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49th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2013
Metastasiertes NSCLC
Praxisrelevante Entwicklungen in der Therapie des molekular nicht definierten Lungenkarzinoms
Das nicht kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) kann nicht länger als eine Erkrankung angesehen werden, sondern muss anhand der Mutationsanalyse charakterisiert werden, so der Tenor auf der diesjährigen ASCO-Jahresversammlung. 2013 wurden praxisrelevante Studien zur Erst- und Zweitlinientherapie vor allem für das molekular nicht definierte NSCLC präsentiert.
Regelmässig durchgeführte Testungen zur EGFR-Mutation und ALK-Genfusion führen heute bereits zu personalisierten Therapieansätzen. In der Biomarkers France Database (IFCT) werden zusätzlich die Biomarker HER2, KRAS, BRAF und PI3KCA erfasst. Seit April 2012 wurden 10 000 Analysen gesammelt (1). Auch in den USA wurden in dem 2009 gegründeten Lung Cancer Mutation Consortium (LCMC) die Tumoren von über 1000 Patienten auf 10 Mutationen untersucht (2). Beide Auswertungen zeichneten ein ähnliches Bild: Die Mehrheit der NSCLC-Patienten sind männlich (63,8 bzw. 60%), Raucher oder Ex-Raucher (83,3 bzw. 65%) und werden mehrheitlich mit einem Tumor im Stadium III/IV vorstellig. Histologisch handelte es sich bei den Tumoren der französischen Patienten in der IFCT in 76,1% der Fälle um Adenokarzinome, in 3,2% um grosszellige Bronchialkarzinome, in 15,4% um andere histologische Subtypen und in 5,3% um squamöse Tumoren. Insgesamt wurden bei nahezu der Hälfte der Tumoren Genanomalien (Genmutationen) festgestellt (vgl. Kasten). Die Mutationen differierten in ihrer Häufigkeit bezüglich des Raucherstatus; so war in der französischen Untersuchung IFCT die häufigste Mutation bei Rauchern die KRAS-Mutation (31,7%), und bei den Nie-Rauchern bestand eine EGFR-Aktivierung (33,2%). In der französischen Analyse zeigte sich, dass die Mutationsanalyse bei 56,9% der Patienten direkt zur Therapieentscheidung beigetragen hat, bei weiteren 11,5% wurde in einer späteren Therapiephase entsprechend der Mutationsanaly-
se entschieden. Bei 31,6% der Patienten erfolgte die Therapiewahl unabhängig vom Mutationsstatus. Die reiferen amerikanischen Daten des LCMC zeigten für 264 Patienten, die mit einer zielgerichteten Therapie entsprechend ihrem Mutationsstatus behandelt wurden, ein durchschnittlich um 1 Jahr verlängertes Überleben im Vergleich zu den Patienten, die keine zielgerichtete Therapie erhielten oder bei denen keine zielführende Mutation identifiziert wurde.
Erstlinientherapie bei molekular nicht definiertem NSCLC
Mehrere Studien befassten sich mit der «optimalen» Erstlinientherapie, wenn keine Mutationen vorliegen oder identifiziert werden.
Studie POINTBREAK: Pemetrexedregime im Vergleich Die Phase-III-Studie POINTBREAK verglich die Regime: ▲ A = Paclitaxel/Carboplatin, danach
Bevacizumaberhaltungstherapie, mit ▲ B = Pemetrexed/Carboplatin/Bevaci-
zumab, danach Pemetrexed plus Bevacizumab (3). 1259 Patienten wurden eingeschlossen, von denen 939 Patienten randomisiert werden konnten. Drei Viertel der Patienten waren jünger als 70 Jahre, und 11% älter als 75 Jahre. Das Ansprechen betrug im Therapiearm B mit Pemetrexed (Alimta®) 34,1% und im Paclitaxelarm 33,0%. Das progressionsfreie Überleben (PFS) war mit median 6,0 versus 5,6 Monaten in der Pemetrexedkombination signifikant verbessert (HR = 0,83; p = 0,012).
Diese Effekte wirkten sich aber nicht signifikant auf das mediane Gesamtüberleben (OS), den primären Endpunkt, aus (OS = 12,6 respektive 13,4 Monate; HR = 1,00; p = 0,949). Eine Subgruppenanalyse in Bezug auf das Alter der Patienten zeigte keine Unterschiede im OS zwischen den Studienarmen, aber einen Vorteil im PFS für Patienten, die jünger als 70 Jahre alt waren. Das Toxizitätsprofil beider Studienarme war in allen Altersklassen tolerierbar und differierte – wie zu erwarten – zwischen den Regimen.
