Transkript
Kongressbericht
10th Gastrointestinal Cancers Symposium der ASCO (ASCO GI), San Francisco, 24. bis 26. Januar 2013
Pankreaskarzinom
Drei neue Therapiekonzepte verlängern das Gesamtüberleben
Als der ASCO GI im Jahr 2002 zum ersten Mal stattfand, gab es mit Gemcitabin nur eine medikamentöse Option zur Behandlung des Pankreaskarzinoms, inzwischen gibt es mehrere Alternativen. Im adjuvanten Setting war die wichtigste Erkenntnis der letzten 10 Jahre, dass Patienten überhaupt von einer systemischen Therapie profitieren, erklärte ASCO GI-Mitbegründerin Margaret A. Tempero beim 10-JahrJubiläum des Kongresses in San Francisco.
2005 wurde Erlotinib als erste zielgerichtete Therapie zugelassen; 2010 zeigte die Kombination FOLFIRINOX eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens in der Erstlinientherapie der metastasierten Erkrankung. Das Pankreaskarzinom ist die maligne Erkrankung mit der geringsten Überlebenszeit innerhalb der epithelialen Tumoren. Beim diesjährigen Gastrointestinal Cancers Symposium der American Society of Clinical Oncology (ASCO GI) wurden gleich 3 Studien zu neuen Regimen präsentiert, die in verschiedenen Settings einen Überlebensvorteil erzielten.
JASPAC-01-Studie: S-1 im adjuvanten Setting
Die «Japanische Studiengruppe Adjuvante Therapie beim Pankreaskarzinom» (JASPAC) untersuchte das orale Fluoropyrimidin S-1 im adjuvanten Setting (1). In der multizentrischen Phase-III-Studie JASPAC 01 erhielten 378 Patienten innerhalb von 10 Wochen nach Tumorresektion randomisiert Gemcitabin oder S-1. Die Patienten waren median 65,8 Jahre alt und hatten mehrheitlich einen Performance-Status (PS) von 0. Annähernd 90% der Patienten waren R0-reseziert. Nach 180 letalen Ereignissen wurde eine geplante Interimsanalyse durchgeführt, deren Veröffentlichung von einem unabhängigen Beobachtungskomitee empfohlen wurde. Der primäre Endpunkt, die Nichtunterlegenheit bezüglich des Gesamtüberlebens (OS) unter Therapie mit S-1 versus Gemcitabin, wurde erreicht. Mit einer Hazard Ratio von 0,56 wurde sowohl die signifikante Nichtunterlegen-
heit (p < 0,0001) als auch die signifikante Überlegenheit von S-1 (p < 0,0001) gezeigt. Die 2-Jahres-OS-Rate betrug 70% unter S-1 versus 53% im Gemcitabinarm. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) betrug 23,2 versus 11,2 Monate und das 2-Jahres-PFS 49% unter S-1 versus 29% im Gemcitabinarm. An Nebenwirkungen traten unter Gemcitabin häufiger hämatologische Nebenwirkungen auf, unter S-1 waren die nicht hämatologischen Nebenwirkungen leicht erhöht, mit Appetitlosigkeit Grad 3 bei 8% der Patienten als häufigstem Event. Insgesamt waren beide Therapien im adjuvanten Setting gut verträglich. Fazit: S-1 wird, zumindest in Japan, der neue Standard für die adjuvante Behandlung von Pankreaskarzinompatienten. Für kaukasische Patienten sollten in einer ähnlichen Studie die Nachweise der Überlegenheit abgewartet werden. SCALOP-Studie: Capecitabin-basierte Chemoradiotherapie bei lokal fortgeschrittenem Karzinom Das lokal fortgeschrittene Pankreaskarzinom zeigt sowohl bei alleiniger Chemotherapie als auch bei Chemoradiotherapie (CRT) ein Gesamtüberleben von rund 10 Monaten. Derzeit ist in England eine alleinige Chemotherapie der Standard. Um ein national befürwortetes CRT-Protokoll zu etablieren, wurden die Wirksamkeit und die Sicherheit der zwei CRTSchedules Capecitabin-RT und Gemcitabin-RT untersucht (2). Nach Induktion mit 4 Zyklen Gemcitabin plus Capecitabin wurden Patienten in einen Gemcitabinarm (300 mg/m2, wöchentlich) oder einen Capecitabinarm (830 mg/m2, BID, oral; Mo-Fr) randomisiert. Beide Chemotherapien wurden mit einer Bestrahlung von 50,4 Gy/28 F (Mo–Fr) kombiniert. Der primäre Endpunkt war das PFS nach 39 Wochen, sekundäre Endpunkte waren unter anderem Sicherheit, 1-Jahres-OS, PFS und Ansprechen. 74 Patienten konnten in 28 englischen Zentren randomisiert werden. Das mediane Alter betrug 64,2 Jahre, über 90% der Patienten hatten einen PS von 0 bis 1. Hämatologische Nebenwirkungen Grad 3 und 4 wurden im Gemcitabinarm bei 18,4% der Patienten versus 0% unter Capecitabin und nicht hämatologische Nebenwirkungen Grad 3 und 4 bei 26,3% versus 11,1% der Patienten beobachtet. Nach 9 Monaten waren 51,4% der Patienten im Gemcitabinarm und 62,9% im Capecitabinarm progressionsfrei. Dieser Unterschied war signifikant «nicht verschieden» und die Studie eigentlich negativ. Das mediane PFS betrug 12 versus 10,4 Monate (HR = 0,60; p = 0,111). Unter Gemcitabin wurde eine Krankheitskontrolle bei 31 Patienten erreicht (CR: 0, PR: 7, SD: 24), im Capecitabinarm bei 30 der Patienten (CR: 2, PR: 6, SD: 22). Das