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BERICHT
Highlights vom europäischen Kardiologenkongress ESC
Adipositas als Krankheitstreiber ist in den Vordergrund gerückt
32 000 Besucher haben am diesjährigen Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) teilgenommen – das ist der Vor-COVID-Stand. 4 neue Guidelines, 12 Hotline-Sessions, 38 Late-breakingTrials und über 3700 Vorträge aus über 92 Ländern sind ein eindrückliches Zeichen für die vielfältige Forschungstätigkeit. In diesem Jahr hat die ESC den Fokus mit einem Konsensuspapier neu auf die Adipositas als Krankheitstreiber von verschiedenen kardiovaskulären Erkrankungen gelegt und betont deren Behandlung auch in den jeweiligen Guidelines.
ESC-Adipositas-Konsensus
Jede fünfte Person auf dem europäischen Kontinent ist adipös, und zwei Drittel der Todesfälle bei Adipositas sind auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen. Adipositas ist bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen weit verbreitet und beeinflusst sowohl den Verlauf als auch die Prognose der Erkrankung erheblich. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, die Therapie der Adipositas als integralen Bestandteil der Patientenversorgung anzusehen. Während nicht pharmakologische Massnahmen nach wie vor die erste Wahl sind, stehen seit Kurzem neue Medikamente zur Verfügung, die das Körpergewicht deutlich senken können; einige dieser Medikamente verbessern nachweislich die kardiovaskuläre Prognose, doch die Kosten und die Verfügbarkeit sind in allen Ländern ein Problem. Zur Therapie empfohlen sind dazu Orlistat, Naltrexon/Bupropion, Liraglutid, Semaglutid und Tirzepatid, wobei mit den letzteren beiden Gewichtsreduktionen von 12,5 beziehungsweise 17,8 Prozent erreichbar sind. Adipositas ist nicht nur als Hochrisikokrankheit anerkannt, die mit vielen chronischen Krankheiten zusammenhängt, sondern wurde auch zu einer eigenständigen Krankheit erklärt, die die Lebensqualität beeinträchtigt und die Lebenserwartung verringert. Adipositas trägt nicht nur zu den bekannten kardiovaskulären Risikofaktoren (Typ-2-Diabetes, Dyslipidämie, erhöhter Blutdruck und arterielle Hypertonie) bei, sondern hat auch direkte negative Auswirkungen auf die Herzstruktur und -funktion und führt unabhängig von anderen kardiovaskulären Risikofaktoren zur Entwicklung von atherosklerotischen und nicht atherosklerotischen Erkrankungen. Die Konsenserklärung anerkennt die Tatsache, dass sowohl genetische als auch biologische Faktoren die individuelle Entwicklung von Adipositas beeinflussen, die weltweite Adipositasepidemie jedoch weitgehend durch Umwelt-/Gesellschaftsfaktoren bedingt ist.
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Quelle: Koskinas KC et al.: Obesity and cardiovascular disease: an ESC clinical consensus statement. Eur Heart J. Published online August 30, 2024. doi:10.1093/eurheartj/ehae508.
Seit 30 Jahren erstellt die ESC-Guidelines und aktualisiert diese regelmässig. Neu in diesem Jahr sind die Guidelines zum chronischen Koronarsyndrom (CCS), zur Hypertonie, zum Vorhofflimmern und zur peripheren arteriellen und Aortaerkrankung (PAAD).
ESC-Guideline Hypertonie
Die neue ESC-Guideline zur Hypertonie beinhaltet im Gegensatz zu vorher 7 Blutdruckkategorien nur noch 3: normaler Blutdruck (< 120 mmHg), erhöhter Blutdruck (120– 139/70–89 mmHg) und Hypertonie > 140/90 mmHg. Die neue Kategorie «erhöhter Blutdruck» hat zum Ziel, noch mehr Personen mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Hirnschlag zu identifizieren und dieses Risiko mit Lebensstilmassnahmen und Ernährungsumstellung zu senken. Antihypertonika finden ihren Einsatz bei Hypertonie. Dabei soll die medikamentöse Therapie mit einer Zweierkombination begonnen werden. Bei Nichterreichen des Blutdruckziels soll direkt auf eine Dreierkombination umgestellt und erst dann eine Dosiserhöhung erfolgen, wenn dies nötig ist. Bei gebrechlichen und älteren Menschen und bei Patienten, die den primären Behandlungszielwert von 120–129 mmHg nicht vertragen, soll das pragmatische Prinzip «ALARA» (as low as reasonable achievable – so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar) gelten. Neu sind auch aktualisierte Ernährungsempfehlungen zu Salz (2 g Natrium/Tag bzw. 5 g Kochsalz) und zu Kalium (0,5–1 g/Tag) sowie die noch stärkere Betonung von Lebensstilmassnahmen für Patienten in unterschiedlichen Lebenslagen zur Senkung des kardiovaskulären Risikos.
