Transkript
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Schwere atopische Dermatitis
Aktuelles zur Systemtherapie bei Neurodermitis
Für die Therapie von Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis sind in den letzten Jahren viele Immunologika neu zugelassen worden. Welche dies sind, hat Prof. Dr. Thomas Werfel, Hannover (D), beim Allergo-Update zusammengefasst. Für die behandelnden Ärzte wissenswert: Vor dem Einsatz von Januskinase-Inhibitoren sollte ein Screening auf Infektionserkrankungen und Thromboembolierisiken erfolgen.
Während bei der Psoriasis schon lange Immuntherapeutika eingesetzt werden, konnte für Patienten mit schwerer atopischer Dermatitis (AD) ein Durchbruch erst 2017 mit Dupilumab, einem Antikörper gegen Interleukin IL-4 und IL-13, erreicht werden. Doch seitdem hat sich die immunologische Forschung bei der AD förmlich überschlagen: Immer neue Biologika wurden zugelassen. Prof. Dr. Thomas Werfel von der Medizinischen Hochschule Hannover (D) hat die aktuellen immunologischen Therapieoptionen beim AllergoUpdate in Berlin zusammengefasst (siehe Tabelle). Des Weiteren können Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolatmofetil erwogen werden, auch wenn für diese Substanzen keine Zulassung für die Indikation AD vorliegt (1).
Neues zu Dupilumab
Aber auch bei dem seit 2017 etablierten Dupilumab geht die Forschung weiter. Es gibt Hinweise, dass Dupilumab einen krankheitsmodifizierenden Effekt hat und sich bei längerfristiger Behandlung auf das Hautmikrobiom auswirkt. Patienten mit AD weisen bekanntlich eine veränderte Hautflora auf, die nicht nur ein Indikator, sondern auch ein Trigger der Entzündung sein kann. Vor allem Staph. aureus ist bei AD stark überrepräsentiert. Ein Vergleich des Hautmikrobioms von AD-Patienten vor und nach einer dreimonatigen Behandlung mit Dupilumab ergab eine Verschiebung der bakteriellen Besiedlung in Richtung eines Musters, wie es bei Gesunden besteht. So nahm die Rate von Staph. aureus auf läsionaler und auf nicht läsionaler Haut ab, der «gute» Keim Staph. hominis nahm dagegen an Häufigkeit zu (2).
kurz & bündig
s Dupilumab hat sich in der Therapie der mittelschweren und schweren atopischen Dermatitis auch für Babys ab sechs Monaten als sicher erwiesen.
s Dupilumab zeigt Zusatzeffekte wie die Normalisierung des Hautmikrobioms. s JAK-Inhibitoren sind als orale Immunologika effektiv. s Vor Einsatz von JAK-Inhibitoren: Thromboembolierisiko abklären.
IL-13-Hemmer 2.0
Auch bei dem seit 2021 zugelassenen Tralokinumab hat sich Neues ergeben: Der IL-13-Hemmer ist in Deutschland seit Ende 2022 auch für die Behandlung von Jugendlichen mit mittelschwerer oder schwerer AD ab dem zwölften Lebensjahr zugelassen. Grundlage für diese Indikationserweiterung war die 52-wöchige Phase-III-Studie ECZTRA 6 mit Patienten von 12 bis 17 Jahren. Ergebnis: Nach 16 Wochen Behandlung lag der Anteil der Patienten in der Verumgruppe, die einen IGA-Score von 0/1 (also eine fast völlig erscheinungsfreie Haut) bzw. einen EASI 75 (eine 75%-ige Verbesserung im Eczema Area and Severity Index) erreichten, signifikant höher als unter Plazebo. Auch Patienten, die nach 16 Wochen Behandlung als Non-Responder eingestuft wurden, profitierten von einer Weiterbehandlung bis Woche 52: Bei 33 Prozent dieser Patienten wurde die Haut ekzemfrei (Investigator Global Assessment IGA 0/1), und 58 Prozent hatten einen EASI 75 erreicht. Dabei wurde Tralokinumab von den Jugendlichen gut vertragen, eine Zunahme von Bindehautentzündungen bis in Woche 52 wurde nicht verzeichnet (3).