Patienten 65 plus: Zugabe von Carboplatin Ob Carboplatin ( C) eine gute zusätzliche Option zur Kombination Pemetrexed (P)/ Bevacizumab (B) beim älteren Patienten (≥ 65 Jahre) ist, untersuchte eine deutsche multizentrische, offene, randomisierte Phase-III-Studie (4). Nach 4 bis 6 Zyklen Induktionstherapie P + B respektive P + B + C (randomisiert) erhielten die Patienten eine Erhaltungstherapie mit B oder B + P. Der primäre Endpunkt war
Kasten:
Mutationsanalysen und ihre Mitwirkung an der Therapieentscheidung bei NSCLC
Mehr als 10 000 Analysen in der Biomarkers France Database (IFCT) sowie des Lung Cancer Mutation Consortium (LCMC) zeigten, dass bei nahezu der Hälfte der Tumoren Genmutationen bestehen:
▲ Am häufigsten trat eine KRAS-Mutation
auf (27 bzw. 25%),
▲ danach folgten EGFR-aktivierende
Mutationen (9,5 bzw. 17%),
▲ ALK-Fusionsgene (3,7 bzw. 8%), ▲ PI3KCA-Mutationen (2,6 bzw. 1%), ▲ BRAF-Mutationen (1,7 bzw. 2%), ▲ HER2-Mutationen (0,9 bzw. 3%), ▲ andere EGFR-Mutationen (0,8 bzw.
4%),
▲ MET-Mutationen (1%), ▲ NRAS-Mutationen (1%) und ▲ MEK1-Mutationen (< 1%).
20 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE KONGRESSAUSGABE SEPTEMBER 2013
49th Annual Meeting of the American Society of Clinical Oncology (ASCO), Chicago, 31. Mai bis 4. Juni 2013
das PFS. Die Daten von 251 Patienten mit einem medianen Alter von 71 bis 72 Jahren waren auswertbar: Das mediane PFS der ITT-Population betrug 4,8 unter P + B und 6,8 Monate unter P + B + C und war statistisch nicht unterschiedlich (HR = 1,24; p = 0,0783). Das mediane Gesamtüberleben war mit 11,6 (P + B) versus 15,2 Monate (P + B + C) numerisch unter zusätzlicher Carboplatingabe verlängert, erreichte aber keine statistische Signifikanz (HR = 1,159; p = 0,3257). Patienten mit einem ECOG-Performance-Status (PS) 0 bis 1 zeigten unter der Dreierkombination eine signifikante Verlängerung des PFS (5,1 vs. 6,9 Monate; HR = 1,31; p = 0,0426), nicht aber des Gesamtüberlebens (12,0 vs. 15,8 Monate; HR = 1,20; p = 0,2050). Das Auftreten von Nebenwirkungen Grad 3/4 (64,4 vs. 65,4%) und klinisch relevanten Nebenwirkungen (49,2 vs. 48,1%) war in beiden Studienarmen vergleichbar. Die Autoren folgerten, dass die Zugabe von Carboplatin zu Pemetrexed/ Bevacizumab bei älteren Patienten mit gutem Allgemeinzustand zu empfehlen sei.
Studie AVAPERL: Erhaltungstherapie mit Bevacizumab ± Pemetrexed Die Optimierung der Erhaltungstherapie war Ziel der randomisierten AVAPERLStudie der Phase III (5). 376 Patienten erhielten nach Pemetrexed/Cisplatin/ Bevacizumab-Induktionstherapie randomisiert Bevacizumab ± Pemetrexed. Die Induktionstherapie resultierte in einer Krankheitskontrollrate von 71,9%. Das mediane PFS wurde mit der Kombinationserhaltungstherapie signifikant verlängert und betrug ab Randomisierung 7,4 versus 3,7 Monate (HR = 0,57; p < 0,0001). Bei insgesamt 58% eingetretenen Ereignissen konnte eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um 4 Monate beobachtet werden, was allerdings nicht statistische Signifikanz erreichte (17 vs. 13,2 Monate; HR = 0,87; p = 0,26).
Therapieentscheidung in der Zweitlinie bei nicht selektierten Patienten
DELTA: Erlotinib versus Docetaxel Die japanische randomisierte Openlabel-Phase-III-Studie DELTA verglich Erlotinib (150 mg/Tag) mit Docetaxel
(60 mg/m2, q3w) in der zweiten oder dritten Therapielinie (6). Die 301 in die Studie eingeschlossenen Patienten wurden nach EGFR-Status stratifiziert. Der primäre Endpunkt war eine Überlegenheit der Erlotinibtherapie in Bezug auf das PFS. Das Studienziel wurde aber nicht erreicht. Das PFS betrug unter Erlotinib 2,0; unter Docetaxel 3,2 Monate (HR = 1,22; p = 0,092); das OS war 14,8 (vs. 12,2) Monate (HR = 0,91; p = 0,527). Für Patienten mit EGFR-Wildtyp erreichte der Docetaxelvorteil in Bezug auf das PFS statistische Signifikanz (1,3 vs. 2,9 Monate; HR = 1,44; p = 0,013); dieser übertrug sich nicht auf das OS (9,0 vs. 9,2 Monate; HR = 0,98; p = 0,914) – wie bei dieser kleinen Patientenzahl nicht anders zu erwarten. 5,6% (Erlotinibarm) versus 20,0% (Docetaxelarm) der EGFR-Wildtyppatienten sprachen auf die Therapie an.