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Quelle: McEvoy JW et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension. Eur Heart J. Published online August 30, 2024. doi:10.1093/eurheartj/ehae178.
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ESC-Guideline CCS
1 von 20 Erwachsenen weltweit leidet an einem chronischen Koronarsyndrom (CCS), und die Zahl steigt aufgrund besserer Überlebenschancen, besserer Erkennung und der Konzentration auf grössere und kleinere Herzgefässe. Die neue ESC-Guideline erweitert die Diagnoseinstrumente und Möglichkeiten zur Vermeidung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse und zur Verbesserung der Lebensqualität. Ein neuer Fokus wird auf Patienten mit sogenannter ANOCA/ INOCA (Angina pectoris/Ischämie mit nicht obstruktiven Koronararterien) gerichtet. Zusätzlich gibt es neue risikofaktorgewichtete Scores zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven Koronararterienerkrankung und moderne nicht invasive und invasive Tests zur Diagnose von CCS-bedingten Krankheiten. Bei Personen, bei denen ein Verdacht auf CCS sowie aufgrund der Symptome, des Alters, des Geschlechts und der Risikofaktoren eine geringe bis mässige (> 5 bis 50%) Wahrscheinlichkeit einer obstruktiven Koronararterienerkrankung bestehen, ist die Koronarcomputertomografie-Angiografie (CCTA) ein effizientes Mittel, um eine Koronaratherosklerose auszuschliessen oder, im anderen Extremfall, um das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse aufgrund der Krankheitsanatomie abzuschätzen. Wenn die CCTA Koronarblockaden von mittlerem Schweregrad aufzeigt, werden zusätzliche Tests wie Stressechokardiografie, Stresspositronenemissionstomografie oder kardiale Magnetresonanzperfusionsbildgebung empfohlen, um die funktionelle Bedeutung der Blockaden zu bewerten. Diese zusätzlichen Untersuchungen helfen auch, eine ANOCA/INOCA zu diagnostizieren, wenn die CCTA keine Blockaden aufzeigt. Bei Patienten mit grossen Koronararterienverschlüssen wird eine chirurgische oder perkutane Revaskularisierung für bestimmte anatomische und/oder klinische Patientengruppen empfohlen, bei denen eine Revaskularisierung im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Therapie nachweislich das Überleben verlängert und kardiovaskulär bedingte Todesfälle sowie spontane Myokardinfarkte und durch Herzischämie verursachte Symptome verringert.
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Quelle: Vrints C et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of chronic coronary syndromes: Developed by the task force for the management of chronic coronary syndromes of the European Society of Cardiology (ESC) Endorsed by the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J. 2024 Aug 30:ehae177. doi: 10.1093/eurheartj/ehae177.
ESC-Guideline: Vorhofflimmern nach «AF-CARE-Ansatz»
Die Prävalenz von Vorhofflimmern (AF) wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich verdoppeln; dies als Folge der alternden Bevölkerung, einer zunehmenden Belastung durch Begleiterkrankungen, einer verbesserten Aufklärung und neuer Technologien zur Erkennung. Deshalb hat die ESC die Behandlung von Vorhofflimmern in den neuen Guidelines auf den «AF-CARE-Pathway» ausgerichtet. AFCARE umfasst das Management von Komorbiditäten und Risikofaktoren (C), die Vermeidung von Hirnschlägen und Thromboembolien (A), die Verringerung der Symptome durch Frequenz- und Rhythmuskontrolle (R) sowie die Eva-
luation und dynamische Neubewertung (E). Daneben sind die wichtigsten Neuerungen: 1. eine breitere Anwendung einer angemessenen Antikoagulanzientherapie und die Verwendung des CHA2DS2-VAScores (ohne Geschlecht) zur Unterstützung der Entscheidungsfindung; 2. ein durchgängig sicherheitsorientierter Ansatz, beispielsweise die Verzögerung der Kardioversion, wenn die Dauer des Vorhofflimmerns 24 Stunden überschreitet, oder die umfassende Berücksichtigung potenzieller Nebenwirkungen von Antiarrhythmika; 3. die Integration von Frequenz- und Rhythmuskontrolle mit einer gemeinsamen Entscheidungsfindung über die Überweisung zur Katheterund chirurgischen Ablation.
