Transkript
Operation am Gehirn – Heilung der Epilepsie?
Schwerpunkt
In den letzten Jahrzehnten hat die pädiatrische Epilepsiechirurgie als evidenzbasiertes Standardverfahren zur Behandlung pädiatrischer Patienten mit fokaler struktureller Epilepsie zunehmend an Bedeutung gewonnen. Durch die Epilepsiechirurgie kann bei der Mehrheit der geeigneten Kandidaten eine anhaltende Anfallsfreiheit erreicht werden. Erfolgreiche epilepsiechirurgische Eingriffe können zudem zu Verbesserungen in der kognitiven Entwicklung, im Verhalten und in der Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen führen.
Von Georgia Ramantani
Die Einführung der Epilepsiechirurgie erfolgte erst in den 1950er-Jahren und richtete sich zunächst auf Erwachsene, deren Epilepsie jedoch bereits in der Kindheit begonnen hatte. Obwohl bereits in den 1980er-Jahren Kinder und Jugendliche zunehmend einer epilepsiechirurgischen Behandlung unterzogen wurden, hat die Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) sowie anderer bildgebender Methoden in den letzten Jahrzehnten das Spektrum potenzieller Kandidaten erheblich erweitert und die Komplexität sowie das Volumen der pädiatrischen Epilepsiechirurgie deutlich erhöht (1, 2). Die Pharmakoresistenz betrifft etwa ein Drittel der Personen mit Epilepsie, wobei diese häufiger bei frühem Epilepsiebeginn, fokalen Anfällen, strukturellen Hirnläsionen und anfangs hoher Anfallsfrequenz auftritt und oft früh im Epilepsieverlauf festgestellt wird (3, 4). Bereits vor fast zwei Jahrzehnten unterstrich die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) die Bedeutung einer Frühintervention in der Epilepsiechirurgie, um die Entwicklungstrajektorie zu optimieren und die Lebensqualität zu verbessern (5). Die pädiatrische Epilepsiechirurgie ist heutzutage evidenzbasiert und weitgehend akzeptiert, wobei inzwischen umfangreiche Daten zum optimalen Zeitpunkt der Überweisung, zu den Einzelheiten der präoperativen Epilepsiediagnostik sowie zu den postoperativen Ergebnissen vorliegen (6–12).
Indikationen
Die Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik sollte bei allen Epilepsiepatienten erfolgen, sobald Pharmakoresistenz diagnostiziert wird (5, 6). Pharmakoresistenz tritt auf, wenn trotz der Anwendung von zwei angemessen ausgewählten und ordnungsgemäss verabreichten anfallssuppressiven Medikamenten die Anfälle nicht vollständig unterdrückt werden können (1, 3). Bei jungen Kindern können mehrere medikamentöse Ver suche innerhalb kurzer Zeit erfolglos bleiben, und das bereits früh im Verlauf der Epilepsie (9, 13). Bestimmte Ätiologien wurden mit Pharmakoresistenz bei Kindern in Verbindung gebracht, weshalb diese Fälle frühzeitig zur präoperativen Epilepsiediagnostik überwie-
Die pädiatrische Epilepsiechirurgie
Die pädiatrische Epilepsiechirurgie stellt eine mittlerweile gut etablierte und äusserst wirksame Behandlungsmethode dar, die bei sorgfältig ausgewählten Kindern und Jugendlichen mit struktureller Epilepsie exzellente Aussichten auf langanhaltende Anfallsfreiheit bietet, oft sogar ohne anfallssuppressive Medikamente. Neben der Anfallskontrolle hat die Epilepsiechirurgie auch positive Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung, das Verhalten und die Lebensqualität der Patienten. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, allen Kindern und Jugendlichen mit struktureller Epilepsie, einschliesslich sehr junger Kinder und solcher mit epileptischer Enzephalopathie, eine Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik anzubieten, spätestens wenn eine Pharmakoresistenz festgestellt wird. Die präoperative Epilepsiediagnostik und die Entscheidung über die Eignung für einen epilepsiechirurgischen Eingriff sollten in spezialisierten Epilepsiezentren mit pädiatrischer Expertise erfolgen. Eine zeitnahe Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik ist entscheidend, da eine Frühintervention die Chancen auf Anfallsfreiheit sowie auf eine Optimierung der kognitiven Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendliche erhöhen kann.
