Transkript
KONGRESSBERICHT EADV 2024
Anti-Aging
Der Hautalterung weiter auf der Spur
Wie altersschwache Zellen wieder verjüngt werden können, steht derzeit im Fokus der Altersforschung. Erste Substanzen, mit denen dies bewerkstelligt werden kann, sind bereits gefunden. Und es gibt noch weitere Ansatzpunkte, um nicht nur seneszente Fibroblasten wieder funktionstüchtig zu machen. Einige aktuelle Ergebnisse stellte Prof. Dr. Karin Scharffetter-Kochanek von der Universität Ulm auf dem EADVKongress vor.
Nicht nur das Alter, auch die Forschung dazu schreitet voran. Derzeit stehen vor allem die seneszenten Zellen (SZ), besonders die Fibroblasten, im Mittelpunkt, wie Prof. Scharffetter-Kochanek erläuterte. Unter Seneszenz verstehen Biologen Zellen, die sich nicht mehr teilen, nach und nach ihre Funktion verlieren, aber auch nicht abgebaut werden können. Denn sie werden vom ebenfalls gealterten Immunsystem, das heisst den seneszenten Killerzellen, nicht erkannt. Zudem verändert sich die Chemokin-Sekretion der alternden Zellen. Bei diesem sogenannten «Seneszenz-assoziierten sekretorischen Phänotyp» (SASP) werden mehr proinflammatorische Zytokine freigesetzt (Förderung chronischer Entzündungen), weniger essenzielle Wachstumsfaktoren produziert (Reduktion der Proliferation) und proteolytische Enzyme aktiviert, die den Abbau der extrazellulären Matrix einschliesslich matrixabbauender Metalloproteinasen fördern (1).
Je mehr seneszente Zellen, desto schneller altert der Mensch Da Fibroblasten als Baustein aller Stützgewebe in nahezu allen Organen vorkommen, erklärt dies, dass mit dem TransmitterMix der Alt-Fibroblasten Alterserkrankungen vorangetrieben werden. Und je mehr dieser SZ im Körper akkumulieren, desto schneller altert der Mensch. Dass die SZ tatsächlich ein wesentlicher Faktor für die Alterung sind, haben Untersuchungen an Hochbetagten bestätigt. Bei Menschen, die sehr alt werden, wie z.B. die Französin Jeanne Calment, die mit 122 Jahren gestorben ist, konnten nur wenige dieser seneszenten Fibroblasten in der Haut nachgewiesen werden. Doch je mehr dieser Zellen vorhanden sind, desto gebrechlicher und von Alterserkrankungen geplagt ist der betroffene Mensch. Anders ausgedrückt: die Zahl der seneszenten Zellen spiegelt das biologische Alter wider, so Prof. ScharffetterKochanek (2).
Darüber hinaus häufen sich SZ bei mehreren chronischen Krankheiten an, wie z.B. Fettleibigkeit und chronische Nierenerkrankung. Die Persistenz seneszenter Zellen und ihres SASP stört die Gewebestruktur und -funktion, was zu parakrinen und systemischen Störungen und langfristig zu Fibrose, Entzündungen und krebserregenden Reaktionen führt.
Jüngere Haut mit Casin Wie kann jedoch die Zahl der seneszenten Zellen gesenkt werden, zumal sie immer mehr werden, da sie nicht mehr vom Immunsystem entfernt werden können? Um den Abbau der SZ zu fördern, sollte also zunächst das Immunsystem, d.h. die natürlichen Killerzellen, verjüngt werden. Das lässt sich offenbar mit dem niedermolekularen Inhibitor Casin bewerkstelligen. Casin hemmt in den hämatopoetischen Stammzellen das Enzym Cdc42, was wiederum zu funktionsfähigen Killerzellen führt, die dann die SZ abbauen können, erläuterte Prof. Scharffetter-Kochanek (3).
Weniger SZ bedeuten dann auch weniger SASP. Und das wirkt sich auf den Alterungsprozess auf der Haut aus, was sich bereits im Tierversuch nachweisen lässt. Casin wurde als subkutane Injektion oder als Topikum Mäusen verabreicht (4). Darunter erhöhten sich sowohl die epidermale und dermale Hautdicke, die dermal-epidermale Verbindung verbesserte sich, und auch die Synthese von Kollagen- und elastischen Fasernm wurde stimuliert. Die Anti-Aging-Effekte hielten bei beiden Applikationsformen 21 Tage an. Darüber hinaus wurde in vitro festgestellt, dass Casin die Proliferation und Differenzierung der primären Keratinozyten in gealterter Haut wiederherstellt.
