Transkript
BERICHT
Oraler selektiver Januskinase1-Inhibitor
Neue Langzeitperspektiven für die Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen
Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn stellen sowohl Patienten als auch behandelnde Ärzte vor grosse Herausforderungen. Eine frühe Einleitung der Behandlung sowie das Erreichen strenger Therapieziele können die Prognose der Betroffenen verbessern. Mit dem seit Mitte des Jahres in beiden Indikationen zugelassenen selektiven JAK1-Inhibitor Upadacitinib wurde das Armamentarium noch einmal um eine potente Option erweitert.
Früher war nicht alles besser, zumindest, wenn es um chronisch entzündliche Darmerkrankungen (IBD) geht. Die Therapien waren häufiger empirisch und leider oft auch wenig effektiv. Noch in den 1930er-Jahren verstarben bis zu ein Drittel der Patienten, die mit einer schweren Colitis ulcerosa ins Spital eingeliefert wurden, wie Prof. Luc Biedermann, Universitätsspital Zürich, im Rahmen eines Medienroundtables betonte. Heute ist ein tödlicher Verlauf glücklicherweise sehr selten. Das hat mit der Entwicklung von wirksamen Medikamenten zu tun: Ein erster Durchbruch gelang in den 1950er-Jahren mit der Einführung der systemischen Steroide, es folgten Tumornekrosefaktor(TNF)- und Januskinase(JAK)Inhibitoren sowie Substanzen mit anderen Wirkmechanismen. Gleichzeitig musste man leider auch lernen, dass vorgängige Therapien das Ansprechen auf weitere beeinträchtigen können. Umso wichtiger sind Substanzklassen und Substanzen, die auch bei vorbehandelten Patienten Wirkung zeigen.
IBD – immer noch gravierende Einschränkungen im Alltag
Im Alltag geht es für Betroffene um mehr als ihre Darmsymptome.
53% der Patienten mit Colitis ulcerosa berichten, dass die Erkrankung
ihr Leben dominiere, deutlich mehr als bei Patienten mit Asthma
(19%), Migräne (37%) und rheumatoider Arthritis (44%). 84% der
Betroffenen sorgen sich um Langzeiteffekte, 82% empfinden mehr
Stress und 62% fühlen sich depressiv. Auch eine weitere Befragung
zeigt, dass moderate bis schwere Einschränkungen in der Lebensquali-
tät bei CED-Patienten nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind (9).
Ein Symptom macht diese Einschränkung besonders deutlich, die
Dringlichkeit (fecal urgency). Nur wenige Patienten leiden nicht darun-
ter. Mehr als ein Drittel muss innerhalb von zwei oder zwei bis fünf
Minuten ein WC aufsuchen (10). Rund 40% der europäischen Patien-
ten mit Colitis ulcerosa geben zudem an, dass sie ≥ einmal pro Woche
oder sogar jeden Tag eine Windel tragen.
Mü
Strenge Ziele helfen, die Prognose zu verbessern
Für die Patienten steht die Kontrolle der klinischen Symptome im Vordergrund. Aber gelingt es längerfristig nicht, auch die Entzündung in den Griff zu bekommen, kann das Gewebe geschädigt werden und die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Therapie nimmt ab. Strebt man als Ziel dagegen eine mukosale Heilung an – eine komplette Entzündungsfreiheit der Mukosa – können bessere klinische Ergebnisse, weniger Hospitalisationen, weniger Operationen und ein geringerer Steroideinsatz erreicht werden (1). Die STRIDE-IILeitlinien empfehlen einen «Treat-to-Target»-Algorithmus für das Erreichen ausgewählter kurz-, mittel- und langfristiger Behandlungsziele (2). Selbst bei einer guten medizinischen Versorgung wie in Europa werden diese Ziele allerdings bislang von jedem Zweitem nicht erreicht, wie Biedermann berichtete (siehe Kasten).
Upadacitinib: Phase-III-Studienprogramm hat überzeugt
Prof. Alain Schöpfer, Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV), präsentierte die aktuellen Daten, die zur Doppelzulassung von Upadacitinib (Rinvoq®) geführt haben. Im Phase-III-Studienprogramm wurden sowohl kurz- als auch langfristige Therapieziele adressiert. Schon vom ersten Tag an kann bei Patienten mit Colitis ulcerosa mit Upadacitinib* eine Linderung der abdominellen Symptome erzielt werden. Sowohl Patienten, die zuvor nicht ausreichend auf Biologika reagiert oder diese nicht vertragen haben (BIO-IR), als auch biologikanaive Patienten sprachen schnell auf den JAK1Hemmer an (3). Auch eine Mukosaheilung (endoskopische Verbesserung) konnte in der BIO-IR-Population bereits nach einer achtwöchigen Induktionsphase erzielt werden (4). Bei bis zu 59% der BIO-IR-Patienten mit Colitis ulcerosa war eine solche auch in der Erhaltungsphase (Woche 52) zu verzeichnen (5). Die Substanz erwies sich als gut verträglich, und es wurden keine neuen Sicherheitssignale beobachtet (5).