sen werden sollten (5, 14). Die häufigsten zugrundeliegenden Ätiologien in der pädiatrischen Epilepsiechirurgie sind fokale kortikale Dysplasien (FCD) und glioneuronale Tumore wie Gangliogliome sowie dysembryoplastische neuroepitheliale Tumore (DNET). Weitere typische Ätiologien in der pädiatrischen Epilepsiechirurgie umfassen Hemimegalenzephalie, Polymikrogyrie, Sturge-WeberSyndrom, Tuberöse-Sklerose-Komplex, Rasmussen-Enzephalitis und hypothalamische Hamartome (8, 10, 15–17) (Abbildung 1). In den letzten Jahren hat sich das Spektrum potenzieller Kandidaten und möglicher Indikationen für die Epilepsiechirurgie erheblich erweitert, sodass zunehmend komplexere Fälle, wie extratemporale Epilepsien (frontal, insulär oder parieto-occipital) (17–19), Epilepsien in Zusammenhang mit multiplen unilateralen, bilateralen und ausgedehnten Läsionen (19), MRT-negative Epilepsien und fokale strukturelle Epilepsien mit zusätzlichen pathogenen Genvarianten, berücksichtigt werden (1) (Abbildung 1).
3/24 Pädiatrie
17
Schwerpunkt
Abbildung 1. Typische Ätiologien in der pädiatrischen Epilepsiechirurgie (Quelle: Georgia Ramantani).
18
In den letzten Jahren ist das Volumen der präoperativen Epilepsiediagnostik sowie der pädiatrischen Epilepsiechirurgie deutlich gestiegen (1, 2), wobei das Alter zum epilepsiechirurgischen Eingriff deutlich abgesunken ist (13).
Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik
Gemäss den Empfehlungen der ILAE (6) sollten alle Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie unabhängig von der Dauer der Epilepsie, dem Anfallstyp, der Epilepsieform, der Lokalisation/Ausdehnung der Läsion sowie der Begleiterkrankungen zur präoperativen Epilepsiediagnostik überwiesen werden, sobald die Pharmakoresistenz festgestellt wird. Des Weiteren empfiehlt die ILAE, eine Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik auch für Patienten zu erwägen, die zwar anfallsfrei unter anfallssuppressiver Medikation sind, jedoch eine klar definierte Läsion in einem Hirnareal aufweisen, das nicht für grundlegende Funktionen wie Sprache, Motorik oder Sensibilität verantwortlich ist (6). Die Empfehlung zur präoperativen Epilepsiediagnostik und ggf. zur epilepsiechirurgischen Intervention bei Patienten, die auf anfallssuppressive Medikamente ansprechen (6, 20), basiert auf verschiedenen Beobachtungen. Die meisten Patienten mit fokalen strukturellen Epilepsien, z. B. in Zusammenhang mit fokalen kortikalen Dysplasien oder niedriggradigen Tumoren, entwickeln früher oder später eine Pharmakoresistenz, wobei die entsprechenden epilepsiechirurgischen Interventionen, insbesondere in Hirnarealen, die nicht für grundlegende Funktionen wie Sprache, Motorik oder Sensibilität verantwortlich sind, grundsätzlich als sicher erachtet werden. Ausserdem kann die Frühintervention zu besseren postoperativen Ergebnissen führen (9, 13).