Der Neue: Lebrikizumab
Seit September letzten Jahres ist in Deutschland ein weiterer IL-13-Inhibitor für die Behandlung von AD-Patienten zugelassen: Lebrikizumab. Der Antikörper hemmt die Interaktion von IL-13 mit seinen Rezeptoren, insbesondere dem IL-4-Rezeptor-alpha (IL-4Ra)- und dem IL-13-Rezeptor-alpha-1 (IL-13Ra1)Komplex. Damit wird die IL-13-vermittelte Signalübertragung unterbrochen, was zu einer Reduktion der Entzündungsreaktionen führt. Die Zulassung beruht vor allem auf zwei Phase-III-Studien bei Kindern (≥ 12 Jahre), Jugendlichen und Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer AD. Die Patienten erhielten entweder s.c. Injektionen von 250 mg Lebrikizumab alle zwei Wochen (500 mg bei Studienbeginn und in Woche 2), bzw. Plazebo. Unter Lebrikizumab kam es zu einer signifikanten Besserung von Hautscores, Juckreiz und Schlafstörungen (4).
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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Tabelle:
Systemische Behandlung der AD
Intervalltherapie
Langzeittherapie
Ciclosporin (ab 16 J.)
Interleukin-Inhibitoren s Dupilumab (Dupixent®): neuerdings ab 6 Monaten s Tralokinumab (Adtralza®): in CH ab 18 Jahren s Lebrikizumab (Ebglyss®): ab 12 Jahren, in CH noch nicht
zugelassen
Januskinase-Inhibitoren: s Baricitinib (Olumiant®): in CH ab 18 Jahren s Upadacitinib (Rinvoq®): in CH ab 18 Jahren s Abrocitinib (Cibinqo®): ab 18 Jahren
Quelle: AWMF-S3-Leitlinie (1), adaptiert für die Schweiz
Konjunktivitis frühzeitig gegensteuern
Dupilumab, Tralokinumab (und Lebrikizumab) sind nach Ansicht von Werfel sichere Systemtherapeutika, die bislang keine gefährlichen systemischen Nebenwirkungen verursacht haben. Gründe für einen Abbruch der Therapie mit Dupilumab bei AD sind vielfältig und betreffen vor allem die ophthalmologischen Nebenwirkungen (Konjunktivitis). Hier sei eine frühe Begleitbehandlung mit Augentropfen, künstlichen Tränen etc. wichtig, so Werfel.
State of the Art: JAK-Inhibition bei AD
Ausser der Interleukinhemmung hat sich ein weiterer immunologischer Ansatz bei der systemischen Therapie von AD-Patienten etabliert: die Hemmung der Januskinasen mit JAK-Inhibitoren. Hier wird die Signalübertragung schon weiter oben in der Entzündungskaskade unterbrochen und somit gleich eine Vielzahl von Zytokinen gehemmt. Der Vorteil: JAK-Inhibitoren zeigen einen raschen therapeutischen Effekt und können als Tabletten eingenommen werden. Aufgrund ihrer antientzündlichen Wirkung werden JAK-Inhibitoren auch bei rheumatologischen (Baricitinib und Upadacitinib) und gastroenterologischen Indikationen (Upadacitinib) eingesetzt. Nach der aktuellen S3-Leitlinie zur AD-Therapie sollen JAK-Inhibitoren bei gegebener Indikation als Langzeittherapie der AD eingesetzt werden (1). Laut Werfel sind diese Substanzen auch bei besonderen Verlaufsformen (z. B. bei saisonalen Verschlechterungen) als Intervalltherapie geeignet.
Internistisches Screening vor JAK-Inhibition
Anders als bei den IL-13-Hemmern sollte vor dem Einsatz von JAK-Inhibitoren ein internistisches Screening durchgeführt und im Verlauf die Laborwerte überwacht werden, wie es auch für deren Einsatz bei Rheumapatienten dringend empfohlen wird. Vor allem sollte das individuelle Risiko für schwere Infektionen sorgfältig ermittelt werden. Bei thromboemboli-
schen Ereignissen in der Anamnese oder genetisch bedingten erhöhten Thromboserisiken sollte auf JAK-Inhibitoren verzichtet werden. Liegen keine solchen Risiken vor, sind die JAK-Inhibitoren eine sichere Systemtherapie bei AD, die sogar bei Kindern eingesetzt werden kann, so Werfel. Der JAK-Inhibitor Baricitinib ist in Deutschland bereits ab 2 Jahren zugelassen. Dies beruht vor allem auf der Studie BREEZE-AD-PEDS mit 483 Patienten von 2 bis 18 Jahren (Durchschnittsalter 12 Jahre), die 16 Wochen lang einmal täglich 1, 2 oder 4 mg Baricitinib oder Plazebo eingenommen hatten. Nach 16 Wochen ergaben sich bei der Dosis von 4 mg im Vergleich zu Plazebo statistisch signifikante Verbesserungen bei allen Endpunkten (EASI 75: 52,5 vs. 32% unter Plazebo) (6). Besonders wichtig: Es wurden keine schweren Nebenwirkungen wie thromboembolische Ereignisse oder opportunistische Infektionen berichtet.