* eine Tablette Upadacitinib einmal täglich; Induktionsphase: 45 mg, Erhaltungsphase: 15 oder 30 mg
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BERICHT
Auch Patienten mit Morbus Crohn (MC) konnten unter Upadacitinib ab der ersten Woche eine schnelle Linderung ihrer abdominalen Beschwerden erreichen (6). Bei 60% der Patienten, die in der zwölfwöchigen Induktionsphase eine klinische Remission erzielten, war diese unter Upadacitinib (30 mg) auch in Woche 52 anhaltend (7, 8). Eine mukosale Heilung, definiert als ulkusfreie Endoskopie, kann bei dieser Patientengruppe schon ab Woche 12 beobachtet werden (7, 8). In Woche 52 erreichten bis zu 20% der Patienten diesen Endpunkt (8). Und auch bei diesen Patienten seien keine neuen Sicherheitssignale verzeichnet worden, berichtete Schöpfer.
Fazit
Mit der Doppelzulassung von Upadacitinib steht für Patien-
ten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver Erkrankung, die
zuvor auf Biologika nicht ausreichend angesprochen oder
diese nicht vertragen haben, eine neue Behandlungsoption
zur Verfügung: Ein schnelles Ansprechen, eine über ein Jahr
anhaltende Remission sowie eine mukosale Heilung sind
damit für immer mehr Patienten mit Colitis ulcerosa und
Morbus Crohn erreichbar.
s
Christine Mücke
Quelle: «IBD-Update: Kraftvoll gegen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn», AbbVie Medien-Round-Table, 25. Juni 2024 in Zürich.
Referenzen: 1. Neurath MF et al.: Different levels of healing in inflammatory bowel di-
seases: mucosal, histological, transmural, barrier and complete healing. Gut. 2023;72(11):2164-2183. 2. Turner D et al.: STRIDE-II: An Update on the Selecting Therapeutic Targets in Inflammatory Bowel Disease (STRIDE) Initiative of the International Organization for the Study of IBD (IOIBD): Determining Therapeutic Goals for Treat-to-Target strategies in IBD. Gastroenterology. 2021;160(5):1570-1583. 3. Loftus EV Jr et al.: Upadacitinib Therapy Reduces Ulcerative Colitis Symptoms as Early as Day 1 of Induction Treatment. Clin Gastroenterol Hepatol. 2023;21(9):2347-2358.e6. 4. Danese S et al.: Upadacitinib as induction and maintenance therapy for moderately to severely active ulcerative colitis: results from three phase 3, multicentre, double-blind, randomised trials. Lancet. 2022;399(10341): 2113-2128. Incl. Suppl. 5. Vermeire S et al.: Efficacy and safety of upadacitinib maintenance therapy for moderately to severely active ulcerative colitis in patients responding to 8 week induction therapy (U-ACHIEVE Maintenance): overall results from the randomised, placebo-controlled, double-blind, phase 3 maintenance study. Lancet Gastroenterol Hepatol. 2023; 8(11):976-989. Incl. Suppl. 6. Colombel JF et al.: Upadacitinib Reduces Crohn›s Disease Symptoms Within the First Week of Induction Therapy. Clin Gastroenterol Hepatol. 2024;22(8):1668-1677. 7. Loftus EV Jr et al.: Upadacitinib Induction and Maintenance Therapy for Crohn›s Disease. N Engl J Med. 2023;388(21):1966-1980. Incl. Suppl. 8. Fachinformation Upadacitinib, www.swissmedicinfo.ch 9. Keller et al.: Quality of life in inflammatory bowel diseases: it is not all about the bowel. Intestinal Research. 2021;19(1):45-52. 10. Schreiber S et al.: Patient and Health Care Professional Perceptions of the Experience and Impact of Symptoms of Moderate-to-Severe Crohn›s Disease in US and Europe: Results from the Cross-Sectional CONFIDE Study. Dig Dis Sci. 2024;69(7):2333-2344.
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