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UEG-WEEK
Funktionelle Dyspepsie
Fragen Sie nach dem Hauptsymptom
Das Management der funktionellen Dyspepsie ist weitgehend empirisch, auch bei therapierefraktären Patienten. Prof. Dr. Jan Tack, Universitätsspital Leuven (BE), erläuterte am Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week), welche Therapieoptionen bei dieser Erkrankung zur Verfügung stehen.
Bei der Dyspepsie wird angenommen, dass die Symptome vom Gastroduodenum verursacht werden. Um eine organische Ätiologie auszuschliessen, sollte eine Endoskopie durchgeführt werden. Diese ist in über 70% der Fälle negativ, womit bei den meisten von einer funktionellen Dyspepsie ausgegangen werden kann. Diese unterteilt sich weiter in ein mahlzeitenabhängiges «postprandial distress syndrome» (PDS) mit frühzeitiger Sättigung, postprandialem Völlegefühl und anderen postprandialen Symptomen und in ein mahlzeitenunabhängiges «epigastric pain syndrome» (EPS) mit epigastrischem Schmerz und Brennen (1). Die meisten Patienten haben jedoch noch andere begleitende Symptome. Dazu gehören Blähungen, Nausea, Sodbrennen und Aufstossen.
Gemäss dem Konsensus-Papier der UEG zum Management der funktionellen Dyspepsie empfiehlt sich bei positivem Test die Eradizierung von Helicobacter pylori (Number needed to treat [NNT] = 14) während mindestens 12 Monaten (2). Eine Therapie < 12 Monate zeigt keinen Nutzen, wie ein systematischer Review mit Metaanalyse ergab (3).
Des Weiteren ist eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI) empfohlen (2). Die Wirkung des PPI sei dosisunabhängig, eine Erhöhung der Dosis bei Ausbleiben eines Effekts sei daher nutzlos, so Prof. Tack. Ein Ansprechen der PPI-Therapie festige ausserdem auch die Diagnose einer gastroösophaghealen Refluxkrankheit (GERD).
Bei Vorliegen eines PDS kann gemäss Prof. Tack zudem eine Therapie mit einem Prokinetikum versucht werden. Bei Patienten mit epigastrischen Schmerzen kommt zusätzlich zur Säurehemmung ein trizyklisches Antidepressivum wie Amitriptylin zum Einsatz.
KURZ UND BÜNDIG
• Bei Dyspepsie organische Ursachen ausschliessen. • Die Therapie der funktionellen Dyspepsie ist weitgehend
empirisch. • Bei therapierefraktärer funktioneller Dyspepsie nach dem
refraktären Symptom fragen und dieses gezielt behandeln.
Vorgehen bei therapierefraktärer funktioneller Dyspepsie Bleiben diese Massnahmen ohne Effekt, muss von einer refraktären funktionellen Dyspepsie ausgegangen werden. Bei diesen Patienten könnte eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) oder Hypnotherapie ausgesprochen hilfreich sein, wie Prof. Tack erklärte, die Evidenz dazu sei aber spärlich.
Bei therapierefraktären Patienten lohne es sich, die Frage nach dem refraktären Symptom zu stellen. Viele Patienten mit therapierefraktärer funktioneller Dyspepsie verlieren Gewicht. In diesem Fall sollten auch Erkrankungen wie beispielsweise Schilddrüsendysfunktion, Zöliakie, Giardiasis, Malabsorption oder Darmkrebs ausgeschlossen werden, bei jungen Patienten eventuell auch Essstörungen.
Als Therapie gegen den Gewichtsverlust können appetitstimulierende Antidepressiva wie Mianserin oder Mirtazapin versucht werden. In einer eigenen, kleinen, doppelblind randomisierten und plazebokontrollierten Studie über acht Wochen mit Mirtazapin 15 mg/Tag erfolgte eine Gewichtszunahme aufgrund einer Reduktion der Dyspepsiesymptomschwere, der Verringerung einer frühen Sättigung sowie der zunehmenden Verträglichkeit von Mahlzeiten, wie Prof. Tack berichtete. Die Lebensqualität der Patienten unter Mirtazapin stieg ebenfalls (4). Die Patienten hatten zuvor im Durchschnitt 12,7 kg abgenommen und verzeichneten nach acht Wochen Mirtazapin eine Zunahme um etwa 4 kg (Plazebo: 0 kg) und nach weiteren acht Wochen in der offenen Verlängerung um gesamthaft 6,5 kg (4). Die Patienten, die aus der Plazebogruppe nach acht Wochen auf Mirtazapin umstiegen, nahmen in den zweiten acht Wochen zirka 3 kg zu (4).
Führen die Massnahmen bei refraktärer Dyspepsie nicht zum gewünschten Erfolg, sollte eine Computertomografie (CT) des oberen Abdomens durchgeführt werden. Bei fehlendem Befund folgt eine Dünndarmmanometrie zum Ausschluss einer intestinalen Dysmotilität beziehungsweise von Obstruktionen oder neuromuskulären Erkrankungen. Ohne Ergebnis sollte im äussersten Fall auch eine künstliche Ernährung erwogen werden, jedoch laut dem gemeinsamen Positionspapier der European Society of Clinical Nutrition & Metabolism, der European Society of Neurogastroenterology and Motility und der Rome Foundation möglichst enteral (5), wie der Referent erklärte.
16 congressselection gastroenterologie | Februar 2025
UEG-WEEK
Wenn Schmerzen stören Viele Patienten mit therapierefraktärer funktioneller Dyspepsie leiden auch unter Schmerzen. Ein guter Weg sei laut dem Referenten der Beginn einer Therapie mit einem trizyklischen Antidepressivum wie beispielsweise Amitriptylin 5–50 mg, bei Ansprechen während mindestens sechs Wochen.
