Transkript
Kongressbericht
55th ASH Annual Meeting of American Society of Hematology, New Orleans; 7. bis 10. Dezember 2013
Multiples Myelom/Lenalidomid
Frühere und kontinuierliche Therapien für ein Langzeitüberleben
In der Behandlung des Multiplen Myeloms zeichnen sich neue Strategien ab: Bei Patienten mit neu diagnostizierter Krankheit («smouldering myeloma») mit nachgewiesenem hohem Progressionsrisiko zeigt die frühe, kontinuierliche Therapie (Upfront) deutliche Überlebensvorteile gegenüber dem bisherigen Standard «watch & wait» und Kurztherapie bei Symptombeginn. Bei vorbehandelten Patienten hat die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid in einer Metaanalyse randomisierter Studien einen signifikanten Überlebensvorteil.
Dies zeigten neue, auf dem ASH-Jahresmeeting präsentierte Studienresultate mit Lenalidomid (Revlimid®), darunter erste bedeutsame Resultate bei Patienten im Krankheitsfrühstadium, die sich für eine Stammzelltherapie nicht eigneten.
Neue Option im Frühstadium bringt signifikant verbessertes PFS und OS
Bei Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom, welche sich nicht für eine Stammzelltherapie eignen (NDMM), sind nach bisherigem Standard – nach einem «watch & wait» – höchstens kurze therapeutische Interventionen vorgesehen, während kontinuierliche Behandlungen erst in der Rezidivsituation zur Anwendung kommen. Auf einer Plenarsitzung beim ASH-Jahresmeeting präsentierte Dr. med. Thierry Facon, Lille/Frankreich, erste Resultate der multizentrischen, offenen Phase-IIIStudie FIRST (= Frontline Investigation of Lenalidomide + Dexamethasone versus standard Thalidomide) (1), in der Wirksam- und Verträglichkeit der Kombination Lenalidomid (Revlimid®)/niedrig dosiertes Dexamethason (Rd) mit der Standardbehandlung aus Melphalan, Prednison und Thalidomid (MPT) verglichen wurden. Gesamthaft nahmen 1623 Patienten über 65 Jahre mit neu diagnostizierter Krankheit, aber aufgrund von Alter oder/und weiteren Krankheitsfaktoren für eine Stammzelltransplantation ungeeignet, an der Studie teil. Sie wurden in 3 Therapiearme randomisiert:
L Arm A: Kontinuierliche Therapie mit Lenalidomid/niedrig dosiertem Dexametason (Rd) (28-Tages-Zyklen) bis zur Krankheitsprogression
L Arm B: Rd-Therapie (28-TagesZyklen) während eines Zeitraums von 72 Wochen (18 Zyklen)
L Arm C: MPT-Therapie (42-Tages-Zyklen) während 72 Wochen (12 Zyklen).
Untersuchungen nach den Kriterien der International Myeloma Working Group erfolgten nach jedem Zyklus. Primärer Endpunkt war der Vergleich des PFS in Arm A versus Arm C. Zu den sekundären Endpunkten zählten Gesamtüberleben (OS), Gesamtansprechrate (ORR), Zeit bis zum Ansprechen, Ansprechdauer, Sicherheit und Lebensqualität.
Resultate Nach einer medianen Beobachtungsperiode von 37 Monaten traf die Studie ihren primären Endpunkt zum PFS: Für jene Patienten, die die kontinuierte RdTherapie in Arm A erhielten, war die Wahrscheinlichkeit für Krankheitsprogression oder Tod um mehr als ein Viertel (28%) verringert verglichen mit Patienten unter der MPT-Behandlung (Hazard Rate, HR = 0,72; p = 0,00006). Das Ergebnis war in Arm A auch besser als in Arm B (Rd 18; HR = 0,70). Das präsentierte 3-Jahres-PFS betrug in Arm A 42%, aber nur 23% unter Rd 18 (Arm B) und unter MPT (Arm C). Sekundäre Endpunkte: Die Patienten in den Rd-Therapie-Armen (Arme A und B) zeigten in der geplanten Interimsanalyse
ebenfalls ein verbessertes Gesamtüberleben gegenüber Arm C, und zwar eine um 22% reduzierte Mortalitätsreduktion in Arm A gegenüber Arm C (HR = 0,78; p = 0,01685). Auch die anderen sekundären Endpunkte waren in Arm A am günstigsten: Die ORR betrug 75% (vs. 62%; p < 0,00001), die mediane Ansprechdauer 35 Monate in Arm A (HR = 0,63; p < 0,00001). Dazu waren die Grad-3- und -4-Nebenwirkungen in Arm A meist verringert: Neutropenie (28% vs. 45%), Thrombozytopenie (8% vs. 11%), febrile Neutropenie (1% vs. 3%), Infektion (29% vs. 17%), Neuropathie (5% vs.15%). Auch das Auftreten sekundärer hämatologischer Neoplasien war seltener (0,4% vs. 2,2%), das solider Zweittumoren allerdings identisch (2,8%) mit den Vergleichsarmen. Dr. Facon folgerte, dass die kontinuierliche orale Lenalodomid-basierte Primärtherapie bei nicht transplantablen Patienten ein neuer Standard sein sollte. Erhaltungstherapie mit signifikanten PFS und OS ... Bisher war unklar, ob bei vorbehandelten Patienten mit Multiplem Myelom nach Induktionstherapie allein oder nach autologer Stammzelltherapie eine