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Quelle: Van Gelder IC et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J. Published online August 30, 2024. doi:10.1093/eurheartj/ehae176.
ESC-Guideline: PAAD
Neue ESC-Leitlinien fassen erstmals periphere Arterien- und Aortenerkrankungen (PAAD) zusammen. Denn bei Patienten mit Aortenerkrankungen besteht das Risiko einer peripheren Arterienerkrankung und umgekehrt. Deshalb sollten PAAD ganzheitlich beurteilt werden. An der Diagnose und Behandlung sollten multidisziplinäre Teams beteiligt sein, und Patienten wie auch Angehörige sollten dabei unterstützt werden, die Krankheiten zu verstehen, und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Angehörige und Betreuer spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Genesung des Patienten und der Nachsorge, der gesunden Lebensweise und der chronischen medizinischen Behandlung. Bei Frauen treten häufig atypische oder asymptomatische Erkrankungen auf, denen bei der Vorsorgeuntersuchung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Die wichtigsten Empfehlungen in den neuen Guidelines 2024 betreffen den chronischen Charakter der PAAD, die Bedeutung der Vorsorgeuntersuchungen und die Notwendigkeit umfassender Behandlungsstrategien – und das Bewusstsein, dass es sich um eine chronische Erkrankung handelt, die lebenslang begleitet werden muss. Die Guidelines heben hervor, dass eine optimale pharmakologische Behandlung (antithrombotisch, lipidsenkend, blutdrucksenkend, antidiabetisch) sowie Bewegung und Änderungen des Lebensstils erforderlich und wirksam sind, um die Krankheitslast zu reduzieren. Patienten mit PAAD haben ein sehr hohes kardiovaskuläres Risiko und benötigen ein optimales Management der Risikofaktoren wie Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden.
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Quelle: Mazzolai L et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of peripheral arterial and aortic diseases. Eur Heart J. Published online August 30, 2024. doi:10.1093/eurheartj/ehae179.
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Mavacamten: Langzeitstudie bestätigt Wirksamkeit und Sicherheit bei obstruktiver HCM
Die Phase-III-Studie EXPLORER-HCM hat die Sicherheit und Wirksamkeit von Mavacamten bei Patienten mit obstruktiver hypertropher Kardiomyopathie (oHCM) belegt. In der MAVA-Langzeitverlängerungsstudie (LTE) stehen die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit des kardialen Myosininhibitors bei oHCM-Patienten im Fokus. Am ESC-Jahreskongress wurden Daten aus der EXPLORER-Kohorte der MAVA-LTE-Studie bis zur Woche 180 präsentiert. Patienten, die die EXPLORER-HCM-Studie abgeschlossen hatten, konnten nach einer Auswaschphase in die MAVALTE-Studie aufgenommen werden. Zu Beginn erhielten alle Patienten (n = 231) 5 mg Mavacamten, wobei die Dosis, basierend auf echokardiografischen Auswertungen des ValsalvaGradienten des linksventrikulären Ausflusstraktes (LVOT) und der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF), angepasst wurde (auf 2,5, 10 oder 15 mg). Von der 24. bis zur 156. Woche wurde alle 12 Wochen kontrolliert, bis zur Woche 180 betrug das Intervall erstmals 24 Wochen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch 211 Patienten (91,3%) in Behandlung, 185 (80,1%) hatten die Woche 156 und 99 (42,9%) die Woche 180 erreicht (mediane Studiendauer: 166 Wochen; Gesamtexposition: 739 Patientenjahre). Anhaltende Verbesserungen vom Ausgangswert bis zu den Wochen 156 und 180 wurden beim mittleren LVOT-Gradienten in Ruhe, beim LVOT-Gradienten nach Valsalva und den medianen Spiegeln des NT-proBNP beobachtet. Die Verbesserung des mittleren Volumenindex des linken Vorhofs blieb vom Ausgangswert bis zu den Wochen 144 und 180 erhalten. In Woche 156 und 180 befanden sich 53,5 beziehungsweise 66,3 Prozent der Patienten in der NYHA-Klasse I. Die mittlere LVEF nahm bis Woche 180 ab, blieb aber mit 63,9 Prozent im Normalbereich. Die Langzeitbehandlung mit Mavacamten führte bei Patienten mit obstruktiver HCM über einen Zeitraum von fast 3,5 Jahren zu einer anhaltenden Verbesserung bei echokardiografischen Messwerten, Symptomen und Biomarkern. Die Behandlung erwies sich als gut verträglich, und es traten keine neuen Sicherheitssignale auf. Bei einem kleinen Teil der Patienten kam es zu vorübergehenden und reversiblen Verringerungen der LVEF.