Bei fehlender Response sollte mittels CT eine vaskuläre pankreatische Erkrankung ausgeschlossen werden. Bleibt das CT unauffällig, kann eine Therapie mit weiteren Neuromodulatoren versucht werden. Sulpirid ist ein atypisches Antipsychotikum und verringert laut Prof. Tack nebenbei auch die Magensensitivität und wirkt damit schmerzlindernd, wie eine Studie nach 60 Tagen Anwendung zeigte. Dabei verschwanden auch alle anderen Dyspepsiesymptome (6). Auch Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Duloxetin und Nortriptylin sind einen Versuch wert. In einer jüngeren Vergleichsstudie bei Dyspepsiepatienten waren beide Substanzen wirksam, allerdings scheint Nortriptylin die Dyspepsiesymptome stärker zu reduzieren (7).
Gabapentin wurde in dieser Indikation in einer Open-Label-Studie ebenfalls untersucht. Alle Dyspepsiesymptome inklusive der Schmerzen, ausser Blähungen, verbesserten sich im Vorher-Nachher-Vergleich signifikant (8). Zusammen mit einem PPI ist die Schmerzkontrolle einer weiteren Untersuchung zufolge noch ausgeprägter (9). Auch Pregabalin zeigte sich wirksam in der Linderung von epigastrischen Schmerzen bei funktioneller Dyspepsie (10).
Können all diese Massnahmen die Schmerzen nicht ausreichend bessern, sollte eine Darm-Hirn-Verhaltenstherapie oder die Überweisung in eine Schmerzklinik erwogen werden.
Wenn Nausea und Erbrechen nicht aufhören Persistieren bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie Übelkeit und Erbrechen trotz aller Massnahmen, sollte eine Störung der Magenentleerung abgeklärt werden. Eine verzögerte Magenentleerung sollte wie eine Gastroparese behandelt werden, namentlich mit diätetischer Therapie, Dopamin-2Antagonisten (z.B. Domperidon, Droperidol), 5-HT4-Rezeptoragonisten (z.B. Metoclopramid) und Ernährungsunterstüt-
zung (11). Ist die Magenentleerung jedoch nicht verzögert, kann versucht werden, die Symptome empirisch mit Antiemetika (z.B. Ondansetron, Aprepitant), Prokinetika (z.B. Metoclopramid), Antipsychotika (z.B. Chlorpromazin), Antidepressiva (z.B. Amitriptylin) oder Scopolamin zu behandeln.
Valérie Herzog
Quelle: «GORD Therapy Update: Functional Dyspepsia Management». Jahreskongress der United European Gastroenterologists (UEG-Week), 13. bis 15. Oktober 2024, in Wien
Referenzen: 1. Stanghellini V et al.: Gastroduodenal Disorders. Gastroenterology.
2016;150(6):1380-1392. doi:10.1053/j.gastro.2016.02.011 2. Wauters L et al.: United European Gastroenterology (UEG) and
European Society for Neurogastroenterology and Motility (ESNM) consensus on functional dyspepsia. United European Gastroenterol J. 2021;9(3):307-331. doi:10.1002/ueg2.12061 3. Ford AC et al.: Efficacy of Helicobacter pylori eradication therapy for functional dyspepsia: updated systematic review and meta-analysis. Gut. 2022. doi:10.1136/gutjnl-2021-326583 4. Tack J et al.: Efficacy of Mirtazapine in Patients With Functional Dyspepsia and Weight Loss. Clin Gastroenterol Hepatol. 2016;14(3):385-392.e4. doi:10.1016/j.cgh.2015.09.043 5. Lal S et al.: Avoiding the use of long-term parenteral support in patients without intestinal failure: A position paper from the European Society of Clinical Nutrition & Metabolism, the European Society of Neurogastroenterology and Motility and the Rome Foundation for Disorders of Gut-Brain Interaction. Neurogastroenterol Motil. 2024;36(9):e14853. doi:10.1111/nmo.14853 6. Lozano R et al.: Effectiveness and safety of levosulpiride in the treatment of dysmotility-like functional dyspepsia. Ther Clin Risk Manag. 2007;3(1):149-155. doi:10.2147/tcrm.2007.3.1.149 7. Banihashem SS et al.: Comparing the efficacy of duloxetine and nortriptyline in alleviating the symptoms of functional dyspepsia - a randomized clinical trial. Front Psychiatry. 2024;14:1297231. doi:10.3389/fpsyt.2023.1297231 8. Staller K et al.: Gabapentin Improves Symptoms of Functional Dyspepsia in a Retrospective, Open-label Cohort Study. J Clin Gastroenterol. 2019;53(5):379-384. doi:10.1097/MCG.0000000000001034 9. Shafigh-Ardestani MH et al.: Evaluating the Effect of Oral Gabapentin on the Improvement of Gastrointestinal Symptoms in Patients with Functional Dyspepsia Resistant to Conventional Treatments. Adv Biomed Res. 2019;8:53. doi:10.4103/abr.abr_234_18 10. Kotikula I et al.: Randomised clinical trial: the effects of pregabalin vs placebo on functional dyspepsia. Aliment Pharmacol Ther. 2021;54(8):1026-1032. doi:10.1111/apt.16588 11. Schol J et al.: United European Gastroenterology (UEG) and European Society for Neurogastroenterology and Motility (ESNM) consensus on gastroparesis. United European Gastroenterol J. 2021;9(7):883-884. doi:10.1002/ueg2.12090
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