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EADV 2023
Update zur Evidenzlage
Die Wirkung von Nutraceuticals auf die Haut
Funktionelle Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel sollen gesundheitlichen Nutzen haben, auch auf die Haut. Dabei ist die Wirksamkeit vieler dieser Produkte nicht gesichert. Christopher Hopper von der University of Southampton/GB stellte an der EAACI-Jahrestagung in Berlin die dermatologischen Evidenzen von 5 wichtigen Nutraceuticals vor.
Unter dem Eindruck zunehmender Entfremdung von der Natur höre man derzeit von vielen Ärzten vom steigenden Wunsch der Patienten nach mehr medizinischen Naturprodukten und weniger synthetischen Substanzen, erklärte Hopper. Tatsächlich wächst der Markt für so genannte Nutraceuticals (zusammengesetzt aus nutrition und pharmaceutical) stetig. So lag gemäss dem «Global Nutraceuticals Market Group Analysis Report» im Jahr 2023 der Markt für solche Produkte bei weltweit 317 Milliarden Dollar. Es wird geschätzt, dass er bis 2030 auf 600 Milliarden wächst.
einer weiteren Metaanalyse wurde die Supplementierung von Vitamin D bei Patienten mit polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS) untersucht (2). Die Analyse von 11 Studien mit 483 PCOS-Patienten zeigte gegenüber Plazebo eine Verbesserung der Level des Totaltestosterons, der Insulinresistenz, der β-Zellfunktion, des Totalcholesterins und des LDL. Nicht verbessert hatten sich der BMI, die Triglyceride und die HDL-Level. Insgesamt habe sich der Fettstoffwechsel bei den Patienten jedoch deutlich verbessert, so das Urteil der Autoren.
Wissenschaftliche Evidenz durchwachsen
Nutraceuticals sind aufbereitete Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, die einen positiven physiologischen Effekt auf bestimmte Erkrankungen zeigen sollen. Man kann sie als Hybrid zwischen einem Medikament und einem Nahrungsmittel bezeichnen. Das Problem: «Ihre wissenschaftliche Evidenz ist oft ziemlich durchwachsen», sagte Hopper. So würden die Studien häufig nur geringe Teilnehmerzahlen und Kontrollgruppen aufweisen und seien oft von den Produzenten selbst durchgeführt worden. Bei der Auswahl der, seiner Meinung nach, wichtigsten 5 Nutraceuticals für seinen Vortrag handele es sich um «interessante Kombinationen aus physiologischen Effekten und wissenschaftlichen Evidenzen».
Vitamin D
Bekanntlich ist Vitamin D lebenswichtig für die Knochen und die Phosphatregulierung, für die Hautdifferenzierung, das Immunsystem, die Muskulatur, Nervenzellen, das Herz-Kreislaufsystem und für zahlreiche andere Funktionen. Ein zu tiefer Vitamin-D-Spiegel erhöht das Risiko von Diabetes, Hypertonie, Entzündungen, Akne, Rosazea und sogar Schizophrenie. In einer Metaanalyse mit 20 Studien und 1882 Fällen von atopischer Dermatitis zeigte sich, dass AD-Betroffene einen signifikant tieferen Vitamin-D-Spiegel aufwiesen als gesunde Kontrollpersonen (p < 0,001) (1). Entsprechend verbesserte eine Vitamin-D-Supplementierung die Symptome der Betroffenen (p < 0,001). In
Resveratrol
Das Polyphenol Resveratrol findet sich in Weintrauben (damit auch in Rotwein), Himbeeren, Pflaumen, Erdnüssen, Tomaten und einer Reihe von weiteren Früchten. Einen dermatologisch nützlichen Effekt zeige es erst in relativ hohen Dosen (0,5 g bis 1 g/Tag), meinte Hopper. So wirkt Resveratrol, gemäss einer Studie aus dem Jahr 2022, dem Verlust der Hautelastizität entgegen, indem es die Kollagensynthese anregt; es bietet Schutz vor UV-Schäden respektive freien Radikalen, reduziert Falten und fördert die Hautregeneration (3). Laut der ausgewerteten Literatur gebe es keine Zweifel, dass Resveratrol das Potenzial habe, um im kosmetischen und dermatologischen Bereich eingesetzt zu werden, so Hopper. Als hilfreich gelten 0,5 bis 1 Gramm pro Tag, was jedoch über normale Nahrungszufuhr, beispielsweise über Rotweinkonsum, kaum machbar ist: «Wenn wir die dafür notwenige Dosierung erreichen wollten, müssten wir täglich rund vier bis fünf Liter Wein trinken. Und das wäre langfristig wenig hilfreich.» In vitro zeigte sich, dass Resveratrol Entzündungszellen stoppt und bei Mäusen die Lebenszeit verlängert, ohne dass die Tiere dafür hungern müssen. In einer doppelblinden, plazebokontrollierten Untersuchung mit 50 Freiwilligen hatten die Teilnehmer unter Resveratrol nach 60 Tagen signifikant bessere Resultate hinsichtlich Hydratation und Elastizität der Haut sowie weniger Haut-Rauigkeit vorzuweisen (4).