Erhaltungstherapie mit Lenalidomid Vorteile, besonders hinsichtlich des Gesamtüberlebens, bringt. Ein systematisches Studienreview mit folgender Metaanalyse aller bis Juni 2013 elektronisch publizierter Resultate aus randomisierten, kontrollierten Studien, welche die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid versus Plazebo/keine Erhaltungstherapie untersuchten, sollte diesbezüglich Klarheit bringen. Preet Paul Singh, Rochester/Minnesota, stellte die Resultate (2) vor. 4 randomisierte kontrollierte Studien sowie 1 Abstract mit den gewünschten Kriterien mit fast 2000 Patienten konnten in die Metaanalyse aufgenommen werden. Die Analyse ergab eine signifikante Verlängerung des PFS (HR: 0,49; p < 0,001) 30 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2014 Kongressbericht 55th ASH Annual Meeting of American Society of Hematology, New Orleans; 7. bis 10. Dezember 2013 wie auch eine Verbesserung des OS (HR = 0,77; p = 0,013) unter der Lenalidomid-Erhaltungstherapie. ... allerdings mit deutlichen Nebenwirkungen Bezüglich der unerwünschten Wirkungen zeigte sich allerdings ein fast verdoppeltes Risiko für Zweitmalignome (OR 1,99; 95%-KI: 1,31–3,04; p = 0,001). Im Vergleich zu den Plazeboarmen waren Grad3- bis -4-Nebenwirkungen erhöht (Neu- tropenie: Odds Ratio, OR 4,9; Thrombo- zytopenie: OR 2,7; Fatigue: OR 2,3 und venöse Thromboembolie: OR 3,2); auch waren die Abbruchraten im Verumarm signifikant höher (OR 2,9). Die Unterschiede bei den Schätzungen des Gesamtüberlebens aufgrund ver- schiedener Studienprotokolle sollten bei jeder Interpretation berücksichtigt wer- den, so der Referent. L Bärbel Hirrle Interessenkonflikte: Die Autorin erhielt eine Reisekostenerstattung der Agentur WeberShandwick. Quellen: 1. Facon, Th.: Initial Phase 3 Results Of The First (Frontline Investigation Of Lenalidomide + Dexamethasone Versus Standard Thalidomide) Trial (MM-020/IFM 07 01) In Newly Diagnosed Multiple Myeloma (NDMM) Patients (Pts) Ineligible For Stem Cell Transplantation (SCT). ASH 2013 Plenary Session oral presentation, Blood 2013; Abstract 2. 2. Singh, P.: Lenalidomide Maintenance Therapy In Multiple Myeloma: A Meta-Analysis Of Randomized Trials. ASH 2013; Blood Abstract 407. Multiples Myelom Neue Ansätze nach der Erstlinientherapie Nachdem sich seit einigen Jahren Bortezomib (Velcade®) und Lenalidomid (Revlimid®) in der Erstlinientherapie beim Multiplen Myelom etabliert haben, wird aufgrund positiver Studienresultate erwartet, dass sich neue Therapeutika – ein Proteasominhibitor und ein Immunmodulator der jeweils zweiten Generation – sehr bald in der rezidivierten Situation im klinischen Alltag einsetzen lassen. In den USA respektive in der EU sind die neuen Substanzen – der Immunmodulator Pomalidomid (2013 in den USA und Europa) und der Proteasominhibitor Carfilzomib (2013 in den USA) – zur Therapie des mit Bortezomib und Lenalidomid vorbehandelten Myeloms zugelassen. Auf dem ASH-Meeting wurde deutlich, dass sich die Therapiepipeline in den nächsten Jahren deutlich erweitern wird. Pomalidomid-Kombination bei stark vorbehandelten Patienten Zu der zulassungsrelevanten MM-003Studie, die Pomalidomid/Dexamethason mit hoch dosiertem versus niedrig dosiertem Dexamethason bei meist doppelt refraktären Patienten untersuchte, wurden finale Daten vorgestellt. In die multizentrische, randomisierte, offene Studie wurden 455 stark vorbehandelte Patienten eingeschlossen (median 5 Vortherapien). Sie wurden 2:1 randomisiert in eine Gruppe mit 4 mg Pomalidomid (Tag 1–21, alle 28 Tage) plus niedrig dosiertes Dexame- thason (LoDex; 40 mg/Tag, Tag 1, 8, 15, 22) (n = 302) oder eine Gruppe mit hoch dosiertem Dexamethason (HiDex; Tage 1–4, 9–12; 17–20) (n = 152). Nach median 10 Monaten betrug das PDF unter Poma- lidomid plus LoDex 4,0 Monate (3,6–4,7) und unter HiDex 1,9 Monate (1,9–2,2). Statistisch signifikant war ebenfalls der Unterschied des Gesamtüberlebens mit 12,7 versus 8,1 Monaten (Hazard Ratio: 0,74). Die häufigsten hämatologischen Grad-3- bis -4-Nebenwirkungen waren Neutropenie (48 vs. 19% LoDex vs. HiDex) und Anämie (33 vs. 37%). L hir Quelle: San Miguel JF et al.: Patient Outcomes By Prior Therapies and Depth Of Response: Analysis Of MM-003, a Phase 3 Study Comparing Pomalidomide + Low-Dose Dexamethasone (POM + LoDEX) Vs High-Dose Dexamethasone (HiDEX) In Relapsed/Refractory Multiple Myeloma (RRMM). Blood ASH Annual Meeting 3013; Abstract 686. SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 1/2014 31