OS war mit median 13,4 versus 15,2 Monate im Capecitabinarm signifikant länger (HR = 0,39; pv= 0,012). Fazit: Die Kombination von Capecitabin mit einer Radiotherapie war weniger toxisch als der Kombinationspartner Gemcitabin. Dieser Benefit wurde ohne Einbussen bei der lokalen Kontrolle, aber mit einer signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht. MPACT-Studie: nab-Paclitaxel bei metastasierter Erkrankung In präklinischen Modellen konnte die Wirksamkeit von nab-Paclitaxel als Monotherapie und die Synergie mit Gemcitabin gezeigt werden, welches in einer Phase-I/II-Studie bestätigt wurde. In der SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2013 39 Kongressbericht 10th Gastrointestinal Cancers Symposium der ASCO (ASCO GI), San Francisco, 24. bis 26. Januar 2013 internationalen, multizentrischen PhaseIII-Studie MPACT erhielten nun 861 therapienaive Patienten mit Adenokarzinom des Pankreas im Stadium IV Gemcitabin ± nab-Paclitaxel bis Tumorprogress (3). Primärer Endpunkt war das OS, sekundäre Endpunkte unter anderem PFS, Ansprechen und Sicherheit. Die Patienten waren median 63 Jahre alt, 58% waren männlich. 84% der Patienten wiesen eine Metastasierung der Leber und 39% der Lunge auf. 47% der Patienten hatten 2, 46% ≥ 3 Metastasenlokalisationen. Der Karnofsky-PS lag bei 60% der Patienten zwischen 90 und 100 und bei 40% zwischen 70 und 80. Der primäre Endpunkt wurde erreicht. Das OS war mit median 8,5 versus 6,7 Monaten in Kombination mit nab-Paclitaxel signifikant länger als unter Gemcitabin-Monotherapie (HR = 0,72; p < 0,001). Das PFS war mit median 5,5 versus 3,7 Monaten ebenfalls signifikant verlängert (HR = 0,69; p < 0,0001). Nab-Paclitaxel war effektiv in allen untersuchten Subgruppen und vor allem bei Patienten mit schlechter Prognose. Ein Ansprechen wurde bei 23% im experimentellen Arm versus 7% im Kontrollarm beobachtet. Die Krankheitskontrollrate (CR+PR+SD) betrug 48% versus 33%. Hämatologische sowie nicht hämatologische Nebenwirkungen Grad ≥ 3 traten etwas häufiger unter der Zugabe von Avatar-Mäuse – das Tor zur personalisierten Medizin Um den Therapieerfolg zu erhöhen, müssen präklinische Strategien entwickelt werden, durch die Patienten individuellen Therapien zugeführt werden können. Bei verschiedenen Tumorentitäten, so auch beim Pankreaskarzinom, untersuchen Wissenschaftler die Möglichkeit, Tumorzellen in Mäuse zu implantieren und das Xenograft verschiedenen Therapien zuzuführen. Ist der Patient schliesslich progredient, so kann ihm die Therapie angeboten werden, die im Mausmodel am wirksamsten war. Mithilfe von Genanalysen wurden inzwischen verschiedene Mutationen gefunden, die prädiktiv für diverse Substanzen sein können. Die Heterogenität des Pankreaskarzinoms kann jedoch den Behandlungserfolg einer einzigen Substanz reduzieren – selbst innerhalb einer Läsion wurden an verschiedenen Stellen unterschiedliche Mutationen gefunden. Dennoch ist das Genexpressionsprofiling ein vielversprechendes Werkzeug zur Prädiktion. Erste Studien mit zirkulierenden und invasiven Tumorzellen zeigten die Übereinstimmung der Wirksamkeitstests von einzelnen Substanzen und deren Kombinationen in Zelllinien mit dem Tumoransprechen im Xenograft. Quellen: Manuel Hidalgo: Using avatar mouse models to personalize PDA treatment. ASCO GI 2013, Oral presentation, General Session II. Kenneth H. Yu: Use of pharmacogenomics modelling in pancreatic cancer for prediction of chemotherapy response and resistance. ASCO GI 2013, Oral presentation, General Session II. nab-Paclitaxel auf, aber es wurde keine Zunahme an lebenszeitverkürzenden To- xizitäten beobachtet. Insgesamt waren die Nebenwirkungen akzeptabel und kontrollierbar. Fazit: Gemcitabin plus nab-Paclitaxel ist ein neuer Standard in der Behandlung des Pankreaskarzinoms und könnte zu ei- nem neuen «Backbone» für weitere Regi- me werden. ▲ Ine Schmale Quellen: 1. Katsuhiko Uesaka et al.: Randomized phase III trial of adjuvant chemotherapy with gemcitabine vs. S-1 for resected pancreatic cancer patients (JASPAC 01 study). ASCO GI 2013, Oral Abstract und Poster, #145. 2. Somnath Mukherjee et al.: Induction GEMCAP chemotherapy followed by gemcitabine or capecitabine based chemoradiation for locally advanced pancreatic cancer: the final results of the SCALOP trial. ASCO GI 2013, Oral Abstract & Poster, #LBA146. 3. Daniel D. Von Hoff et al.: Randomized phase III study of weekly nab-paclitaxel plus gemcitabine vs. gemcitabine alone in patients with metastatic adenocarcinoma of the pancreas (MPACT). ASCO GI 2013, Oral Abstract & Poster, #LBA148. 40 SCHWEIZER ZEITSCHRIFT FÜR ONKOLOGIE 2/2013