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50th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 30. Mai bis 3. Juni 2014
Nierenzellkarziom
VEGF-TKI in der Neoadjuvans, Immuntherapie und mTOR-Hemmer versus TKI
Um die Häufigkeit partieller und organerhaltender Operationen zu erhöhen, wurde am Beispiel von Pazopanib gezeigt, dass eine Tumorschrumpfung mit einer neoadjuvanten Anti-VEGF-Therapie möglich ist. Bei der metastasierten Erkrankung zeigt sich der PD-1-Antikörper Nivolumab als aktiv und ist möglicherweise interessant als Kombinationspartner für immunbiologische Therapien. Beim nicht klarzelligen Nierenzellkarzinom zeigten sich in einer Head-to-Head-Studie die Anti-VEGF-Therapie und die mTOR-Inhibition als ebenbürtig.
Neoadjuvantes Pazopanib zum Downsizing
Um die Nierenfunktion zu erhalten, wird beim operativen Vorgehen eine partielle Nephrektomie bevorzugt. In einer Phase-II-Studie wurde untersucht, ob beim lokalisierten klarzelligen Nierenzellkarzinom ein Downsizing durch Therapie mit dem VEGF-TKI Pazopanib (Votrient®) möglich ist (1). Es wurden 23 überwiegend männliche Patienten mit gutem Allgemeinzustand im medianen Alter von 64 Jahren in die Studie eingeschlossen. 60% der Patienten hatten zu Studienbeginn eine glomeruläre Filtrationsrate (GFR) von < 60. Bei 90% der Patienten war die Durchführung einer partiellen Nephrektomie möglich, 2 Patienten waren Kandidaten für eine radikale Nephrektomie. Die mediane Dauer der neoadjuvanten Pazopanib-Therapie betrug 10,6 Wochen. Zu Beginn der Anti-VEGF-Therapie zeigten die Tumoren eine mittlere Grösse von 7,6 cm, der mittlere RenalNephrometrie-Score (RNS) betrug 11. 82% der Tumoren wurden als hochkomplex im RNS eingestuft. Bei 95% der Tumoren konnte eine Verkleinerung um median 1,8 cm und relativ um -26% durch die Pazopanib-Therapie beobachtet werden. Die Ansprechrate nach RECIST betrug 32% (nur PR). Der RNS verringerte sich bei 81% der Tumoren, und die Gruppe mit hoher Operationskomplexität verkleinerte sich auf 43%. Die geschätzte mediane Änderung der GFR nach partieller Nephrektomie verringerte sich um 18,0%. Es wurden keine uner-
warteten operativen Komplikationen oder unerwartete Pazopanib-Nebenwirkungen gesehen.
PD-1-Hemmung ist vielversprechende Therapiestrategie
Die vierarmige Studie CA209-009 mit 91 Patienten untersuchte die pharmakokinetische Aktivität von Nivolumab auf tumorinfiltrierende T-Zellen (TIL) und Serum-Chemokine beim metastasierten klarzelligen Nierenzellkarzinom (2). Vorbehandelte Patienten erhielten randomisiert Nivolumab (q3w) in einer Dosierung von 0,3 mg/kg (n = 22), 2 mg/kg (n = 22) oder 10 mg/kg (n = 23) bis zum Tumorprogress oder zur intolerablen Toxizität. Zudem wurden in einem vierten, nicht randomisierten Studienarm 24 therapienaive Patienten mit 10 mg/kg Nivolumab behandelt. Zum Zeitpunkt der Randomisierung (Baseline) und an Tag 8 des zweiten Therapiezyklus (C2D8) wurden Gewebeproben von Metastasen entnommen. Serum- und Blutproben wurden zur Baseline und über die gesamte Studienperiode gesammelt. Insgesamt wurde bei 17% der Patienten ein partielles Ansprechen nach RECISTKriterien und bei 32% eine Stabilisierung der Erkrankung beobachtet. Nach 24 Wochen waren insgesamt 36% der Patienten progressionsfrei. Klinisch relevante Nebenwirkungen traten bei 18% der vortherapierten und 8% der therapienaiven Patienten auf. Von Beginn der Studie bis zum ersten Tag des vierten Zyklus wurde ein medianer Zuwachs der Serum-
Chemokine CXCL9 und CXCL10 von 90% respektive 30% beobachtet. Die Anzahl von infiltrierenden CD3+-Zellen stieg von der Baseline bis C2D8 um median 78% und jene der CD8+-Zellen um 88%. Die TIL-Inzidenz zur Baseline korrelierte mit einer Verringerung der Tumorlast, die Anzahl der TIL zur Baseline und während der Therapie korrelierte mit dem Ansprechen. Es wurde gehäuft ein Ansprechen bei Patienten mit positivem PD-L1-Status gemäss IHC beobachtet (4/18 Patienten, 22%), aber auch Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren zeigten ein Ansprechen (3/38 Patienten, 8%). In der Phase-I-Studie CA209-016 wurde die Kombination von Nivolumab mit dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab in den Dosierungen 3 mg/kg Nivolumab plus 1 mg/kg Ipilimumab (N3I1, n = 21) oder vice versa 1 mg/kg Nivolumab plus 3 mg/kg Ipilimumab (N1I3, n = 23), jeweils in q3w x4-Zyklen und jeweils vor Nivolumab 3 mg/kg q2w, untersucht (3). Nebenwirkungen vom Grad 3/4 traten insgesamt bei 28,6% (N3I1) beziehungsweise 60,9% der Patienten (N1I3) auf. Häufigste Nebenwirkungen waren Lipase- und ALT-Erhöhungen sowie Diarrhö. 9,5% der Patienten unter N3I1 und 26,1% unter N1I3 brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen ab. Ein Ansprechen erreichten 43% respektive 48% der Patienten. Die PFS-Rate nach 24 Wochen betrug 65% versus 64%, das mediane PFS 36,6 versus 38,3 Wochen. Aufgrund dieser Ergebnisse ist eine PhaseIII-Kombinationsstudie in der Erstlinientherapie des mRCC geplant.