Risiko Thromboembolie bei JAK-Inhibitoren
Werfel berichtete von Sicherheitsbedenken des Aus-
schusses für Risikobewertung im Bereich der Phar-
makovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-
agentur (EMA) zum Einsatz von JAK-Inhibitoren bei
älteren Menschen, vor allem bei Risiken für Herz-Kreis-
lauf-Erkrankungen (atherosklerotische Herz-Kreis-
lauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Hypertonie,
aktuelles Rauchen, BMI ≥ 30 kg/m2 u. a.). Laut PRAC
sollte diese Substanzgruppe nur eingesetzt werden,
wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen. Aller-
dings beruhten diese Empfehlungen auf Studien mit
JAK-Inhibitoren bei rheumatologischen Erkrankun-
gen, so Werfel.
Daher lautet Werfels Fazit für die Praxis zur aktuellen
Risikobewertung von JAK-Inhibitoren:
s Für die meisten jüngeren Patienten mit AD ohne
kardiale oder onkologische Komorbidität und
ohne erkennbare Risikofaktoren für venöse
Thromboembolien ändert sich aufgrund der aktu-
ellen Risikobewertung nichts, das heisst JAK-Inhi-
bitoren können wie bisher eingesetzt werden.
s Neu ist die Empfehlung, bei Rauchern und ehe-
maligen Langzeitrauchern und bei allen Patienten
> 65 Jahren JAK-Inhibitoren nur in zweiter Linie
einzusetzen.
s In den Fachinformationen der JAK-Inhibitoren
wird künftig die hormonelle Kontrazeption mit
Kombinationspräparaten als Risikofaktor für ve-
nöse Thromboembolien genannt werden, bei der
JAK-Inhibitoren «mit Vorsicht» eingesetzt werden
sollen.
s
Angelika Ramm-Fischer Quelle: Allergo-Update, Berlin, 1. März 2024.
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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Referenzen: 1. Werfel T et al.: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-027) 2. Hartmann J et al.: TREATgermany Study Group. Dupilumab but not cyclosporine
treatment shifts the microbiome toward a healthy skin flora in patients with moderate-to-severe atopic dermatitis. Allergy. 2023;78(8):2290-2300. doi: 10.1111/ all.15742. 3. Paller AS et al.: Efficacy and Safety of Tralokinumab in Adolescents With Moderate to Severe Atopic Dermatitis: The Phase 3 ECZTRA 6 Randomized Clinical Trial. JAMA Dermatol. 2023;159(6):596-605. doi: 10.1001/jamadermatol.2023.0627. 4. Silverberg JI et al.: ADvocate1 and ADvocate2 Investigators. Two Phase 3 Trials of Lebrikizumab for Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis. N Engl J Med. 2023;388(12):1080-1091. doi: 10.1056/NEJMoa2206714. 5. Blauvelt A et al.: Efficacy and safety of lebrikizumab in moderate-to-severe atopic dermatitis: 52-week results of two randomized double-blinded placebo-controlled phase III trials. Br J Dermatol. 2023 May 24;188(6):740-748. doi: 10.1093/bjd/ ljad022. 6. Torrelo A et al.: Efficacy and safety of baricitinib in combination with topical corticosteroids in paediatric patients with moderate-to-severe atopic dermatitis with an inadequate response to topical corticosteroids: results from a phase III, randomized, double-blind, placebo-controlled study (BREEZE-AD PEDS). Br J Dermatol. 2023;189(1):23-32. doi: 10.1093/bjd/ljad096.
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