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duktion (8). Nach 90 Tagen konnte in einer anderen Untersuchung eine Verminderung der Gesichtsfalten beobachtet werden. Zusätzlich wurden eine Zunahme der Typ-1-Prokollagen-Genexpression und eine Abnahme von UV-induzierten DNA-Schäden festgestellt, was auf die antioxidative Wirkung zurückgeführt werden kann. Auch Patienten mit Psoriasis (n = 80) oder atopischer Dermatitis (n = 99) profitierten von einer Omega-3-Fettsäuren-Supplimierung (9, 10). Die Haut, sowohl bei den Psoriasisbetroffenen als auch bei den Atopikern, zeigte klinische Verbesserungen. Allerdings sollte beachtet werden, dass fettiger Fisch in der heutigen Zeit auch Schwermetallvergiftungen nach sich ziehen könnte, warnte der Experte.
Französische Seekiefern (Foto: Patrick Verdier/wikimedia commons)
Auch die reaktiven oxidativen Metaboliten und Altersflecken hatten sich verringert, so die Autoren. Allerdings zeigte Resveratrol gemäss einer weiteren Studie keinen Einfluss auf die Lebenserwartung (5). So wiesen unterschiedliche Resveratrol-Konzentrationen keinerlei Assoziationen zu Entzündungsparametern (C-reaktives Protein, verschiedene Interleukine und Tumornekrosefaktor) oder zum Auftreten von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf.
Ungesättigte Fettsäuren
Gemäss den britischen Guidelines sollte man zwei Portionen fettigen Fisch pro Woche verzehren. Bekannt ist, dass ungesättigte Fettsäuren vor allem für die kardiovaskuläre Gesundheit nützlich sind. In einem Review aus dem Jahr 2018 zeigte sich, dass gemäss verschiedener kleinerer Studien auch unsere Haut von Omega-3-Fettsäuren profitiert (6). Eine vierwöchige Gabe von Fischölkapseln erwies sich im Vergleich zu Plazebo als photoprotektiv. So reduzierte sich nach UV-Exposition die minimale Erythemdosis (MED) signifikant (7). Diese minimale Erythemdosis (MED) (auch Erythemschwellendosis) ist ein Mass für die Toleranz der menschlichen Haut gegenüber der Sonnenstrahlung, insbesondere gegenüber dem kurzwelligen ultravioletten Anteil des Spektrums. In einer weiteren Studie zeigte sich nach 6- und 10-wöchiger Fischöl-Gabe ebenfalls eine solche MED-Re-
Knoblauch
Eines der umstrittensten, aber auch eines der am besten untersuchten Nutraceuticals ist der Knoblauch. Bislang existieren mehr als 80 Studien zu den gesundheitlichen Effekten dieses beliebten Lauchgewächses, darunter auch doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Untersuchungen. Demnach wirkt Knoblauch antiinflammatorisch und antioxidativ sowie protektiv auf Herz und Gefässe (einschliesslich anti-koagulierende Eigenschaften) (11). Evidenzen für einen dermatologischen Benefit lägen für Patienten mit Psoriasis und atopischer Dermatitis vor, sagte Hopper. Gemäss einer nicht-randomisierten Pilotstudie soll Knoblauch zudem anti-erythematöse und antiödematöse Eigenschaften besitzen.
