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Titel
Hausarztmedizin – Die finanzielle Aufwertung der medizinischen Grundversorgung ist entscheidend
Untertitel
Dr. med. Isabelle Fuss Hausarztpraxis MZ Brugg
Lead
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Datum
Autoren
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Rubrik
Rückblick 2024 / Ausblick 2025
Artikel-ID
81116
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RÜCKBLICK | AUSBLICK

Hausarztmedizin
Dr. med. Isabelle Fuss Hausarztpraxis MZ Brugg
«Die finanzielle Aufwertung der medizinischen Grundversorgung ist entscheidend»
Welche neuen Erkenntnisse des letzten Jahres fanden Sie für Ihr Fachgebiet besonders spannend? In der Allgemeinmedizin gewinnt die Prävention zunehmend an Bedeutung, besonders die Sekundärprävention ist in der Sprechstunde zentral. Zum Beispiel bei übergewichtigen Patientinnen und Patienten mit Knieschmerzen oder solchen mit erhöhtem HbA1c im Prädiabetesbereich setzen wir gezielt auf die Motivation zu Lifestyle-Änderungen wie gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung. Persönlich hatte mich die hohe Gewichtung tierischer Lebensmittel in der Nahrungsmittelpyramide gestört, da aktuelle Studien zunehmend die Vorteile einer überwiegend pflanzlichen Ernährung belegen. Erfreulicherweise wurde die Pyramide nun überarbeitet, und anstelle von tierischem Eiweiss werden vor allem pflanzliche Eiweisse wie Hülsenfrüchte und Tofu empfohlen. Aus ethischen Gründen bin ich seit vier Jahren Vegetarierin und integriere regelmässig vegane Gerichte in meine Ernährung. Die Vielfalt und der Geschmack der veganen Küche sind beeindruckend, und ich hoffe, dass die neuen Empfehlungen mehr Menschen dazu anregen, sich damit auseinanderzusetzen.
Die künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde und hat in der Medizin in gewissen Bereichen bereits Einzug gehalten. Wie stehen Sie dazu? Ich habe einige Erfahrungen mit ChatGPT gesammelt, doch bisher spielt es in meinem Alltag keine wesentliche Rolle. In unserer Gruppenpraxis verwenden wir Microsoft Teams für die interne Kommunikation, was interaktive Möglichkeiten bietet und auch als Online-Meeting-Tool genutzt werden kann. Neu nutze ich den Microsoft-KI-Assistenten Copilot, um etwa E-Mails zu verfassen oder eine Traktandenliste zu erstellen. Wie bei allen neuen Tools erfordert es etwas Zeit, um herauszufinden, wie man sie effektiv einsetzt. Während ich Copilot in meiner Outlook-App auf dem Handy nutzen kann, steht er auf dem Desktop nicht zur Verfügung. Den Grund dafür kann ich aktuell nicht nachvollziehen. Insgesamt denke ich, dass sich unsere Arbeit in den nächsten Jahren deutlich ändern wird, und träume davon, dass KI mir bei der Bearbeitung von Versicherungsberichten hilft. Kürzlich entdeckte ich den Podcast «docsdigital», in dem eine Neurologin die Verbindung zwischen Medizin und

Healthtech herstellt und nützliche Tools für den Praxisalltag vorstellt. Besonders interessant fand ich den Telefonassistenten von VITAS sowie den AI Assistant von jameda, der die Sprechstunde dokumentiert. Das werde ich mir sicher näher ansehen.
Gab es im vergangenen Jahr einen Fall in Ihrer Praxis, der Sie besonders beschäftigt oder berührt hat? Kürzlich hatten wir eine Schmerzpatientin mit Opiattherapie, die unsere gesamte Gruppenpraxis, die Apotheke und die beteiligten Spezialisten beschäftigte. Obwohl sie zunächst kooperativ erschien, gab sie den beteiligten Fachpersonen widersprüchliche Informationen. Im direkten Gespräch mit ihr wurde deutlich, dass sie nicht an einer konstruktiven Lösung interessiert war, sondern lediglich Rezepte nach Bedarf ohne Konsultation wünschte. Dies widerspricht der kontrollierten Schmerzbehandlung, und wir haben die weitere hausärztliche Behandlung abgelehnt. Leider erlebe ich es immer wieder, dass unsere Hilfsbereitschaft in solchen Situationen kontraproduktiv sein kann und uns selbst einiges an Ärger bereitet.
Was hat Sie als Hausärztin 2024 am meisten gefreut? Was hat Sie am meisten geärgert? Die Entscheidung, TARDOC im Januar 2026 einzuführen, hat mich sehr erfreut. Der Rückschlag kam jedoch schnell, als sich herausstellte, dass auch die nicht ausgereiften und nicht sachgerechten Pauschalen eingeführt werden und beide Tarife gesamthaft kostenneutral umgesetzt werden müssen. Dies birgt einige Risiken, und die Auswirkungen sind aktuell unklar. Ich hoffe, dass die Tarife laufend sinnvoll angepasst werden und damit eine gute medizinische Versorgung unterstützen. Haus- und Kinderärzte leisten essenzielle Arbeit in der medizinischen Grundversorgung. Gut ausgebildete Fachkräfte können die meisten medizinischen Probleme eigenständig und abschliessend behandeln und verursachen dabei nur einen kleinen Teil der Gesundheitskosten. Der Mangel wird zunehmend spürbar und führt zu einem Mehraufwand auf den Notfallstationen und bei den Spezialisten. Die Koordination komplexer medizinischer Situationen lässt sich ambulant kaum aus dem Spital heraus realisieren, was die Behandlungsqualität mindert und gleichzeitig die Kosten erhöht.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft, medizinisch wie gesundheitspolitisch? Die finanzielle Aufwertung der medizinischen Grundversorgung ist entscheidend und soll durch TARDOC erreicht werden. Ich hoffe, dass wir dies erfolgreich umsetzen können. Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten entwickeln sich rasant weiter und verbessern die Lebensqualität. Es wäre wünschenswert, dass die Kostendiskussionen in den Hintergrund treten und die herausragenden Leistungen unseres Gesundheitssystems mehr gewürdigt werden, denn diese sind keineswegs selbstverständlich.

12 ars medici  1 | 2025