Transkript
GYNÄKOLOGIE/UROLOGIE
Brustkrebs im Frühstadium
Neue Ansätze in der adjuvanten Therapie
In der adjuvanten Behandlung bei hormonrezeptorpositiven (HR+) Mammakarzinomen zeichnen sich neue Strategien ab gemäss wichtigen Studien am ASCO 2023: Ein Verzicht auf Chemotherapie bei einem Grossteil der Frauen mit HER2-positiven Tumoren (unter dualer HER2-Blockade) und der Einsatz von CDK4/6-Hemmern bei Frauen mit HR+/H, HER2-negativen Tumoren gehören zu den vielversprechenden Ansätzen nach differenzierter Patientinnenselektion. Neue Erkenntnisse gab es auch bei sehr jungen Patientinnen.
HER2-positive (HER2+) Tumoren: Wer kann auf Chemotherapie verzichten?
Die Studie PHERGain (1) untersucht, in welcher Situation auf eine neoadjuvante Chemotherapie im Rahmen einer dualen HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab bei Frauen mit frühem, operablem, HER2-positivem Brustkrebs verzichtet werden kann. Dazu wurde eine PET-basierte, an das pathologische vollständige Ansprechen (pCR) angepasste Strategie angewandt. In einer früheren Analyse dieser internationalen, randomisierten, offenen Studie (2) waren unter dieser Strategie 227 (79,7%) von 285 Patientinnen identifiziert worden (Gruppe B dieser Studie). Sie galten als sogenannte PET-Responder, und von ihnen erreichten 86 von 227 eine pCR. Diese Patientinnen wurden identifiziert als solche, die wahrscheinlich von einer chemotherapiefreien dualen HER2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab profitieren. Am ASCO 2023 wurden nun Studienresultate zum invasiven krankheitsfreien Überleben (iDFS) über 3 Jahre präsentiert für die Patientinnen, die nach neoadjuvanter Therapie operiert wurden (zweiter primärer Endpunkt). Verglichen wurden die PET-Responder, die nur Trastuzumab/Pertuzumab (sowie eine endokrine Therapie, sofern HR-positiv) erhielten (Studiengruppe B), mit denen, die keine PET-Responder waren und zudem neoadjuvant Chemotherapie erhielten (Studiengruppe A).
Resultate Der zweite primäre Endpunkt wurde erreicht: Die 3-JahresiDFS-Rate für die Patientinnen der Gruppe B (ITT-Population, n = 84) betrug 95,4 Prozent (95%-KI: 92,8–98,0). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43,3 Monaten (Spanne: 2,4–63,0) wurden insgesamt 12 iDFS-Ereignisse gemeldet, darunter 8 Fernrezidive (3,0%), 3 ipsilaterale Lokalrezidive (1,1%) und ein nicht damit zusammenhängender Todesfall (0,4%). Von den PET-Respondern mit pCR (n = 86) hatte nur 1 Patientin ein invasives Ereignis (lokoregionäres ipsilaterales Rezidiv); dies entspricht einer 3-Jahres-iDFSRate von 98,8 Prozent (95%-KI: 96,3–100,0).
Die Nebenwirkungen in dieser Studie waren erwartungsgemäss am höchsten in der Gruppe A unter Chemotherapie plus dualer HER2-Blockade (Grad ≥ 3: 61,8% vs. 32,9%). Die PET-Responder mit pCR hatten eine sehr geringe Therapienebenwirkungsrate (Grad ≥ 3: 1,2%) und gar keine schweren Nebenwirkungen. Die Studienleiter stellten fest, dass diese PET-basierte, pCR-adaptierte Strategie etwa ein Drittel der Patientinnen mit HER2+, frühem Brustkrebs identifizieren kann, bei denen unter dualer HER2-Blockade eine neoadjuvante Chemotherapie entfallen sollte. Meist ohne belastende Nebenwirkungen können diese Frauen ein deutliches 3-Jahres-iDFS erreichen.
