. Der therapeutische Anti-CTLA4-Antikörper Ipilimumab (Yervoy®) weist eine ganz andere Ansprechkinetik auf als zytotoxische Behandlungen und bisherige Immuntherapien. Das Ansprechen erfolgt langsam, wobei während 3 bis 6 Monaten allmählich eine Armee aktiver T-Zellen aufgebaut und dann in den Kampf gegen das Melanom geschickt wird, wie Dr. Steven O’Day, Beverly Hills, USA, anschaulich erklärte. Im Herbst 2014 erhielt Ipilimumab von Swissmedic die Zulassung auch für die Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen (nicht resezierbaren oder metastasierten) Melanom, nachdem die Swissmedic-zugelassene Indikation zuvor auf Patienten beschränkt gewesen war, die bereits eine Therapie erhalten hatten.
le. Der inhibitorische PD-1-Rezeptor reguliert Signale, welche die T-Zellen aktivieren, herunter. Die Liganden des PD-1Rezeptors (PDL-1 und PDL-2), die nicht nur von Immunzellen, sondern auch von Tumorzellen exprimiert werden, bewirken im Tumormilieu eine «T-Zell-Erschöpfung» («T cell exhaustion») mit schlechter Effektorfunktion. Wie Prof. Christoph Höller, Abteilung für Allgemeine Dermatologie, Medizinische Universität Wien, weiter berichtete, können mit Anti-PD-1-Antikörpern (Nivolumab, Pembrolizumab) erschöpfte T-Zellen reaktiviert werden.
Phase-III-Studienergebnisse unter Nivolumab
Studie CheckMate 037 Prof. Höller fasste Resultate der eingeplanten Interimsanalyse einer randomisierten, kontrollierten, offenen Phase-IIIStudie mit dem therapeutischen, vollständig humanen Antikörper Nivolumab zusammen (Studie CheckMate 037). Die erstmalige Präsentation der Studienergebnisse hatte am 29. September 2014 in
Madrid im Rahmen des ESMO-Kongresses stattgefunden (Weber J et al. Abstract 7218). Nivolumab (3 mg/kg Körpergewicht alle 2 Wochen als intravenöse Infusion) wurde bei Patienten mit fortgeschrittenem Melanom, die bereits erfolglos mit Ipilimumab behandelt worden waren, mit einer Chemotherapie (vom Prüfarzt unter den beiden Chemotherapien Dacarbazin bzw. Carboplatin plus Paclitaxel ausgewählt) verglichen. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2:1 (268 Patienten im Nivolumab-Arm, 102 im Chemotherapiearm). Die Patienten wurden behandelt, bis eine Krankheitsprogression oder eine unakzeptable Toxizität auftrat. Die objektive Ansprechrate (ORR) und das Gesamtüberleben (OS) bildeten die beiden primären Endpunkte der Studie. Bei Patienten mit einem Follow-up von mindestens 6 Monaten wurde im Nivolumab-Arm (n = 120) eine ORR von 32% erreicht, im Chemotherapiearm (n = 47) dagegen nur eine solche von 11%. Die meisten Patienten (95%) sprachen nachhaltig auf Nivolumab an. Die mediane Ansprechdauer ist nicht erreicht worden. Die Zeit bis zum ersten Ansprechen sei mit Nivolumab deutlich kürzer (median 2,1 Monate) als mit Ipilimumab, sagte der Referent. Er fügte hinzu, dass sich Nivolumab im Vergleich zu Ipilimumab nicht nur durch eine höhere Ansprechrate und
PD-1-ImmuncheckpointInhibition –
die zweite Dimension der modernen Tumorimmuntherapie Auf Ipilimumab, das die T-Zellen bei der Instruktion in den Lymphknoten durch Immuncheckpoint-Blockade aktiviert, folgen jetzt die PD-1-ImmuncheckpointInhibitoren, die dafür sorgen, dass die T-Zell-Aktivität im Tumor erhalten bleibt. Anders als der CTLA4-Rezeptor (zytotoxisches T-Lymphozyten-Antigen 4) spielt der PD-1-Rezeptor (programmierter Zelltod-Inhibitor 1) hauptsächlich in der Effektorphase der Immunantwort, im Mikromilieu des Tumors, eine wichtige Rol-
Mit Nivolumab beträchtlicher Überlebensvorteil gegenüber Dacarbazin
Georgina Long, Ph.D., University of Sydney/Australien, stellte Resultate der Studie CheckMate 066 vor (1). Im Rahmen dieser randomisierten, kontrollierten Phase-III-Doppelblindstudie wurden 418 Patienten mit fortgeschrittenem BRAF-Wildtyp-Melanom, die keine Vorbehandlung erhalten hatten, entweder mit Nivolumab oder mit DacarbazinChemotherapie, der traditionellen Standardtherapie, behandelt.
In der Nivolumab-Gruppe (n = 210) erhielten die Patienten alle 2 Wochen Nivolumab 3 mg/kg Körpergewicht als intravenöse Infusion sowie Plazebo alle 3 Wochen; in der Vergleichsgruppe (n = 208) Dacarbazin 1000 mg/m2 Körperoberfläche sowie Plazebo alle 2 Wochen. Die Behandlung dauerte bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Auftreten inakzeptabler Toxizitäten. Die Studie wurde vorzeitig beendet, weil eine Auswertung der Studienüberwachungsgruppe Hinweise auf höheres Gesamtüberleben im Nivolumab-Arm geliefert hatte.