Senolytikum Dasatinib + Quercetin Bei der Suche nach weiteren Wegen, die SZ-Menge zu senken, sind die Altersforscher derzeit dabei, eine neue Wirkstoffklasse zu etablieren: die Senolytika. Sie deaktivieren vorübergehend die überlebensfördernden Netzwerke, die seneszente Zellen gegen die Apoptose schützen, ohne proliferierende oder ruhende, differenzierte Zellen zu beeinträchtigen.
Zu den bisher getesteten Senolytika gehören Dasatinib (D) – ein von der FDA zugelassener Tyrosinkinase-Hemmer – und Quercetin (Q) – ein Flavonoid, das in vielen Obst- und Gemüsesorten vorkommt. In einer Pilotstudie bekamen neun Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung drei Tage lang oral D 100 mg und Q 1000 mg. Elf Tage nach der Therapie hatten sowohl im Fettgewebe wie auch in der Epidermis die Zahl der SZ im Vergleich zum Ausgangswert abgenommen (5).
dermatologie & ästhetische medizin 1 | 2025
5
KONGRESSBERICHT EADV 2024
Bcl-2-Hemmer leiten SZ-Apoptose ein Ebenfalls als Senolytika kommen die Hemmstoffe von Bcl-2 in Betracht. Bcl-2 ist ein Regulatorprotein, das von Tumorzellen überexprimiert wird, was die Apoptose von Zellen verhindert. Wird Bcl-2 blockiert, wird die Apoptose eingeleitet. Da liegt es nahe, zu testen, ob sich mit Bcl-2-Hemmern auch bei den SZ der programmierte Zelltod auslösen lässt. Im Mausmodell wurden nun die Bcl-2-Inhibitoren ABT-263 (als Navitoclax bereits Gegenstand der Krebsforschung) und ABT-737 untersucht. Jungen und gealterten haarlosen Mäusen wurden 10 Tage lang intradermal ABT-263 und ABT-737 in die Rückenhaut injiziert. Ergebnis: ABT-263 und ABT-737 induzieren die selektive Clearance von seneszenten dermalen Fibroblasten. Gealterte Maushaut, die mit ABT-263 oder ABT-737 behandelt wurde, zeigte eine erhöhte Kollagendichte, erhöhte epidermale Dicke und Proliferation von Keratinozyten sowie verminderte SASP; vor allem nahmen die Spiegel von Metalloproteinase-1 (MMP-1) und IL-6 ab (6).
Urolithin A bringt Mitochondrien in Schwung ... In der Altersforschung stehen nicht nur die SZ selbst, sondern auch ihre inneren Strukturen und hier besonders die Mitochondrien im Fokus. Denn auch die Energiekraftwerke der Zelle altern. So produzieren die Mitochondrien in jungen Zellen viel ATP (den «Kraftstoff») und nur wenig freie SauerstoffRadikale (ROS). In seneszenten Zellen ist dies umgekehrt. Damit die ROS weniger Unheil anrichten, kommt es zur Mitophagie, das heisst die schadhaften Mitochondrien werden zerstört. Aber auch dieser Prozess leidet mit Fortschreiten der Lebenszeit.
Doch diesem Alterungsprozess kann entgegengewirkt werden. Urolithin A (UA) ist ein natürlicher Metabolit aus der Nahrung, der aus der Mikroflora gewonnen wird und nachweislich die Mitophagie stimuliert. In Gewebemodellen und in Versuchen mit alten Tieren konnte so die Muskelgesundheit verbessert werden. Und das funktioniert auch klinisch: Gesunde ältere Probanden erhielten über vier Wochen 500 mg oder 100 mg. Ausser der Sicherheit des Produkts konnte festgestellt werden, dass sich die mitochondriale Genexpression der Skelettmuskulatur bei den älteren Personen verbesserte (7).
... und bessert Falten Und auch auf die Haut hat Urolithin A offenbar positive Effekte: In drei separaten randomisierten Studien wurde die Wirkung von topischem Urolithin A auf die Hautalterung und auf UVBgeschädigte Haut untersucht (8).
