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PNEUMOLOGIE
Altersgerechte Inhalationstherapie
Kriterien für die Auswahl der passenden Geräte
Bei Inhalationsgeräten für Kinder und Jugendliche müssen einige Besonderheiten berücksichtigt werden. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile, wobei die Auswahl des Inhalationssystems primär altersentsprechend erfolgen sollte. Da sich die Symptome bei mangelhafter Technik nicht kontrollieren lassen, betrachten viele Patienten die Inhalationstherapie als unwirksam und brechen sie ab. Es ist darum wichtig, regelmässig nachzufragen und sich die Inhalation auch demonstrieren zu lassen.
Von Wolfgang Kamin1, Hannah Walz-Jung2 und Frank Erdnüss2
Die Inhalationstherapie ist der Goldstandard bei Kindern mit bronchialen obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Mukoviszidose. Typische klinische Symptome sind das Giemen oder der Husten. Kennzeichnend für die allergische und die infektassoziierte bronchiale Obstruktion sind darüber hinaus im Wesentlichen drei krankhafte Veränderungen in den Atemwegen: die Hypersekretion, das Schleimhautödem und ein Zusammenziehen der glatten Bronchialmuskulatur (Abbildung 1). Vor Initiierung einer Inhalationstherapie sollte sich der Therapeut bei der Diagnose sicher sein, wobei altersentsprechend unterschiedliche Differenzialdiagnosen zu bedenken sind (Tabelle 1).
Das geeignete
Inhalationssystem
Generell müssen bei Kindern und Ju-
gendlichen einige Besonderheiten be-
rücksichtigt werden (1). Unter anderem
Abbildung 1: Schematische Darstellungen eines Bronchus: oben in gesundem Zustand, darunter mit krankhaften Veränderungen.
ist der Durchmesser ihrer Atemwege viel kleiner als bei Erwachsenen, und durch Entzündungen und Schleimbildung können sie sich überproportional
stark verengen. Obwohl die Wirkstoffmenge, die bei
der Inhalation in die Lunge gelangt (ein grosser Teil der
Dosis bleibt bereits im Mund- und Rachenraum hän-
gen), mit zunehmendem Alter ansteigt, bleibt die wirk-
same Dosis im Verhältnis zum Körpergewicht gleich.
1Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Evangelisches Krankenhaus Hamm 2Apotheke der Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Daher wird für Kleinkinder eine deutlich höhere Individualdosis pro kg Körpergewicht verordnet. Grundsätzlich sollten für Kinder möglichst viele der inhalierten Teilchen einen Durchmesser von ≤ 3 µm haben – zum
Vergleich: Ein rotes Blutkörperchen hat einen Durchmesser von 6 bis 7 µm. Ein grösserer Durchmesser verhindert, dass die Wirkstoffteilchen in die Lunge gelangen. Sie bleiben dann noch zahlreicher in Mund und Luftröhre stecken und können auch ungewollte Nebenwirkungen hervorrufen (2, 3). Zur Inhalation stehen im Wesentlichen drei verschiedene Systeme zur Verfügung: • Dosieraerosole (pressurized metered dose inhaler,
pMDI); • Trockenpulverinhalatoren (dry powder inhaler, DPI)
und • Feuchtvernebler (nebulizer). Darüber hinaus werden ständig neue Systeme entwickelt, darunter auch Inhalatoren mit Kontrollfunktion (4, 5). Jedes System hat seine Vor- und Nachteile, wobei die Auswahl des Inhalationssystems zuerst altersentsprechend erfolgen sollte (Tabelle 2). Anschliessend sind individuelle Parameter wie etwa der Gesundheitszustand, aber auch die Kostenerstattung und die Vorlieben des Patienten zu berücksichtigen (Abbildung 2). Denn nur wenn regelmässig und richtig inhaliert wird, kann sich der gewünschte Therapieerfolg einstellen. Darüber hinaus spielt auch die Grösse der vom Inhalator generierten Wirkstoffteilchen (das sogenannte Feinpartikelspektrum) eine Rolle. Die jüngsten Patienten sollten vorzugsweise mit Düsen- oder Ultraschallverneblern versorgt werden, die auch einfach zu bedienen sind. Bis zum zweiten Lebensjahr ist dabei die sogenannte Maskeninhalation vorteilhaft, denn Säuglinge können den Vernebler über den Mund nicht richtig benutzen. Die Maske muss 100-prozentig dicht über Mund und Nase des Patienten schliessen, denn schon ein kleines Leck reduziert die inhalierte Wirkstoffmenge drastisch auf nahezu null (6).