Studie PROSE In der PROSE-Studie wurde ebenfalls Erlotinib gegen eine Chemotherapie mit Pemetrexed oder Docetaxel verglichen (7). Die Stratifizierung erfolgte in dieser Studie nach dem Biomarkertest VeriStrat, dem Perfomancestatus und dem Raucherstatus. Es zeigte sich, dass für die ITT-Population (n = 263) kein Unterschied im OS (= primärer Endpunkt) mit median 7,7 Monaten unter Erlotinib gegenüber 9,0 Monaten unter Chemotherapie bestand (HR = 1,14; p = 0,313). Dies galt auch für die 69% der Patienten mit guter Prognose laut VeriStrat-Test (10,95 vs. 10,92 Monate; HR = 1,06; p = 0,7144). Bei den Patienten mit schlechter Prognose zeigte sich ein Vorteil der Chemotherapie (2,98 vs. 6,38 Monate; HR = 1,72; p = 0,022). Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie ist sicher, dass der VeriStrat-Test prognostisch und prädiktiv ist, wie der Diskutant, Prof. Luis Paz-Ares, Sevilla/Spanien erklärte.
Fazit für die Praxis
Die Identifizierung von zielgerichteten Therapien für molekular definierte Subtypen des NSCLC ist ein kontinuierlicher Progress. Die Behandlung mit zielgerichteten Therapien entsprechend dem Resultat der Mutationsanalyse verlängert das Überleben der Patienten. Die Unter-
teilung des NSCLC bezüglich des Muta-
tionsstatus sollte vor allem auch im De-
sign von klinischen Studien beachtet
werden, um Entscheidungshilfen für die
Praxis zu erhalten.
Wurden keine Mutationen identifiziert,
so gibt es keinen Anhaltspunkt für eine
«optimale» Erstlinien-Induktions- oder
Erhaltungstherapie. Die Wirksamkeit ist
überwiegend ähnlich, aber die Neben-
wirkungsprofile sind verschieden und
können für den Patienten von Bedeu-
tung sein. Eine Erhaltungstherapie mit
Pemetrexed (Alimta®) plus Bevacizumab
(Avastin®) scheint wirkungsvoller zu sein,
als die alleinige Bevacizumab-Erhaltungs-
therapie.
In der Zweitlinie sollte bei EGFR-Wildtyp-
Patienten, vor allem bei schlechter Pro-
gnose laut VeriStrat-Test, eine Chemo-
therapie der Therapie mit Erlotinib (Tar-
ceva®) vorgezogen werden. Bei guter
Prognose scheinen beide Therapien
ähnlich wirksam.
■
Ine Schmale
Interessenskonflikt: Die Autorin erhielt einen Reisekostenzuschuss von Lilly Deutschland.
Quellen:
1. Barlesi F et al.: Biomarkers (BM) France: Results of routine EGFR, HER2, KRAS, BRAF, PI3KCA mutations detection and EML4-alk gene fusion assessment on the first 10.000 non-small lung cancer (NSCLC) patients. ASCO 2013, Oral Abstract Session, JCO 2013; 31, 15S, Part I/II: Abstr. #8000
2. Johnson BE et al.: A multicenter effort to identify driver mutations and employ targeted therapy in patients with lung adenocarcinomas: The Lung Cancer Mutation Consortium (LCMC). #8019
3. Socinsky MA et al.: A phase III study of pemetrexed (Pem) plus carboplatin (Cb) plus bevacizumab (Bev) followed by maintenance bev in stage IIIb or IV nonsquamous nonsmall cell lung cancer (NS-NSCLC): Overall and age group results. #8004
4. Schuette W et al.: 65 plus: A randomized phase III trial of pemetrexed and bevacizumab versus pemetrexed, bevacizumab, and carboplatin as first-line treatment for elderly patients with advanced nonsquamous, non-small cell lung cancer (NSCLC). #8013
5. Rittmeyer A et al.: Effect of maintenance bevacizumab (Bev) plus pemetrexed (Pem) after first-line cisplatin/Pem/ Bev in advanced nonsquamous non-small cell lung cancer (nsNSCLC) on overall survival (OS) of patients on the AVAPERL (MO22089) phase III randomized trial. #8014
6. Okano Y et al.: Randomized phase III trial of erlotinib (E) versus docetaxel (D) as second- or third-line therapy in patients with advanced non-small cell lung cancer (NSCLC) who have wild-type or mutant epidermal growth factor receptor (EGFR): Docetaxel and Erlotinib Lung Cancer Trial (DELTA). #8006
7. Lazzari C et al.: Randomized proteomic stratified phase III study of second-line erlotinib (E) versus chemotherapy (CT) in patients with inoperable non-small cell lung cancer (PROSE). #LBA8005
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