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Kongressbericht/Neue Therapien
11. Internationaler Kongress der Society for Melanoma Research, Zürich, 13.–16.11.2014
Resultate Das Gesamtüberleben bildete den primären Studienendpunkt. Die Nivolumab-Gruppe erreichte eine 1-Jahres-Überlebensrate von 72,9% (unter Chemotherapie 42,1%). Das Sterberisiko reduzierte sich unter Nivolumab signifikant um 58% (Hazard Ratio für Tod 0,42 mit p < 0,0001). Das mediane OS wurde in der Nivolumab-Gruppe nicht erreicht und betrug in der DacarbazinGruppe 10,8 Monate. Dass die mediane Überlebensrate in der Dacarbazin-Gruppe höher lag als in früheren Studien, ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass 38% der mit Dacarbazin behandelten Patienten nach Absetzen der Therapie Ipilimumab erhielten. Weitere Ergebnisse: L Der Überlebensvorteil mit Nivolumab war sowohl bei PD-L1-positiven als auch bei PD-L1- negativen Patienten nachweisbar. Ein Melanom wurde als PD-L1-positiv eingestuft, wenn bei mindestens 5% der Tumorzellen eine PD-L1-Ligandenexpression nachweisbar war. L Die objektive Ansprechrate (ORR) bildete einen der sekundären Endpunkte. Nivolumab erreichte, verglichen mit Dacarbazin, eine signifikant höhere ORR von 40,0% (mit Dacarbazin 13,9%, p < 0,0001). Zum kompletten Ansprechen kam es mit Nivolumab bei 7,6% der Patienten (mit Dacarbazin bei 1,0%). Die mediane Dauer des Ansprechens wurde in der Nivolumab-Gruppe nicht erreicht und betrug in der Dacarbazin-Gruppe 6,0 Monate. Zum Ansprechen kam es mit Nivolumab ähnlich rasch wie mit Dacarbazin. Die mediane Zeitspanne bis zum objektiven Ansprechen betrug in beiden Therapiegruppen 2,1 Monate. L Das progressionsfreie Überleben war ein weiterer sekundärer Endpunkt der Studie. Medi- an betrug es 5,1 Monate im Nivolumab-Arm und 2,2 Monate im Dacarbazin-Arm. Der mit Nivolumab gegenüber Dacarbazin erreichte Vorteil war signifikant (HR für Tod oder Krankheitsprogression 0,43 mit p < 0,001). L Das Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Nivolumab erwies sich als gut. Uner- wünschte Ereignisse der Grade 3 und 4 kamen mit Nivolumab (11,7%) weniger häufig vor als mit Dacarbazin (17,6%). Mit den empfohlenen Sicherheitsalgorithmen waren diese unerwünschten Ereignisse beherrschbar. L Die häufigsten therapieassoziierten unerwünschten Ereignisse (alle Grade) waren im Nivo- lumab-Arm: Fatigue (19,9%), Pruritus (17,0%), Übelkeit (16,5%), Diarrhö (16%). Im Dacarbazin-Arm standen im Vordergrund: Übelkeit (41,5%), Erbrechen (21,0%), Diarrhö (15,6%), Fatigue (14,6%), hämatologische Toxizitäten (Neutropenie 11,7%, Thrombozytopenie 10,2%). L In der Nivolumab-Gruppe kam es zu weniger Therapieabbrüchen (6,8%) als in der Dacar- bazin-Gruppe (11,7%). L Durch therapieassoziierte Toxizität bedingte Todesfälle kamen in keinem der beiden Be- handlungsarme vor. raschere Wirkung auszeichne, sondern auch durch eine ausgeprägt gute Verträglichkeit. Die Rate typischer, immunvermittelter Nebenwirkungen der Grade 3 und 4 sei gering gewesen. Therapieassoziierte unerwünschte Ereignisse waren in der Nivolumab-Gruppe mehrheitlich vom Grad 1 und 2 und sprachen auf die empfohlenen Behandlungsalgorithmen gut an. Aufgrund von therapieassoziierten Nebenwirkungen aller Schweregrade brachen nur 2% der mit Nivolumab behandelten Patienten die Therapie ab (in der Chemotherapiegruppe 8%). Studie CheckMate 066 Ergebnisse einer weiteren mit Nivolu- mab durchgeführten Phase-III-Studie wurden am Kongress der Society for Me- lanoma Research erstmals präsentiert und zeitgleich im «New England Journal of Medicine» online publiziert. In dieser Studie (CheckMate 066) konnte bei Pati- enten mit fortgeschrittenem Melanom (ohne Vorbehandlung) mit Nivolumab gegenüber der herkömmlichen Chemo- therapie mit Dacarbazin ein beträchtli- cher Überlebensvorteil erreicht werden (siehe Kasten). Auch der kombinierte Ein- satz von Nivolumab und Ipilimumab wer- de getestet: Die Kombination habe be- reits spektakuläre Resultate gezeigt (Ge- samtüberleben 85% nach 1 Jahr, 79% nach 2 Jahren), berichtete Prof. Höller. PD-1-Immuncheckpoint-Inhibitoren sei- en auf gutem Weg, zu einer First-Line- Therapie beim fortgeschrittenen Mela- nom zu werden. Aufgrund der guten Ver- träglichkeit werde auch getestet, ob sich Nivolumab für den Einsatz in der adju- vanten Therapiesituation eigne, ergänz- te er. L Alfred Lienhard Quelle: Satellitensymposium der Firma Bristol-Myers Squibb, 14.11.2014. Referenz: Robert C et al.: Nivolumab in previously untreated melanoma without BRAF mutation. N Engl J Med. 2014; November 16 (Epub online ahead of print). SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2015 39