HR+, HER2-negative Tumoren: CDK4/6-Hemmer in der Adjuvanz
Der CDK4/6(zyklinabhängige Kinase 4/6)-Hemmer Palbociclib war der erste seiner Art, der für fortgeschrittenen HR+/ HER2-negativen Brustkrebs zugelassen wurde infolge der sehr positiven Ergebnisse der PALOMA-Studien. Auch der CDK4/6-Inhibitor Ribociclib plus endokrine Therapie brachte bei prä- und postmenopausalen Patientinnen mit HR+/HER2-negativem fortgeschrittenen Brustkrebs in den MONALEESA-Studien einen deutlichen Überlebensvorteil; er ist in der Schweiz ebenfalls zugelassen.
NATALEE-Studie mit 5101 Patientinnen und Patienten
Aktuell wurde der Einsatz des CDK4/6-Hemmers Ribociclib in der adjuvanten Situation in der Ergänzung zur endokrinen Therapie untersucht: Die Phase-III-Studie NATALEE mit Ribociclib/Aromatasehemmer fand in einer ersten, vordefinierten Zwischenanalyse eine signifikante, klinisch bedeutsame Verbesserung des iDFS unter guter Verträglichkeit bei Frauen und auch Männern mit HR+/HER2- frühem Brustkrebs (3). Eingeschlossen waren Patienten und Patientinnen im Stadium II oder III mit Rezidivrisiko. Da laut der Studienautoren eine längere Behandlungsdauer entscheidend ist, um den Stillstand des Zellzyklus zu verlängern und mehr Tumorzellen in die Seneszenz oder den Tod zu treiben, wurde eine Behandlungsdauer von 3 Jahren mit Ribociclib in einer Dosis von 400 mg
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gewählt, womit die Verträglichkeit verbessert und gleichzeitig die Wirksamkeit erhalten werden sollte. Prä- und postmenopausale Frauen sowie Männer wurden 1:1 randomisiert für Ribociclib plus Aromatasehemmer (Letrozol oder Anastrozol) versus Aromatasehemmer allein. Männer und prämenopausale Frauen erhielten zusätzlich Goserelin. Die Patienten und Patientinnen hatten einen guten Allgemeinzustand (PS 0 bis 1) und waren im Stadium IIA, IIB oder III; eine vorangegangene (neo-)adjuvante Hormontherapie war erlaubt, wenn sie ≤ 12 Monate vor der Randomisierung begonnen worden war. Die vordefinierte Zwischenanalyse zum iDFS (primärer Endpunkt) wurde festgesetzt bei zirka 425 iDFS-Ereignissen. Nach der Randomisierung zwischen Januar 2019 und April 2021 wurden 2549 beziehungsweise 2052 Patienten behandelt; nach Daten-Cut-off im Januar 2023 betrug das mediane Follow-up 34 Monate (mindestens 21). Eine Therapie von 3 oder 2 Jahren durchliefen 515 Patienten und Patientinnen (20,2% bzw. 56,8%). Die restlichen 3810 (74,7%) blieben unter ihrer Behandlung.
Wichtige Resultate Die Zwischenanalyse zeigte unter der Kombination Ribociclib/Aromatasehemmer ein signifikant längeres iDFS als unter Aromatasehemmer allein (Hazard Ratio [HR]: 0,748; 95%KI: 0,618–0,906). Die 3-Jahres-iDFS-Raten betrugen 90,4 gegenüber 87,1 Prozent. Der Nutzen des iDFS war generell konstistent bei allen vordefinierten Stratifizierungsfaktoren (Menopausenstatus, Krankheitsstadium, vorherige Chemotherapie, geografische Wohnregion). Die erhobenen sekundären Endpunkte wie Gesamtüberleben, rezidivfreies und fernmetastasenfreies Überleben waren günstiger unter der Ribociclib-Zugabe. Diese Behandlung zeigte wie erwartet ein gutes Verträglichkeitsprofil. Die Studienärzte folgern aus diesem Ergebnis, dass Ribociclib plus Aromatasehemmer Therapie der Wahl für eine sehr breite Palette von Patientinnen und Patienten mit frühem, HR+/HER2-Brustkrebs im Stadium II oder III respektive bei N0-Erkrankung sein wird.
