Transkript
BERICHT
COPD-Therapie
Mehr als nur Inhalationen
Die Inhalationstherapie zur Behandlung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung ist etabliert und deren Nutzen nachgewiesen. Dennoch beschränken sich die therapeutischen Massnahmen nicht nur auf die Inhalation. Wichtig in diesem Zusammenhang sind ausserdem die Eindämmung der Entzündung, Krafttraining und Impfungen zur Infektprophylaxe.
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist die häufigste Todesursache unter den chronischen Pneumopathien. Ihre Entwicklung wird vor allem begünstigt durch das Tabakrauchen, aber auch viele epigenetische Faktoren wie genetische Veranlagung, rezidivierende sowie frühkindliche Infekte oder Luftverschmutzung können die Entstehung einer COPD begünstigen. Prädisponierend kann sich ein Raucherstatus einer schwangeren Frau auf das ungeborene Kind auswirken, aber auch die Infekthäufigkeit, die Ernährung oder eine atopische Dermatitis können einen Einfluss auf das Kind haben (1). Bei der COPD tragen eine gestörte Autophagozytose, die unzureichende Entfernung abgestorbener Zellen, oxidativer Stress, Autoimmunreaktionen sowie schädliche Signale von Immunzellen auf die Zellschicht an den Innenwänden der Lungenbläschen zum Fortschreiten der Erkrankung bei (2). Bei Auftreten von rezidivierenden Infekten komme es unter anderem zu einer Verbreiterung des Alveolenepithels durch Anlagerung von Elastin und Kollagen, was zu einer zunehmenden Behinderung des Gasaustauschs führe, erklärte Dr. Kathleen Jahn, Leiterin Interventionelle Pneumologie, Universitätsspital Basel, am FOMF Allgemeine Innere Medizin in Basel (2). Relevant für die Prognose sind unter anderem der Performancestatus, die Anzahl spitalpflichtiger Exazerbationen und der Bedarf an Sauerstofftherapie. Zusätzlich erschwerend wiegt eine hohe Eosinophilenzahl als additive endo-
KURZ & BÜNDIG
� Bei COPD wirkt Rauchstopp jederzeit protektiv.
� Die Optimierung der peripheren Muskelreserve durch Training verbessert die Dyspnoe.
� Die frühzeitige Diagnose eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels kann die Zerstörung der Lungenstruktur verlangsamen.
� Die Inhalationstherapie der COPD erfolgt gemäss GOLDSchema.
bronchiale zelluläre Inflammation zusätzlich zur Destruktion des Bronchialepithels. Für die Therapie ist es demnach wichtig herauszufinden, welche Faktoren die COPD zusätzlich negativ beeinflussen. Dies sollte möglichst frühzeitig erfolgen, das heisst auch schon bei Kindern mit rezidivierenden Atemwegsinfekten. Die Festlegung der Therapie erfolgt nach den GOLD-Kriterien (2024) (3), einerseits anhand des Schweregrads aufgrund des forcierten Exspirationsvolumens in 1 Sekunde (FEV1) und andererseits anhand der Symptomschwere und der Häufigkeit von Exazerbationen. Bei keiner oder 1 nicht spitalpflichtigen Exazerbation und leichterer Symptomatik, festgestellt anhand der Punktzahl bei den Fragebögen zur Dyspnoe des Modified Medical Research Council (mMRC; 0–1) und des COPD Assessment Test (CAT; < 10), werden die Patienten in Gruppe A eingeteilt, bei schwererer Symptomatik (mMRC 0–1/CAT ≥ 10) ohne spitalpflichtige Exazerbation in Gruppe B. Patienten mit ≥ 2 Exazerbationen oder ≥ 1 spitalpflichtigen Exazerbation sind unabhängig von der Symptomschwere in Gruppe E eingeteilt (3). Therapeutische Möglichkeiten Für Patienten in Gruppe A empfehlen die GOLD-Guidelines 2024 eine Therapie mit einem Bronchodilatator. Jene in Gruppe B erhalten als Inhalationstherapie ein lang wirksames Betamimetikum (LABA) und einen lang wirksamen Muskarinrezeptorantagonisten (LAMA). Zu bevorzugen sind dabei Kombinationstherapien, um die Adhärenz zu erhöhen. Patienten mit schwerer COPD der Gruppe E erhalten ebenfalls eine Kombination aus LAMA/LABA plus zusätzlich ein inhalatives Glukokortikosteroid (ICS), sofern ihre Eosinophilenzahl ≥ 300 liegt (3). Bei akuter Hyperreagibilität der Lunge oder bei einer Überlappung mit einer Asthmaerkrankung können ICS ebenfalls eingesetzt werden. Eine etwas erhöhte Pneumonierate muss dabei aber bedacht werden (3). Neben der medikamentösen Therapie sei auf jeden Fall ein Rauchstopp wichtig, so Jahn. Egal wann dieser erfolgt, ist er laut der Pneumologin zu jedem Zeitpunkt protektiv. Denn die Lungenfunktion verschlechtert sich ab dem Zeitpunkt des Stopps wesentlich langsamer als im noch aktiven Raucher- 248 ARS MEDICI 11 | 2024 BERICHT status. Zusätzlich sollte die periphere Muskelreserve zur Verbesserung der Dyspnoe mit Training optimiert werden. Ausserdem steht laut der Expertin jedem COPD-Patienten 1-mal jährlich eine ambulante oder stationäre Rehabilitation mit Atemphysiotherapie und Krafttraining zu. Das sollte auch genutzt werden, denn es schleichen sich immer wieder Fehler bei der