Eine epilepsiechirurgische Intervention in jüngerem Alter und mit kürzerer Epilepsiedauer (13) geht mit besseren Chancen auf postoperative Anfallsfreiheit einher, unabhängig von der zugrunde liegenden Ätiologie. Eine längere Epilepsiedauer hingegen reduziert die Chance, Anfallsfreiheit zu erreichen und die anfallssuppressive Medikation abzusetzen (21). Zudem wirkt sich eine längere Epilepsiedauer negativ auf die kognitive Entwicklung aus (8, 9, 15, 17, 22). Die Motivation für eine Frühintervention beruht ausserdem auf der erhöhten funktionellen Plastizität während der frühen Stadien der Hirnentwicklung (5). Diese ermöglicht eine Neuorganisation der neurologischen Funktion nach einer Verletzung. Dies ist insbesondere für den Transfer der Sprachfunktion in den ersten Lebensjahren von grosser Bedeutung. Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass sich die motorische Funktion unabhängig von der Lokalisation der zugrundeliegenden Läsion und dem Alter bei Epilepsiebeginn offenbar nicht erholen kann (1, 5). Wichtig ist festzuhalten, dass eine Überweisung zur präoperativen Epilepsiediagnostik nicht zur Durchführung eines epilepsiechirurgischen Eingriffes verpflichtet. Unabhängig von der epilepsiechirurgischen Indikation können die meisten Patienten von einer genaueren Klassifikation ihrer Epilepsie profitieren, um die Behandlung zu optimieren und Begleiterkrankungen anzugehen (6).
Präoperative Epilepsiediagnostik
Die präoperative Epilepsiediagnostik hat das Ziel, den Ursprung epileptischer Anfälle zu lokalisieren, die epileptogene Zone zu identifizieren, die für Resektion oder Diskonnektion in Betracht kommt, und die funktionellen Areale zu bestimmen, die geschützt werden müssen (1) (Abbildung 2).
Pädiatrie 3/24
Schwerpunkt
Die präoperative Basisdiagnostik umfasst eine detaillierte Anamnese, Video-EEG mit Aufzeichnung epileptischer Anfälle, hochauflösende MRT-Bilder sowie eine Entwicklungsdiagnostik oder eine neuropsychologische Untersuchung (1, 7). Zusätzliche präoperative Diagnostikverfahren sind bei etwa einem Drittel der Fälle erforderlich und variieren je nach den verfügbaren Ressourcen und der Expertise des jeweiligen Epilepsiezentrums. Diese Untersuchungen sind besonders wichtig für Patienten mit negativen MRT-Ergebnissen oder solche mit bilateralen, diffusen oder multiplen Läsionen (1, 7). Die Auswahl geeigneter Kandidaten für epilepsiechirurgische Eingriffe stellt insbesondere in den frühen Lebensjahren eine grosse Herausforderung dar. Probleme ergeben sich aus: 1. den häufig vorliegenden diffusen und bilateralen
EEG-Befunden, die mit fokalen epileptogenen Läsionen vereinbar sein können, 2. der oft nicht eindeutigen Anfallssemiologie und 3. den Hindernissen in der MRT-Auswertung aufgrund der noch unreifen Myelinisierung (9, 13). Invasive Ableitungen mittels intrakraniell (subdurale Streifen und Gitterelektroden) oder intrazerebral platzierter Elektroden (Stereoelektroenzephalographie: SEEG) können erforderlich sein, wenn nicht-invasive Befunde inkonsistent sind, die epileptogene Zone nicht klar abgrenzbar ist oder sich mit eloquenten kortikalen Arealen überschneidet (1, 7). Eine möglichst präzise Lokalisationshypothese bezüglich der epileptogenen Zone ist entscheidend, um die Platzierung der Elektroden für die invasive Epilepsiediagnostik gezielt zu steuern (16). Besonderheiten der pädiatrischen Epilepsiechirurgie umfassen die Auswirkungen sowohl der Epilepsie als auch der Epilepsiechirurgie auf das sich entwickelnde Gehirn, altersspezifische Epilepsiesyndrome, die Plastizität des kindlichen Gehirns, spezifische pädiatrische Ätiologien und die beträchtliche Variabilität der erforderlichen epilepsiechirurgischen Eingriffe (5). Insbesondere Säuglinge und Kleinkinder haben spezielle Bedürfnisse, die sich von denen Erwachsener massgeblich unterscheiden, weshalb Epilepsiezentren mit pädiatrischer Expertise unerlässlich sind (7).