Jüngere Patientinnen: starker Effekt der ovariellen Ablation/Suppression
Wie wichtig ist die Unterdrückung der Funktion der Eierstöcke bei prämenopausalen Brustkrebspatientinnen für die langfristige Rezidivprophylaxe und Überlebensprognose? Eine Metaanalyse 25 relevanter randomisierter Studien mit knapp 15 000 jüngeren Brustkrebspatientinnen, in denen die ovarielle Ablation beziehungsweise Suppression mit keiner solchen in der Tumorbehandlung verglichen wurde, fand Antwort. In die Primäranalyse waren prämenopausale Frauen unter 55 Jahren mit HR-positivem oder unbekanntem Tumorstatus einbezogen und stratifiziert in eine Gruppe, die keine Chemotherapie erhielten oder die nach einer Chemotherapie prämenopausal blieben, und in eine andere Gruppe, bei der der Menopausenstatus nach der Chemotherapie nicht ermittelt wurde. Mit Standard-Log-Rank-Methoden wurden ER-gewichtete jährliche Ereignisraten (relative Risiken; RR) geschätzt.
Wichtige Resultate
Insgesamt zeigte sich, dass weniger Tumorrezidive auftraten,
wenn eine ovarielle Suppression beziehungsweise Ablation
erfolgt war (RR: 0,82; 95%-KI: 0,77–0,88). Zu signifikant
mehr Verringerungen von Rezidiven kam es bei den Frauen,
die vor der Suppression prämenopausal waren (RR: 0,70); als
bei denjenigen, deren Menopausenstatus nach der Chemo-
therapie unbekannt war (RR: 0,91; p = 0 ,03). Bei den prä-
menopausalen Frauen wurde das 15-Jahres-Rezidivrisiko um
12,1 Prozent verringert (28,9% vs. 41,0%). Auch die 15-Jah-
res-Brustkrebs- und Gesamtmortalität reduzierte sich um
8,0 Prozent (20,9% vs. 28,9%; RR: 0,69) respektive um
7,2 Prozent (26,0% vs. 33,1%; RR: 0,73). Sehr interessant
war zudem, dass der grösste Effekt die prämenopausalen
Frauen unter 45 Jahren betraf und mit signifikanten Verrin-
gerungen des Rezidivrisikos (RR: 0,63) einherging im Ver-
gleich zu prämenopausalen Patientinnen im Alter von 45 bis
55 Jahren (RR: 0,84), ohne dass deutliche Unterschiede bei
anderen Patientinnen- oder Tumorcharakteristika relevant
waren.
Die Studienleiter folgern, dass die ovarielle Ablation/Suppres-
sion insbesondere für jüngere Patientinnen unter 45 Jahren
mit Brustkrebs im Frühstadium essenziell ist zur Sicherung
der langfristigen Rezidivprophylaxe.
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Bärbel Hirrle
Quelle: ASCO-Jahreskongress 2023.
Referenzen: 1. Cortes J et al.: 3-year invasive disease-free survival (iDFS) of the strate-
gy-based, randomized phase II PHERGain trial evaluating chemotherapy (CT) de-escalation in human epidermal growth factor receptor 2-positive (HER2[+]) early breast cancer (EBC). ASCO 2023; Abstract #LBA506. 2. Perez-Garcia JM et al.: Chemotherapy de-escalation using an 18F-FDGPET-based pathological response-adapted strategy in patients with HER2-positive early breast cancer (PHERGain): a multicentre, randomised, open-label, non-comparative, phase 2 trial. Lancet Oncology. 2021;22(6):858-871. 3. Slamon DJ et al.: Phase III NATALEE trial of ribociclib + endocrine therapy as adjuvant treatment in patients with HR+/HER2– early breast cancer. Oral Abstract Session. ASCO 2023; Abstract #LBA500. 4. Gray RG et al.: Effects of ovarian ablation or suppression on breast cancer recurrence and survival: Patient-level meta-analysis of 14,993 pre-menopausal women in 25 randomized trials. ASCO 2023 (oral abstract session), Abstract #503). 5. Brown LC et al.: Evaluation of PAM50 intrinsic subtypes and risk of recurrence (ROR) scores in premenopausal women with early-stage HR+ breast cancer: A secondary analysis of the SOFT trial. ASCO 2023; Abstract #504. 6. Tesch ME et al.: Association of tumor-infiltrating lymphocytes (TILs) with clinicopathologic characteristics and prognosis in young women with HR+/HER2- breast cancer (BC). ASCO 2023; Abstract #505.
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