Inhalationstechnik ein, und auch das Niveau der muskulären Aktivierung sinkt mitunter. Zur weiteren Therapie können eine Sauerstoffheimtherapie je nach Bedarf zum Einsatz kommen sowie eventuell eine nicht invasive Ventilation. Besteht ein genetisch prädisponierter A1AT(Alpha-1-Antitrypsin)-Mangel, führt dieser unter anderem zu einer Zerstörung des Elastins und in der Folge zu einem Lungenemphysem. In Kombination mit Rauchen und häufigen Infekten schreitet die Zerstörung der Lungenstruktur schneller voran. Ein normaler A1AT-Blutspiegel liegt zwischen 0,8 und 2 g/l. Häufig ist dieser Mangel unterdiagnostiziert und wird erst mit einer Verspätung von 5 bis 10 Jahren diagnostiziert. Wird der Mangel jedoch früh genug entdeckt, kann eine weitere Zerstörung der Lunge mit einer Substitution durch wöchentliche Kurzinfusionen eines Antitrypsin-1-Proteinase-Hemmers (Prolastin®, Respreeza®) aufgehalten und die Exazerbationsrate verringert werden. Antibiotika zur Immunmodulation Die durch die Entzündung bedingte Proliferation von Alveolarmakrophagen, Neutrophilen und T-Zellen führt zu vermehrten Exazerbationen, und die chronische Entzündung fördert die Destruktion des Lungenparenchyms. Bei einer chronischen Inflammation der Atemwege wie bei COPDPatienten kann der Add-on-Einsatz von Makroliden, zum Beispiel von Clarithromycin, in immunmodulatorischer Dosis (250–500 mg 3-mal/Woche morgens) für 12 Monate erwogen werden. In dieser Dosis wirke das Makrolid nicht antibiotisch und fördere damit keine Resistenzen, so Jahn. Nach 12 Monaten kann ein Absetzversuch unternommen werden. Impfungen als Prophylaxe Zur Prophylaxe von infektbedingten Exazerbationen oder Verschlechterung der COPD sollten COPD-Patienten geimpft werden. Dazu gehören Impfungen gegen Influenza, gegen SARS-CoV-2, gegen Pneumokokken sowie gegen Herpes. Eine Impfung gegen Pneumokokken ist empfohlen unter anderem bei chronischen Erkrankungen. Diese Impfung schaffe einen Überlebensvorteil, so die Expertin. Zur Verfügung stehen verschiedenvalente Impfstoffe: Pneumovax® (23-valent), Prevenar® (konjugiert, 13-valent), Vaxneuvance® (konjugiert 15-valent) und bald auch ein 20-valenter Konjugatimpfstoff. Therapien in spe Möglicherweise können in Zukunft CFTR(cystic fibrosis transmembrane conductance regulator)-Modulatoren (Ele- xacaftor, Lumacaftor, Tezacaftor) auch zur Behandlung der COPD eingesetzt werden. CFTR-Modulatoren sind eigent- lich Medikamente gegen zystische Fibrose. Sie greifen direkt in der Zellmembran am Chloridkanal an. Die Effekte beru- hen auf dem erhöhten Transport des Chloridtransporters CFTR an die Zelloberfläche und der Regulation der Chlorid- funktionsstörung und damit der Mukusverflüssigung. Bei Patienten mit COPD besteht die Problematik unter ande- rem aus dem festsitzenden Schleim in den Atemwegen, was zur Überblähung des dahinterliegenden Lungengewebes res- pektive zum Emphysem führt, wodurch die Alveolen zerplat- zen. Durch Behebung der Verflüssigung des Schleims kann dieser besser abgehustet werden. Mit einer CFTR-Therapie könnten ausserdem weitere Trig- ger für eine Exazerbation wie beispielsweise Pneumonie, der ICS-Verbrauch und die schnelle FEV1-Abnahme verringert werden, so Jahn. In Zukunft werden auch Biologika für die COPD-Therapie zur Verfügung stehen. Der rekombinant hergestellte humane monoklonale IgG4-Antikörper Dupilumab ist bereits für ver- schiedene Indikationen zugelassen. Das Biologikum inhibiert die Signaltransduktion von IL-4 und IL-13 und hemmt da- durch die Typ-2-Inflammantion deutlich. Eine Studie bei COPD-Patienten mit Eosinophilen > 300 zeigte nach 52 Wo-
chen unter Dupilumab im Gegensatz zu Plazebo eine deutli-
che Verringerung der Exazerbationsrate, eine leicht bessere
Lungenfunktion, deutlich weniger schwere Symptome und
eine bessere Lebensqualität (4). Mepolizumab wird laut Jahn
ebenfalls für die Indikation COPD getestet, Resultate dazu
stehen jedoch noch aus.
s
Valérie Herzog
Quelle: «Obstruktive Lungenerkrankungen», Forum für medizinische Fortbildung (FOMF) Allgemeine Innere Medizin, 1.2.24 in Basel
Referenzen: 1. Stolz D et al.: Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary
disease: a Lancet Commission. Lancet. 2022;400(10356):921-972. doi:10.1016/S0140-6736(22)01273-9. 2. Kapellos TS et al.: The impact of the immune system on lung injury and regeneration in COPD. Eur Respir J. 2023;62(4):2300589. Published 2023. doi:10.1183/13993003.00589-2023. 3. Global strategy for the diagnosis, management, and prevention of chronic pulmonary disease (2024 Report). www.goldcopd.org. Letzter Abruf: 22.3.24. 4. Bhatt SP et al.: Dupilumab for COPD with type 2 inflammation indicated by eosinophil counts. N Engl J Med. 2023;389(3):205-214. doi:10.1056/ NEJMoa2303951.
ARS MEDICI 11 | 2024
249