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KONGRESSBERICHT
EAACI 2024
EAACI erarbeitet neue Nomenklatur
Endotypisierung 2.0 für Allergien
Die Immunforschung hat in Sachen Pathophysiologie der Allergien eine Flut von neuen Erkenntnissen gebracht. Damit lassen sich die verschiedenen Allergieformen spezifischer klassifizieren. Das Positionspapier der European Academy for Allergology and Clinical Immunology (EAACI) fasst diese neu Endotypisierung allergischer Erkrankungen nun zusammen (1). Das dient nicht nur der weiteren Forschung, sondern ermöglicht künftig auch den gezielten Einsatz von Biologika.
Durch das rasante Wachstum der Technologien – z. B. molekulare Diagnostik, Nanotechnologien, genetische und epigenetische Editierung – konnten die pathogenetischen Signalwege allergischer Reaktionen immer weiter aufgeklärt werden. Die Daten zu den beteiligten Immunzellen, Zytokinen und Signalwegen ermöglichen ausser der Entwicklung von the-
rapeutischen Antikörpern auch eine spezifischere Charakterisierung der Allergieformen. Neue Krankheitsendotypen wurden für verschiedene allergische Erkrankungen identifiziert. Damit fand ein allmählicher Übergang von einer symptomorientierten Krankheitsbeschreibung zur Identifizierung von Biomarkern sowie von komplizierten pathogeneti-
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Überempfindlichkeitsreaktionen Allergie
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Autoimmunität
gesteuert durch Entzündung/Immunsystem
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Antikörper-vermittelt
Typ I Soforttyp
Typ II zytotoxisch
Typ III immunkomplexe
zellvermittelt
Typ IVa T1
Typ IVb T2
Typ IVc T3
gewebegesteuerte Mechanismen
direkte Reaktion
auf Chemikalien
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Typ V epithelial
Typ VI metabolisch
Typ VII
B-Zellen: IgE,TH2, ILC2 (IL-4, IL-5, IL-9, IL-13) Mastzellen/ Basophile
B-Zellen: IgM, IgG Phagozyten: Neutrophile, Makrophagen antikörperabhängige komplement vermittelte Zytotoxizität
B-Zellen: IgM, IgG Immunkomplexe Komplement, Basophile, Mastzellen, Thrombozyten Phagozyten: Neutrophile, Monozyten, Makrophagen
TH1, ILC1,Tc1, NK (IFN-γ, TNF-α, Granzym B, Perforine) Makrophagen (Granulome)
TH2, ILC2,Tc2, NK-T (IL-4, IL-5, IL-9, IL-13, IL-31) Eosinophile, B-Zellen, Mastzellen/ Basophile
TH17, ILC3,Tc17 (IL-17, IL-22, IL-23) Neutrophile
epithelialer Barrieredefekt undichte Zellverbindungen Änderungen v. Gewebszellen Immunmodulation (Alarmine: TSLP, IL-25, IL-33) epigenetische Einflüsse
Metabolisch induzierte Immundysregulation, kurzkettige Fettsäuren und andere MikrobiomMetaboliten
Direkte zelluläre und entzündliche Antwort auf chemische Substanzen
allerg. Rhinitis/ Rhinokonjunktivitis, Asthma, atopische Dermatitis, Urtikaria/ Angioödeme, Nahrungsmittelallergie, Insektengiftallergie, Arzneimittelallergie
Medikamenteninduzierte Zytopenie
akute Phase der Hypersensitivitätspneumonitis, medikamenteninduzierte Vaskulitis, Serumkrankheit/ Arthusreaktion
Akute Kontaktdermatitis, akute Phase der Hypersensitivitätspneumonitis, Zöliakie, Asthma, allerg. Rhinitis/ Rhinokonjunktivitis, chron. Rhinosinusitis, atopische Dermatitis, Arzneimittelallergie (TEN, SJS,Erythemamultiforme)
Asthma, allerg. Rhinitis/ chron. Rhinosinusitis, atopische Dermatitis (T2-Endotypen), eosinophile Ösophagitis, Nahrungsmittelallergie, Arzneimittelallergie (DRESS)
Neutrophiles Asthma, atopische Dermatitis, Arzneimittelallergie (AGEP)
Asthma, allerg. Rhinitis/ Rhinokonjunktivitis, chron. Rhinosinusitis, atopische Dermatitis, FPIES, eosinophile Ösophagitis, Zöliakie
Adipositas & Asthma, Histaminvermittelte Störungen
Adipositas & Asthma, Histaminvermittelte Störungen
AGEP: akute generalisierte exanthematische Pustulose; DRESS: «Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms»; FPIES: «food protein-induced enterocolitis syndrome»; ILC1/2/3: «innate lymphoid cells type 1/2/3»; NK: natürliche Killerzellen; NK-T: natürliche T-Killerzellen; SJS, Stevens-Johnson-Syndrom; Tc1/2/17: zytotoxische T-Lymphozyten Typ 1/2/17; TEN: toxische epidermale Nekrolyse. Quelle: modifiziert nach (1).
Abbildung: Neue Nomenklatur allergischer Erkrankungen und Hypersensitivitätsreaktionen.
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schen und metabolischen Signalwegen statt. Solche neuen Krankheitsendotypen, die durch unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen definiert sind, wurden bereits für Asthma, allergische Rhinitis (AR), chronische Rhinosinusitis (CRS), atopische Dermatitis (AD), und Nahrungsmittel sowie Arzneimittelallergie beschrieben. Das neue Positionspapier der European Academy for Allergology and Clinical Immunology (EAACI), das von Professor Ludger Klimek (Wiesbaden) vorgestellt wurde, fasst diese Endotypisierungen zusammen (siehe Tabelle). Die allergischen Reaktionen wurden auf 9 verschiedene Typen in 4 Gruppen erweitert: s Antikörper-vermittelte Reaktion (I-III) s zellvermittelte Reaktion (IVa-c) s gewebegesteuerte Mechanismen (V-VI) und s direkte Reaktion auf chemische Substanzen (VII).
Die Typen I-III sind sowohl mit klassischen als auch
mit neu beschriebenen klinischen Zuständen verbun-
den. Typ IVa-c werden nach dem aktuellen Verständ-
nis von T1-, T2- und T3-Reaktionen spezifiziert und
detailliert dargestellt. Die Typen V-VI beziehen sich
auf Defekte der Epithelbarriere und metabolisch in-
duzierte Immundysregulation, während direkte zellu-
läre und entzündliche Reaktionen auf chemische
Substanzen in Typ VII abgedeckt sind.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Jahreskongress der European Academy of Allergology and Clinical Immunology(EAACI), Plenary Session 4 «Nomenclature – EAACI highlights» am 31. Mai 2024 in Valencia (Spanien).
Referenz: 1. Jutel M et al., Nomenclature of allergic diseases and hypersensitivity reactions:
Adapted to modern needs: An EAACI position paper. Allergy. 2023 Nov;78(11):2851-2874. doi: 10.1111/all.15889. Erratum in: Allergy. 2024 Jan;79(1):269-273. doi: 10.1111/all.15983.
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