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Quelle: Garcia-Pavia M et al.: Long-term safety and efficacy of mavacamten in obstructive hypertrophic cardiomyopathy: up to 3.5-year follow-up results of the EXPLORER cohort of MAVA-Long-Term Extension study. Oral Presentation am ESC 2024, London.
Neuartiger «gene silencer» Vutisiran bremst ATTR-CM
ATTR ist eine fortschreitende, tödliche Krankheit, bei der sich fehlgefaltetes Transthyretinprotein als Amyloidablagerungen in verschiedenen Körperbereichen ansammelt, häufig auch kardial. In der doppelblinden, randomisierten HELIOSB-Studie mit Patienten mit echokardiografisch bestätigter ATTR-Kardiomyopathie (ATTR-CM) (erblich [h] oder Wildtyp [wt]) wurde untersucht, ob Vutrisiran, ein siRNA (small interfering RNA)-Therapeutikum, mit der Hemmung der Transthyretinproduktion auch die klinischen Ergebnisse
verbessert. Die im Median 76,5 Jahre alten Patienten erhielten dazu entweder 25 mg Vutrisiran oder Plazebo s.c. alle 3 Monate bis zu 36 Monaten. Bei Patienten, die bereits eine Behandlung mit dem Krankheitsstabilisator Tafamidis erhielten, wurde diese fortgesetzt. Als primärer Endpunkt war eine Kombination aus Gesamtsterblichkeit und wiederkehrenden kardiovaskulären Ereignissen definiert. Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem die Veränderung der funktionellen Kapazität (6-Minuten-Gehtest), die Lebensqualität (Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire Overall Summary) und die NYHA(New York Heart Association)-Klasse. Mehr als drei Viertel (77,6%) der Teilnehmer hatten eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II, und 40 Prozent nahmen zu Studienbeginn Tafamidis ein. Die Studie erreichte die primären Endpunkte. Vutrisiran reduzierte das Risiko für Gesamtsterblichkeit und wiederkehrende kardiovaskuläre Ereignisse in der Gesamtpopulation signifikant um 28 Prozent (Hazard Ratio [HR]: 0,72; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,56–0,93; p = 0,01) und um 33 Prozent in der Monotherapiepopulation (HR: 0,67; 95%KI: 0,49–0,93; p = 0,016). Bei Patienten unter Tafamidis reduzierte Vutrisiran den kombinierten Endpunkt um weitere 21 Prozent (HR: 0,79; 95%-KI: 0,51–1,21). Verbesserungen zeigten sich auch in allen sekundären Endpunkten. Die Mehrzahl der Nebenwirkungen waren mild bis moderat, die Abbruchraten mit denen der Plazebogruppe vergleichbar (3,1% [Vutrisiran] vs. 4,0% [Plazebo]). Der sogenannte «gene silencer» Vutrisiran wirkt damit konstant und unabhängig von einer allfälligen Hintergrundmedikation.