Französische Seekiefer
Der Rindenextrakt aus der französischen Seekiefer (Pinus pinaster subsp. atlantica) ist reich an Flavonoiden und phenolischen Säuren. Er soll kardioprotektive und Cholesterin-senkende sowie antioxidative, antidiabetische und antientzündliche Effekte haben (6). In einer kleinen Studie mit 20 Freiwilligen konnte eine Zunahme der Hautelastizität und Hydratation beobachtet werden, wobei die geringe Teilnehmerzahl an der Validität der Ergebnisse zweifeln lässt (12). Auch die Rauigkeit der Haut hatte sich in einer anderen Studie nach 12-wöchiger Kieferextrakt-Supplementierung gegenüber der Kontrollgruppe vermindert (13). In einer Untersuchung mit 30 Frauen, die dreimal am Tag eine Kieferextrakt-Tablette (3 × 25 mg/Tag) über einen Monat hinweg eingenommen hatten, zeigten die Bereiche mit Melasma und die durchschnittliche Pigmentierungsintensität eine signifikante Abnahme (14). Die Studie wurde allerdings ohne Plazebogruppe durchgeführt. Schliesslich hatten sich in einer ebenfalls nicht plazebokontrollierten Studie mit 112 Frauen unter dem Einfluss des Seekieferextraktes nach 24 Wochen bestimmte klinische «skin photo-aging scores» und damit beispielsweise die Anzahl der Altersflecken signifikant reduziert (15).
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Fazit: «Diese 5 Nutraceuticals sind in der Lage, der
Haut aktiv zu helfen und damit den natürlichen Alte-
rungsprozess zu verlangsamen», zeigte sich Hopper
überzeugt.
s
Klaus Duffner
Quelle: Subspeciality Session der European Society for Cosmetics and Aesthetic Dermatology (ESCAD); Vortrag «Evidence based oral supplements to improve skin quality» beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) am 11. Oktober 2023 in Berlin.
Referenzen: 1. Ng JC, Yew YW: Effect of Vitamin D Serum Levels and Supplementation on Atopic
Dermatitis: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Clin Dermatol. 2022;23(3):267-275. doi: 10.1007/s40257-022-00677-0. 2. Miao CY et al.: Effect of vitamin D supplementation on polycystic ovary syndrome: A meta-analysis. Exp Ther Med. 2020;19(4):2641-2649. doi: 10.3892/ etm.2020.8525. 3. Leis K et al.: Resveratrol as a factor preventing skin aging and affecting its regeneration. Postepy Dermatol Alergol. 2022;39(3):439-445. doi: 10.5114/ ada.2022.117547. 4. Buonocore D et al.: Resveratrol-procyanidin blend: nutraceutical and antiaging efficacy evaluated in a placebocontrolled,double-blind study.Clin Cosmet Investig Dermatol. 2012;5:159-165. doi: 10.2147/CCID.S36102. 5. Semba RD et al.: Resveratrol levels and all-cause mortality in older community-dwelling adults. JAMA Intern Med. 2014;174(7):1077-84. doi: 10.1001/jamainternmed.2014.1582. 6. Pérez-Sánchez A et al.: Nutraceuticals for Skin Care: A Comprehensive Review of Human Clinical Studies. Nutrients. 2018;10(4):403. doi: 10.3390/nu10040403. 7. Rhodes LE et al.: Dietary fish-oil supplementation in humans reduces uvb-erythemal sensitivity but increases epidermal lipid peroxidation. J Investig Dermatol. 1994;103:151–154. 8. Cho S et al.: High-dose squalene ingestion increases type 1 procollagen and decreases ultraviolet-induced DNA damage in human skin in vivo but is associated with transient adverse effects. Clin Exp Dermatol. 2009;34:500–508. 9. Lassus A et al.: Effects of dietary supplementation with polyunsaturated ethyl ester lipids (angiosan) in patients with psoriasis and psoriatic arthritis. J Int Med Res. 1990;18:68–73. 10. Wright S, Burton JL: Oral evening-primrose-seed oil improves atopic eczema. Lancet. 1982;2:1120–1122. 11. Ansary J et al.: Potential Health Benefit of Garlic Based on Human Intervention Studies: A Brief Overview. Antioxidants (Basel). 2020;9(7):619. doi: 10.3390/antiox9070619. 12. Marini A et al.: J. Pycnogenol(r) effects on skin elasticity and hydration coincide with increased gene expressions of collagen type i and hyaluronic acid synthase in women. Skin Pharmacol Physiol. 2012;25:86–92. 13. Segger D, Schonlau F: Supplementation with Evelle improves skin smoothness and elasticity in a double-blind, placebo-controlled study with 62 women. J Dermatol Treat. 2004;15:222–226. 14. Ni Z et al.: Treatment of melasma with pycnogenol. Phytother Res. 2002;16:567– 571. 15. Furumura M et al.: Oral administration of French maritime pine bark extract (Flavangenol®) improves clinical symptoms in photoaged facial skin. Clin Interv Aging. 2012;7:275-86. doi: 10.2147/CIA.S33165.
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