Epilepsiechirurgische Eingriffe
Die Lokalisation und der Umfang resektiver oder diskonnektiver epilepsiechirurgischer Eingriffe bei Kindern unterscheiden sich von denen bei Erwachsenen. Etwa ein Fünftel der epilepsiechirurgischen Eingriffe bei Kindern umfasst hemisphärische und multilobäre Verfahren (14). Jüngere Kinder erhalten oft umfangreichere Resektionen oder Diskonnektionen (9, 10, 13). Unter den unilobären Operationen sind temporale und extratemporale Lokalisationen gleichermassen vertreten (14). In den letzten Jahren hat die Anwendung minimalinvasiver Techniken zugenommen (1), darunter die Thermokoagulation nach invasiver Ableitung (SEEG) (16) und die Laserablation (Laser Interstitial Thermal Therapy: LITT) bei hypothalamischen Hamartomen (23). Neuromodulation mittels Tiefenhirnstimulation (Deep Brain Stimulation: DBS) oder responsiver Neurostimulation (RNS) wird eingesetzt, wenn Resektion, Diskonnektion oder Ablation nicht in Frage kommen (1). Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Optionen derzeit
Zuweisung
Fallkonferenz▲ Fallkonferenz▲ Fallkonferenz▲
Basisdiagnostik Anamnese Video-EEG-Anfallsaufzeichnung Hochauflösende MRI Neuropsychologie
Erweiterte Diagnostik PET SPECT Quellenanalyse fMRI MEG
Invasive Diagnostik Subdurale Elektroden
Tiefenelektroden (SEEG)
Resektion/Diskonnektion Amygdalahippokampektomie Läsionektomie Lobektomie Multilobektomie Hemisphärotomie Kallosotomie
Keine Resektion/Diskonnektion
Neurostimulation
Abbildung 2. Präoperative Epilepsiediagnostik und Indikationsstellung für die Epilepsiechirurgie (Quelle: Georgia Ramantani).
nur für Erwachsene (ab 18 Jahren) zugelassen sind, wobei die RNS in den USA eine Zulassung erhalten hat, jedoch nicht in Europa.
Postoperative Anfallsfreiheit
Das Hauptziel der pädiatrischen Epilepsiechirurgie ist die postoperative Anfallsfreiheit. Die Überlegenheit der Epilepsiechirurgie gegenüber den anfallssuppressiven Medikamenten bei Kindern und Jugendlichen mit strukturellen Epilepsien wurde in einer randomisierten kontrollierten Studie nachgewiesen (12). In dieser monozentrischen Studie mit 116 Kindern und Jugendlichen waren ein Jahr nach dem Eingriff 77 Prozent der operierten Patienten anfallsfrei, während nur 7 Prozent der mit anfallssuppressiven Medikamenten behandelten Patienten anfallsfrei waren. Kohortenstudien haben gezeigt, dass die Anfallsfreiheit je nach Art des epilepsiechirurgischen Eingriffs, zugrunde liegender Ätiologie und Dauer der Epilepsie stark variiert (2, 8–10, 17–19, 21). Die Hemisphärotomie erzielt die höchsten Anfallsfreiheitsraten, gefolgt von temporalen und extratemporalen Eingriffen. Niedriggradige Tumoren und vaskuläre Malformationen weisen im Vergleich zu kortikalen Malformationen höhere Chancen auf Anfallsfreiheit auf (21, 24). Geringer sind die Chancen auf Anfallsfreiheit bei MRT-negativen Fällen und unvollständigen Resektionen. Eine kürzere Epilepsiedauer ist ausserdem mit höheren Chancen auf Anfallsfreiheit verbunden (21).
Postoperative kognitive Entwicklung
Ein entscheidendes sekundäres Ziel der pädiatrischen Epilepsiechirurgie ist die Stabilisierung und potenzielle Optimierung der kognitiven Entwicklung (1, 11, 22, 25). Unkontrollierte Anfälle können irreversible Schäden am sich entwickelnden Gehirn verursachen, den normalen Verlauf der neurokognitiven Entwicklung stören und verschiedene Aspekte der sozialen Integration, Bildung, Berufsfindung sowie die Lebensqualität für Kinder und ihre Familien beeinträchtigen. Gemäss zwei aktuellen Metaanalysen, welche die präund postoperative Intelligenz- oder Entwicklungsquotienten (IQ/DQ) 2 Jahre (11) und 5 Jahre (25) nach Epilepsiechirurgie untersuchten, zeigte sich auf Gruppenebene keine signifikante Verbesserung oder Verschlechterung
3/24 Pädiatrie
19
Schwerpunkt
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Georgia Ramantani, PhD Neuropädiatrie Universitäts-Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: georgia.ramantani@kispi.uzh.ch
Interessenlage: Die Autorin erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel bestehen.