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Quelle: «HELIOS-B - Primary results from phase 3 study of vutrisiran in patients with transthyretin amyloidosis with cardiomyopathy». Hotline 1, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
SGLT2-Hemmer-Zusatz bei HFrEF und CKD
Die Vierfachtherapie wird bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) nach wie vor unzureichend eingesetzt. Von den geeigneten Patienten nehmen die meisten ACE-I/ARB und Betablocker, weniger MRA und ARNI. Es gibt viele Fragen bezüglich der Hinzufügung neuer Basisarzneimittel sowie bei gleichzeitigem Auftreten von HFrEF und chronischer Nierenerkrankung (CKD). Das Ziel der Untersuchung war es, die Sicherheit und Wirksamkeit der Einführung von SGLT2-Hemmern bei Patienten mit HFrEF und CKD unter Standardtherapie mit ARNI oder ACE-I zu vergleichen. Dazu wurden 54 symptomatische Patienten mit HFrEF (EF ≤ 40%) und CKD mit einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) zwischen 30 und 60 ml/min/1,73 m2 unter Standardtherapie (ACE-I oder ARNI, Betablocker, MRA) identifiziert. Alle Patienten wurden in 2 Gruppen aufgeteilt (Gruppe 1: 26 Patienten unter ARNI, Betablockern, MRA; Gruppe 2: 28 Patienten unter ACE-I, Betablockern, MRA). Alle Patienten erhielten zusätzlich Dapagliflozin in einer Dosis von 10 mg täglich. Kalium (K), Kreatininwerte, eGFR und klinischer Blutdruck wurden zu Beginn und in den Wochen 1, 2, 4, 6, 8, 12 erhoben. Zu Beginn sowie in den
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Wochen 4 und 12 wurden NT-proBNP und der AlbuminKreatinin-Quotient (UCAR) bestimmt, und es wurden 24-Stunden-Blutdruckmessungen durchgeführt. Bei Patienten mit HFrEF und CKD führte die Hinzufügung von SGLT2-Hemmern zur Standardtherapie mit ARNI, Betablockern und MRA zu deutlichen Verbesserungen des neurohumoralen Profils durch signifikant reduzierte NTproBNP-Werte im Vergleich zur Gruppe mit ACE-I, Betablockern und MRA. Die Einführung von SGLT2-Hemmern verursachte einen frühen Rückgang der eGFR, aber in der ARNI-Gruppe war der Rückgang der eGFR weniger ausgeprägt, mit einer stärkeren Reduktion der Albuminurie und begleitet von einem niedrigeren Kaliumspiegel.
Hinsichtlich Nebenwirkungen gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, und es wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse berichtet. Die Verfügbarkeit einer Vierfachpillenkombination, die Bisoprolol enthält, könnte bei der Verbesserung der Adhärenz helfen und eine dringend benötigte wirksame Blutdruckkontrolle bei Patienten mit resistenter oder schwer zu behandelnder Hypertonie bieten, so das Fazit des Studienleiters.
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Quelle: «QUADRO - A single 4-drug combination in hypertension». Hot Line 2, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
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Quelle: Obertynska O et al.: Safety and efficacy of initiation SGLT in heart failure with a reduced left ventricular ejection fraction and chronic kidney disease on top of standard therapy with ARNI or ACE-i. Abstract presented at ESC 2024, London.
QUADRO-Studie: Vierfachpille gegen Hypertonie
Patienten mit resistenter Hypertonie müssen mehrere Medikamente einnehmen, um ihren Blutdruck (BP) zu kontrollieren. Doch je mehr Pillen verschrieben werden, desto häufiger kommt es zu einer mangelhaften Therapietreue. Die QUADRO-Studie zeigte, dass die Zugabe von Bisoprolol zu einer Kombination aus 3 anderen blutdrucksenkenden Medikamenten in einer 4-fachen Einzelpille wirksamer war, den Blutdruck zu senken, als die Einnahme derselben 3 Medikamente in separaten Pillen bei Patienten mit resistenter Hypertonie. In der doppelblinden, randomisierten, kontrollierten QUADRO-Studie erhielten 183 Patienten mit resistenter Hypertonie zunächst während 8 Wochen eine Dreierkombination