Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Psychologie
Wie äussern sich kulturspezifische Traumafolgen in der Schweiz?
Belastende Folgen traumatischer Erlebnisse können sich je nach dem Lebensraum des Betroffenen unterscheiden. Wissenschaftler des Psychologischen Instituts der Universität Zürich haben deshalb die speziellen Traumafolgen bei Schweizern aus einer kulturpsychologischen Perspektive untersucht. Viele der in der Studie beobachteten posttraumatischen Veränderungen entsprechen dem kulturübergreifenden Störungsbild der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Andere zentrale Veränderungen nach einem Trauma stehen dagegen im Zusammenhang mit schweizerischen Wertorientierungen. Als kulturspezifische Folgen identifizierten die Forscher besonders häufig posttraumatische Reaktionen, die
sich auf die individuelle Leistungsfähigkeit beziehen, wie den Glauben, um jeden Preis funktionieren und dabei eigene Defizite kompensieren zu müssen. Des Weiteren beobachteten die Forscher eine Tendenz, das mit dem Trauma verbundene Leiden zu verharmlosen. Zudem ist es Schweizern auch weiterhin wichtig, produktive Mitglieder der Gesellschaft zu sein, die Arbeitsstelle zu behalten und die Abhängigkeit von Sozialhilfe zu vermeiden. «Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den zentralen Werten der Schweizer Gesellschaft, die Leistung und Erfolg in den Mittelpunkt stellt», erklärt Erstautorin Rahel Bachem. «Ebenso erzielt die Schweiz hohe Werte beim Individualismus, was bedeutet, dass Unabhängig-
keit, Entscheidungsfreiheit und das eigenständige Verfolgen persönlicher Ziele einen hohen Stellenwert haben.» Einige Studienteilnehmer berichteten allerdings trotz vieler psychischer Schwierigkeiten auch über positive Veränderungen im Kontext des Traumas. Als kulturspezifische Form eines solchen posttraumatischen Wachstums ermittelten die Forscher eine bewusstere und besonders intensive Verbundenheit mit der Natur, die als wichtige Ressource der Schweizer Kultur verstanden werden kann.UZH/PS s
Medienmitteilung der Universität Zürich (UZH)vom 17.04.2024
212
ARS MEDICI 9+10 | 2024