der kognitiven Entwicklung, was auf eine langfristige Stabilisierung hindeutet, obwohl einige Patienten in bestimmten Bereichen möglicherweise Gewinne verzeichnen, während andere Verluste erleiden können. Höhere Gewinne waren mit dem Absetzen von anfallssuppressiven Medikamenten verbunden und konnten nicht allein durch die postoperative Anfallsfreiheit erreicht werden. Kinder mit höheren präoperativen Fähigkeiten (IQ/DQ ≥ 70) zeigten darüber hinaus grössere Gewinne im Vergleich zu denen mit niedrigeren präoperativen Fähigkeiten (IQ/DQ < 70). Diese Beobachtungen sind ermutigend, da sie darauf hindeuten, dass epilepsiechirurgische Eingriffe epileptische Anfälle stoppen können, ohne zu einem Verlust kognitiver Fähigkeiten zu führen, sondern vielmehr die kognitive Entwicklung der betroffenen Kinder stabilisieren. Versorgungslücke Trotz erheblicher Fortschritte in den letzten Jahrzehnten wird die Epilepsiechirurgie bei Kindern, selbst in wohlhabenden Ländern, immer noch nicht ausreichend genutzt (6). Epidemiologische Daten legen nahe, dass von jeweils 1 Million Kindern mit Epilepsie etwa 52 einer gründlichen präoperativen Epilepsiediagnostik unterzogen werden sollten, wobei etwa 27 von ihnen potenziell als geeignete Kandidaten für eine Epilepsiechirurgie gelten könnten (4). Bedauerlicherweise zeigen aktuelle Studien deutlich niedrigere Umsetzungsraten dieser Empfehlungen. Ein bedeutender Faktor dafür könnte sein, dass Kinderärzte als erste Ansprechpartner und primäre Überweiser möglicherweise nicht ausreichend über die vielen Vorteile der präoperativen Epilepsiediagnostik und der Epilepsiechirurgie informiert sind. Eine verstärkte Aufklärung dieser Fachleute könnte dazu beitragen, die Nutzung dieser lebensverändernden Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und den betroffenen Kindern eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen. Fazit Zusammenfassend hat sich die pädiatrische Epilepsie chirurgie als eine äusserst wirksame und sichere Behandlungsoption für sorgfältig ausgewählte Kandidaten etabliert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die präoperative Epilepsiediagnostik und die nachfolgende epilepsiechirurgische Intervention so früh wie möglich in hochspezialisierten Epilepsiezentren durchgeführt werden, die über eine umfassende pädiatrische Expertise verfügen. Eine frühzeitige und umfassende Diagnostik optimiert nicht nur das weitere Patientenmanagement, sondern erhöht auch die Chancen auf langfristige Anfallsfreiheit. Es ist wichtig zu betonen, dass erfolgreiche Epilepsiechirurgie weit über die blosse Beseitigung von Anfällen hinausgeht. Sie wird mit einer verbesserten kognitiven Entwicklung, erfolgreicher sozialer Integration, erfolgreicher Berufsfindung und einer deutlichen Steigerung der Lebensqualität in Verbindung gebracht. In Anbetracht dieser Erkenntnisse sollte die pädiatrische Epilepsiechirurgie nicht als letzte Behandlungsoption angesehen werden, sondern vielmehr als eine entscheidende und äusserst wirkungsvolle Massnahme zur Verbesserung des Lebens von Kindern mit schwer kontrollierbarer Epilepsie. Litaratur: 1. Cross JH et al.: Epilepsy surgery for children and adolescents: evidence-based but underused. Lancet Child Adolesc Health. 2022;6(7):484-494. 2. Barba C et al.: Trends in pediatric epilepsy surgery in Europe between 2008 and 2015: Country-, center-, and age-specific variation. Epilepsia. 2020;61(2):216-227. 3. Perucca E et al.: Drug resistance in epilepsy. Lancet Neurol. 2023;22(8):723-734. 