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PNEUMOLOGIE
Ab dem dritten Lebensjahr sollte die Inhalation am besten nur noch über den Mund erfolgen, da so die Teilchen direkt, ohne den Umweg über die Nase, in die Bronchien gelangen können. Die Mundinhalation ist etwa zehnmal effektiver als eine Inhalation mit Maske. Wichtig ist – sofern möglich –, langsam und gleichmässig zu inhalieren (Ruheatmung; max. 30 l/min). Daher wird der Einatmungsfluss (peak inspiratory flow, PIF) bei manchen Modellen durch einen automatischen Kontrollmechanismus begrenzt. Zudem können Druckluftvernebler durch Einsätze mit verschiedenen Prallplatten bei Bedarf variiert werden, sodass sie jeweils ein altersgerechtes Partikelspektrum generieren.
Dosieraerosole
Dosieraerosole (pMDI) mit Vorsatzkammer können bei Kindern ab drei Jahren erfolgreich eingesetzt werden, wenn der Patient einen langsamen, gleichbleibenden PIF von 30 bis 90 l/min erzeugen kann. Vorsatzkammern erleichtern dabei die Koordination von Auslösen und Einatmen, ein oft kritischer Punkt bei jungen Patienten. Im Vergleich zu Verneblern sind Dosieraerosole handlich, klein und können mit deutlich geringerem Zeitaufwand benutzt werden; auch die Grösse der Aerosolteilchen variiert nicht so stark wie bei Verneblern. Unter den treibgasbetriebenen, FCKW-freien Dosieraerosolen sind für Kinder vor allem sogenannte Lösungsaerosole zu empfehlen. Sie erzeugen insgesamt kleinere Wirkstoffteilchen, die leichter ihren Weg bis in die Bronchien finden. Die Maskeninhalation mit Dosieraerosolen kann bis zum zweiten Lebensjahr genau wie mit Verneblern erfolgen, indem eine Maske auf die Vorsatzkammer gesetzt wird. Um Aerosolverluste durch elektrostatische Kräfte zu reduzieren, sollte die Vorsatzkammer mit Spülmittel vorbehandelt werden oder eine spezielle Beschichtung aufweisen (z.B. Pari Vortex®).
Tabelle 1: Altersentsprechende Differenzialdiagnosen und Therapien bei bronchialer Obstruktion
Mögliche Ursache Säuglinge und infektiös, z.B. RS- und Kleinkinder Parainfluenzaviren
Diagnostik Erregerdiagnostik
2. bis 5. Lebensjahr
Mukoviszidose, angeborene Fehlbildungen der Lunge; Fremdkörperaspiration Nahrungsmittelallergien angeborene Immundefekte, Histiozystose-x
Asthma (allergisch vs. infektiös), Mukoviszidose
Röntgenthorax Schweisstest, evtl. Bronchoskopie Familienanamnese immunologische Basisabklärung, Röntgenthorax Allergietests
ab dem
allergisches Asthma,
6. Lebensjahr Mukoviszidose
Diagnostik i.d.R. bereits erfolgt
Empfohlene Therapie evtl. Steroide oder Kochsalzinhalation plus Beta-2-Sympathomimetika Operation bzw. Fremdkörperextraktion durch Bronchoskopie Nahrungskarenz evtl. Therapie der Grunderkrankung
antiphlogistische und symptomatische Therapie; evtl. Hyposensibilisierung meist antiphlogistische und antiobstruktive Dauerinhalation notwendig
Trockenpulverinhalatoren
Trockenpulverinhalatoren (DPI) sind ebenfalls im Hosentaschenformat erhältlich, eignen sich jedoch nur für ältere Kinder, denn meist kann erst ab dem Schulalter der für die Desagglomeration des Wirkstoffs notwendige PIF von mindestens 30 l/min (besser 60 l/min) generiert werden. Bei DPI wird also die Freisetzung des Medikaments erst durch den Einatmungsfluss ausgelöst, was unter anderem die Koordination erleichtert: Anders als zum Beispiel bei Dosieraerosolen kann zu frühes oder zu spätes Auslösen hier nicht die inhalierte Wirkstoffmenge reduzieren. Bei Patienten mit Laktoseintoleranz bestehen oft Bedenken bezüglich der DPI, da der Wirkstoff fast immer an Laktose gebunden ist; aufgrund der geringen Dosen sind jedoch keine klinischen Beschwerden zu erwarten. Eine Art Zwitter stellt der Autohaler® dar, ein Dosieraerosol, bei dem der Sprühstoss sowohl durch mechanisches Auslösen als auch durch einen Atemzug ausgelöst werden kann. Im Unterschied zu klassischen DPI muss jedoch der Einatmungsfluss nicht kurz und kräftig sein, sondern gleichmässig zwischen 30 und 60 l/min liegen; somit eignet sich der Autohaler® auch für jüngere Kinder.