Head-to-Head beim nicht klarzelligen Nierenzellkarzinom
Unter nicht klarzelligem Nierenzellkarzinom (nccRCC) wird eine Gruppe verschiedener Tumoren verstanden. Für diese besteht bis heute keine Standardtherapie. Die randomisierte ESPN-Studie untersuchte die Behandlung mit Everolimus (Afinitor®) (10 mg/Tag) im Vergleich zu je-
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ner mit Sunitinib (Sutent®) (50 mg/Tag) in der Erstlinientherapie des metastasierten nccRCC mit dem PFS als primärem Endpunkt (4). Ein Therapiezyklus bestand aus 4 Wochen Therapie, danach folgten 2 Wochen Therapiepause. Bei Progress wechselten die Patienten in den jeweils anderen Studienarm. 73 Patienten konnten eingeschlossen werden, dann wurde die Studie nach 51 PFS-Ereignissen und 27 Todesfällen frühzeitig geschlossen. Die Daten von 68 Patienten wurden ausgewertet, 44 Patienten darunter wechselten nach Progress in den anderen Studienarm. Beim ASCO-Jahreskongress wurde die finale Auswertung der Studiendaten präsentiert: In der Erstlinie erreichten 1 Patient unter Everolimus und 2 Patienten unter Sunitinib eine partielle Remission und 26 versus 23 Patienten eine stabile Erkrankung. In der Zweitlinie wurde bei 2 Patienten unter Sunitinib eine partielle
Remission und bei 1 Patienten unter Everolimus ein komplettes und bei 1 weiteren ein partielles Ansprechen beobachtet. 9 versus 11 Patienten zeigten eine stabile Erkrankung. Das PFS nach erster Therapielinie betrug im Median 4,1 Monate unter Everolimus und 6,1 Monate unter Sunitinib (p = 0,6) und in der zweiten Therapielinie 2,8 Monate versus 1,8 Monate (p = 0,6). Das Gesamtüberleben (OS) war mit median 14,9 versus 16,2 Monate ebenfalls nicht signifikant verschieden (p = 0,16).
Fazit für die Praxis
Die neoadjuvante Gabe von Pazopanib kann beim klarzelligen Nierenzellkarzinom zu einer Schrumpfung des Tumors führen, die eine partielle Nephrektomie auch in einer Untergruppe von Patienten möglich macht, bei denen sonst eine radikale Nephrektomie notwendig wäre. Beim klarzelligen Nierenzellkarzinom
zeigt Nivolumab als Einzelsubstanz Wirk-
samkeit und immunmodulatorische Ef-
fekte sowie vielversprechende Ergebnis-
se in der Kombination mit Ipilimumab.
Everolimus ist Sunitinib beim nicht klar-
zelligen Nierenzellkarzinom nicht überle-
gen.
I
Ine Schmale
Referenzen: 1. Alvarez AL et al.: A phase II study of Pazopanib (O) in patients with localized renal cell carcinoma RCC) to enable partial nephrectomy (PN). ASCO-Jahrestagung 2014, Poster Highlights Session, Abstract #4522. 2. Choueiri TK et al.: Immunomodulatory activity of nivolumab in previously treated and untreated metastatic renal cell carcinoma (mRCC): Biomarker-based results from a randomized clinical trial. ASCO-Jahrestagung 2014, Clinical Science Symposium, Abstract #5012. 3. Hammers HJ et al.: Phase I study of nivolumab in combination with Ipilimumab in metastatic renal cell carcinoma (mRCC). ASCO-Jahrestagung 2014, Oral Abstract Session, Abstract #4504. 4. Tannir NM et al.: Everolimus versus sunitinib prospective evaluation in metastatic non-clear cell renal cell carcinoma (The ESPN Trial): A multicenter randomized phase 2 trial. ASCO-Jahrestagung 2014, Oral Abstract Session, Abstract #4505.
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