4. Berg AT et al.: Frequency, prognosis and surgical treatment of structural abnormalities seen with magnetic resonance imaging in childhood epilepsy. Brain. 2009;132(10):2785-2797. 5. Cross JH et al.: Proposed criteria for referral and evaluation of children for epilepsy surgery: recommendations of the Subcommission for Pediatric Epilepsy Surgery. Epilepsia. 2006;47(6):952-959. 6. Jehi L et al.: Timing of referral to evaluate for epilepsy surgery: Expert Consensus Recommendations from the Surgical Therapies Commission of the International League Against Epilepsy. Epilepsia. 2022;63(10):2491-2506. 7. Gaillard WD et al.: Establishing criteria for pediatric epilepsy surgery center levels of care: Report from the ILAE Pediatric Epilepsy Surgery Task Force. Epilepsia. 2020;61(12):2629-42. 8. Ramantani G et al.: Determinants of Functional Outcome after Pediatric Hemispherotomy. Ann Neurol. 2024; 95(2):377-387. 9. Kadish NE et al.: Epilepsy Surgery in the First 3 Years of Life: Predictors of Seizure Freedom and Cognitive Development. Neurosurgery. 2019; 84(6):E368-377. 10. Ramantani G et al.: Not surgical technique, but etiology, contralateral MRI, prior surgery, and side of surgery determine seizure outcome after pediatric hemispherotomy. Epilepsia. 2023; 64(5):1214-1224. 11. Stefanos-Yakoub I et al.: Long-term intellectual and developmental outcomes after pediatric epilepsy surgery: A systematic review and meta-analysis. Epilepsia 2024; 65(2):251-265. 12. Dwivedi R et al.: Surgery for Drug-Resistant Epilepsy in Children. N Engl J Med. 2017;377(17):1639-1647. 13. Ramantani G: Epilepsy Surgery in Early Life: The Earlier, The Better. World Neurosurg. 2019;131:285-286. 14. Harvey AS et al., ILAE Pediatric Epilepsy Surgery Survey Taskforce: Defining the spectrum of international practice in pediatric epilepsy surgery patients. Epilepsia. 2008;49(1):146-155. 15. Ramantani G et al.: Epilepsy Surgery for Glioneuronal Tumors in Childhood: Avoid Loss of Time. Neurosurgery. 2014;74(6):648–57. 16. Maillard LG et al.: Stereoelectroencephalography and surgical outcome in polymicrogyria-related epilepsy: A multicentric study. Ann Neurol. 2017;82(5): 781-794. 17. Ramantani G et al.: Frontal Lobe Epilepsy Surgery in Childhood and Adolescence: Predictors of Long-Term Seizure Freedom, Overall Cognitive and Adaptive Functioning. Neurosurgery. 2018;83(1):93-103. 18. Ramantani G et al.: Posterior cortex epilepsy surgery in childhood and adolescence: Predictors of long-term seizure outcome. Epilepsia. 2017;58(3):412-419. 19. Kogias E et al.: Multilobar Epilepsy Surgery in Childhood and Adolescence: Predictors of Long-Term Seizure Freedom. Neurosurgery. 2021;88(1):174-182. 20. Hale AT et al.: Expedited epilepsy surgery prior to drug resistance in children: a frontier worth crossing? Brain J Neurol. 2022;145(11):3755-3762. 21. Lamberink HJ et al., European Epilepsy Brain Bank writing group, study group: Seizure outcome and use of antiepileptic drugs after epilepsy surgery according to histopathological diagnosis: a retrospective multicentre cohort study. Lancet Neurol. 2020;19(9):748-757. 22. Ramantani G, Reuner G: Cognitive Development in Pediatric Epilepsy Surgery. Neuropediatrics. 2018;49(2):93-103. 23. Bicciato G et al.: Laser interstitial thermal therapy in pediatric cerebellar epilepsy. Epileptic Disord Int Epilepsy J Videotape. 2023;25(6):880-885. 24. Widjaja E et al.: Seizure outcome of pediatric epilepsy surgery. Neurology. 2020;94(7):311-321. 25. Schmidlechner T et al.: IQ changes after pediatric epilepsy surgery: a systematic review and meta-analysis. J Neurol. 2024;271(1):177-187. 20 Pädiatrie 3/24