Abbildung 2: Auswahl von Inhalationsgeräten für Kinder
Tabelle 2: Empfohlener Einsatz verschiedener Inhalationssysteme in Abhängigkeit vom Alter des Patienten
Inhalationssystem Vor- und Nachteile Dosieraerosol: klein; Koordination wichtig; PIF 30–90 l/min; zeitsparend; rel. homogenes Aerosolspektrum
Feuchtvernebler: gross; einfache Bedienung; PIF max. 30 l/min; rel. zeitaufwendig Trockenpulverinhalator: klein; einfache Bedienung, wenn PIF mind. 30 l/min
Zusatz
Vorsatzkammer und Maske Vorsatzkammer und Mundinhalation: Diese ist 10 x effektiver als mit Maske ohne Inhalationshilfe Maske über Mundstück
Alter des Patienten in Jahren
0–3 3–6 6–10 ab 10
+–
––
–+
++
–– +– (+) +
–+ –– ––
– (+)
++
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Wesentliches für die Praxis
• Vor Beginn einer Inhalationstherapie sollten altersentsprechende Differenzialdiagnosen beachtet werden.
• Auswahl des Inhalationsgerätes nach Alter, Vorlieben und Fähigkeiten des Patienten.
• Möglichst keine Maske verwenden, denn die Mundinhalation ist zehnmal effektiver. • Bei Maskeninhalation unbedingt auf dichtes Schliessen der Maske über Nase und
Mund achten. • Ein Therapieerfolg stellt sich nur bei guter Kooperation und Compliance des Patien-
ten und der richtigen Inhalationstechnik ein. • Die Erhaltungs- und Notfalltherapie sollte idealerweise mit gleichen Inhalations-
systemen durchgeführt werden.
Da sich die Symptome bei mangelhafter Technik nicht kontrollieren lassen, betrachten viele Patienten die Inhalationstherapie als unwirksam und brechen sie ab. Stellt sich nach vier bis acht Wochen der Behandlung keine Besserung ein, sollten zuerst der Patient beziehungsweise die Eltern befragt werden, ob regelmässig und korrekt inhaliert wurde; dabei sollte die Inhalation auch demonstriert und gegebenenfalls eine Nachschulung durchgeführt werden.
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Wolfgang Kamin Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Evangelisches Krankenhaus Hamm Werler Strasse 130 D-59063 Hamm E-Mail: wkamin@evkhamm.de
Gute Kooperation und richtige Technik = erfolgreiche Therapie
Generell stellt die Kooperation und die Compliance des Patienten/der Familie den wichtigsten Faktor für eine erfolgreiche Inhalationstherapie dar (7). Darüber hinaus sollte die Inhalationstechnik zuerst gut geschult und dann regelmässig geprüft werden (8), denn nur etwa ein Drittel der Kinder kann den korrekten Gebrauch von Inhalationssystemen allein nach verbalen Erläuterungen umsetzen. So wird für Dosieraerosole in der Regel ein ruhiges und tiefes Atmen empfohlen, während bei Pulverinhalatoren von Beginn an ein kräftiges Atemmanöver notwendig ist. Eine falsche Einatmungstechnik kann dazu führen, dass die verabreichten Medikamente nicht in die Lunge gelangen, sondern im Rachen hängen bleiben und schliesslich im Magen landen; dann ist auf jeden Fall die systemische Wirkung der Medikamentendosis zu gering, um die Beschwerden zu kontrollieren. Nicht empfehlenswert ist die gleichzeitige Verwendung verschiedener Inhalationssysteme für die Erhaltungs- und die Notfalltherapie, da Patienten oft nicht in der Lage sind, die grundverschiedenen Inhalationsmanöver der Geräte korrekt durchzuführen (9). Entsprechend ist das Fehlschlagen einer inhalativen Therapie oft nicht auf eine falsche Diagnose, ein falsches Medikament oder eine zu geringe Dosierung zurückzuführen.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift «Kinderärztliche Praxis» 5/2013. Der bearbeitete Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Literatur: 1. Janssens HM, Tiddens HA. Aerosol therapy: the special needs of young children. Paediatr Respir Rev 2006; 7 Suppl 1: 83–85. 2. Amirav I, Newhouse MT. Deposition of small particles in the developing lung. Paediatr Respir Rev 2012; 13 (2): 73–78. 3. Wildhaber J, Kamin W (Hrsg.). Inhalationstherapie im Kindes- und Jugendalter. 2. Aufl. UNI-MED Verlag AG, Bremen, 2010. 4. Rubin BK. Pediatric aerosol therapy: new devices and new drugs. Respir Care 2011; 56 (9): 1411–1423. 5. Walsh J et al. Delivery devices for the administration of paediatric formulations: overview of current practice, challenges and recent developments. Int J Pharm 2011; 415 (1–2): 221–231. 6. Lin HL et al. Influence of nebulizer type with different pediatric aerosol masks on drug deposition in a model of a spontaneously breathing small child. Respir Care 2012; 57 (11): 1894–1900. 7. Kamin W et al. The inhalation manager: a new computer-based device to assess inhalation technique and drug delivery to the patient. J Aerosol Med 2003; 16 (1): 21–29. 8. Pearce L. How to teach inhaler technique. Nurs Times 2011; 107 (8): 16–17. 9. Kamin W, Kreplin A. Schulung des Inhalationsmanövers bei Kindern mit Asthma bronchiale mittels optischem Feedback. Pneumologie 2007; 61 (3): 150–156.
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