In der Alterungsstudie 1 wurden 48 postmenopausale Frauen mit deutlich gealterter Haut (z.B. Faltenbildung mindestens Grad 3, Krähenfüsse) eingeschlossen. Eine Gruppe trug eine 0,5%ige UA-Creme auf die eine Gesichtshälfte auf, und auf die andere Plazebo. Die zweite Gruppe behandelte jeweils die Hälfte des Gesichts mit 1%iger UA-Creme bzw. mit Plazebo. Nach Studienende in Woche 8 konnte in der Gruppe mit der höher dosierten (1%igen) Urolithin-A-Creme nachgewiesen werden, dass in den Hautbiopsien die Kollagensynthesewege signifikant nach oben reguliert worden waren. Und
auch die Faltentiefe hatte abgenommen. Die niedrigere Dosis hatte weder auf die Kollagensynthese noch auf die Falten signifikante Auswirkungen.
In der zweiten Splitface-Untersuchung lag der Fokus auf der Art der topischen Anwendung. Alle 108 Probanden – Männer und Frauen – behandelten die Hälfte ihres Gesichtes mit 1%igem Urolithin A entweder als Tages-, als Nachtcreme oder als Serum. Im Vergleich zur unbehandelten Seite konnte unter UA eine signifikante Faltenreduktion festgestellt werden – unabhängig von der Applikationsform.
Für die Studie zur Lichtschädigung wurden topische Pflaster mit 0,5% oder 1% UA-Creme oder Plazebo-Creme für 24 Stunden nach der UVB-Bestrahlung aufgetragen. Ergebnis: Unter dem 1%igen UA-Pflaster nahm das UV-induzierte Erythem signifikant um etwa 14 Prozent ab im Vergleich zum unbehandelten Bereich. Unter Plazebo- und UA-Creme mit niedrigerer Dosis ergaben sich keine Vorteile. Zudem hemmte die UA-Creme auch den Kollagenabbau und die proinflammatorischen Signalwege; darüber hinaus regulierte sie die Genexpression von Biomarkern, die mit der Induktion von Mitophagie und Autophagie in menschlichen Hautzellen verbunden sind.
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Session «Skin aging and rejuvenation» beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), am 27. September 2024 in Amsterdam (NL)
Referenzen: 1. Wlaschek M et al.: Connective Tissue and Fibroblast Senescence in Skin
Aging. J Invest Dermatol. 2021;141(4S):985-992. doi:10.1016/j. jid.2020.11.010 2. Waaijer ME et al.: The number of p16INK4a positive cells in human skin reflects biological age. Aging Cell. 2012;11(4):722-725. doi:10.1111/j.1474-9726.2012.00837.x 3. Leins H et al.: Aged murine hematopoietic stem cells drive aging-associated immune remodeling. Blood. 2018;132(6):565-576. doi:10.1182/ blood-2018-02-831065 4. Zhang Y et al.: CASIN exerts anti-aging effects through RPL4 on the skin of naturally aging mice. Aging Cell. Online Version of Record before inclusion in an issue, 2024. doi:10.1111/acel.14333 5. Hickson LJ et al.: Senolytics decrease senescent cells in humans: Preliminary report from a clinical trial of Dasatinib plus Quercetin in individuals with diabetic kidney disease. [published correction appears in EBioMedicine. 2020; 52:102595. doi: 10.1016/j.ebiom.2019.12.004]. EBioMedicine. 2019; 47:446-456. doi:10.1016/j.ebiom.2019.08.069 6. Kim H et al.: Attenuation of intrinsic ageing of the skin via elimination of senescent dermal fibroblasts with senolytic drugs. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2022;36(7):1125-1135. doi:10.1111/jdv.18051 7. Andreux PA et al.: The mitophagy activator urolithin A is safe and induces a molecular signature of improved mitochondrial and cellular health in humans. Nat Metab. 2019;1(6):595-603. doi:10.1038/ s42255-019-0073-4 8. D’Amico D et al.: Topical application of Urolithin A slows intrinsic skin aging and protects from UVB-mediated photodamage: Findings from Randomized Clinical Trials. medRxiv 2023; doi: https://doi. org/10.1101/2023.06.16.23291378
6 dermatologie & ästhetische medizin 1 | 2025