aus Perindopril, Indapamid und Amlodipin (entweder 10/2,5/5 mg oder 10/2,5/10 mg täglich, falls vertragen). Jene, die nach 8 Wochen noch immer einen unkontrollierten Blutdruck hatten (BP ≥ 140 mmHg und 24-Stunden-BP ≥ 130 mmHg), erhielten randomisiert die entweder gleiche Dreifachtherapie oder eine Einzelpille mit Perindopril, Indapamid, Amlodipin und Bisoprolol (entweder 10/2,5/5/5 mg oder 10/2,5/10/5 mg täglich) für weitere 8 Wochen. Das Ergebnis zeigte eine Blutdruckreduktion in der Vierfachgruppe um 20,67 mmHg, verglichen mit einer Reduktion um 11,32 mmHg in der Dreifachgruppe. Der bereinigte Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant zugunsten der Vierfachpille (–8,04 mmHg; 95%-Konfidenzintervall [KI]: –11,99 bis –4,09; p < 0,0001). Ebenfalls signifikant war der Unterschied beim 24-StundenBlutdruck zugunsten der Vierfachpille im Vergleich zur Dreifachpille (–7,53 mmHg; 95%-KI: –10,95 bis –4,11; p < 0,0001). Darüber hinaus gab es einen signifikanten Unterschied im mittleren diastolischen Praxisblutdruck im Sitzen zwischen der Vierfachgruppe und der Dreifachgruppe (–6,14 mmHg; 95%-KI: –9,00 bis –3,27; p < 0,0001). Insgesamt erreichten 66,3 Prozent der Patienten in der Vierfachgruppe eine Blutdruckkontrolle (Praxis-BP im Sitzen < 140/90 mmHg), verglichen mit 42,7 Prozent in der Dreifachgruppe (p = 0,001).
Finerenon verbessert häufigen Herzinsuffizienztyp
In der am ESC-Kongress vorgestellten FINEARTS-HF-Stu-
die reduzierte der nicht steroidale Mineralokortikoidrezep-
torantagonist (MRA) Finerenon Herzinsuffizienz(HF)-Ereig-
nisse und kardiovaskuläre Todesfälle bei Patienten mit leicht
eingeschränkter oder erhaltener Auswurffraktion (HFmrEF/
HFpEF), einer Patientengruppe, für die es nur begrenzte The-
rapieoptionen gibt. Diese Ergebnisse bieten neue Hoffnung
auf eine zusätzliche wirksame Behandlung für Patienten, die
mit dieser häufigen Form der Herzinsuffizienz leben. An der
doppelblinden, randomisierten Multizenterstudie nahmen
6001 Patienten mit Herzinsuffizienz der NYHA(New York
Heart Association)-Funktionsklasse II–IV und einer links-
ventrikulären Auswurffraktion (LVEF) von ≥ 40 Prozent
(Durchschnitt 53%) teil. Sie erhielten während 32 Monaten
entweder Finerenon bis 40 mg/Tag oder Plazebo. Als primä-
rer Endpunkt war die Kombination aus allen Verschlechte-
rungen der Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Todes-
fällen definiert.
Die Ergebnisse zeigten in der Finerenongruppe, verglichen
mit den Kontrollen. eine signifikante Reduktion der Ereig-
nisse des primären Endpunkts (Rate Ratio: 0,84; 95%-Kon-
fidenzintervall [KI]: 0,74–0,95; p = 0,007). Die Ergebnisse
des primären Endpunkts waren in allen vordefinierten Un-
tergruppen konsistent, einschliesslich derer, die auf der Aus-
wurffraktion oder der Basistherapie mit SGLT2-Hemmern
basierten. Schwere unerwünschte Ereignisse waren zwischen
den Gruppen ähnlich (Finerenon: 38,7%; Plazebo: 40,5%).
Finerenon erhöhte das Risiko für Hyperkaliämie (9,7 vs. 4,2
%), verringerte jedoch das Risiko für Hypokaliämie (4,4 vs.
9,7 %). Da Finerenon auch bei Patienten, die bereits einen
SGLT2-Inhibitor erhielten, von Vorteil gewesen sei, deuteten
die Ergebnisse darauf hin, dass Finerenon eine neue zweite
Säule bei HFmrEF/HFpEF darstelle, so das Fazit des Stu-
dienleiters.
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Quelle: «FINEARTS-HF - Finerenone in heart failure with mildly reduced and preserved ejection fraction». Hot Line 7, Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC), 30. August bis 2. September 2024, London.
Vaduganathan M et al.: Finerenone in patients with heart failure with mildly reduced or preserved ejection fraction: Rationale and design of the FINEARTS-HF trial. Eur J Heart Fail. 2024;26(6):1324-1333. doi:10.1002/ejhf.3253.
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