Transkript
KONGRESSBERICHT
EADV 2023
Stigma Akne
Auf die Lokalisation kommt es an
Erwachsene Frauen mit Akne fühlen sich nicht nur hässlich, sie werden auch als unattraktiv, wenig vertrauenswürdig und unglücklich wahrgenommen. Wie stark das beim Betrachter ausgeprägt ist, hängt unter anderem von der Lokalisation der Läsionen im Gesicht ab: die periorale Region wird als besonders hässlich empfunden. Das hat Folgen für das gesamte Leben der Betroffenen.
In den letzten 10 Jahren hat die Akne bei erwachsenen Frauen weltweit um 10 Prozent zugenommen, wie Dr. Marek Jankowski aus Bydgoszcz (Polen) auf der Pressekonferenz beim EADV-Kongress 2023 berichtete: «Mit mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung auf diesem Gebiet habe ich immer wieder festgestellt, dass Akne bei erwachsenen Frauen im Vergleich zu jugendlicher Akne zu mehr sozialen Problemen führt. Diese Empfindungen korrelieren nur selten mit dem tatsächlichen Schweregrad der Erkrankung.» Akne hat bei erwachsenen Frauen schwerwiegende psychische Folgen: Mehrere Studien haben bereits gezeigt, wie die Wahrnehmung abwertender körperlicher Merkmale zu sozialem Stress, einschliesslich sozialer Isolation bis hin zu Depression führen kann. Ein hohes biologisches Stresslevel gilt generell als Risikofaktor für die Gesundheit allgemein und als Triggerfaktor für Akne. Im Einzelnen erschwert das geminderte Selbstwertgefühl es beispielsweise, einen Partner zu finden und eine Familie zu gründen. Doch nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich wirken sich Pickel und Pusteln aus: Akne beeinflusst auch das Berufsleben, denn das Aussehen ist heutzutage ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit am Arbeitsplatz und beispielsweise oft ausschlaggebend dafür, ob ein Bewerber eingestellt wird oder nicht.
Attraktivitätsmessung per Blickaufzeichnung
Polnische Wissenschaftler der Universität Thorn wollten nun wissen, ob das allgemein für Akne-Patientinnen gilt, oder ob es Unterschiede bei der Wahrnehmung von Pickeln und Pusteln gibt und ob der emotionale Ausdruck ebenfalls in die Bewertung einfliesst (1). Dazu legten sie eine Studie auf, bei der mittels Blickaufzeichnungen die Wahrnehmung registriert wurde. Die Forscher verfolgten die Augenbewegungen von 245 Teilnehmern, die emotionale Gesichter (die Emotionen umfassten «glücklich», «wütend» und «neutral») von Frauen mit reiner Haut und Frauen mit klinisch relevanten anatomischen Varianten von Akne betrachteten. Dabei wurde die Akne-bezogene visuelle Störung bewertet. Getrennt davon wurde eine Gruppe von 205 Personen gebeten, die Persönlichkeitsmerkmale der auf den Bildern abgebildeten Personen zu bewerten.
Worst Case: Akne in der U-Zone
Die Umfrage ergab, dass Gesichter mit Akne im Vergleich zu denen ohne Akne als signifikant weniger attraktiv wahrgenommen wurden. Ebenso wurden sie als weniger vertrauenswürdig, weniger erfolgreich, weniger zuversichtlich und weniger dominant eingestuft. Glückliche Gesichter mit weiblicher Erwachsenenakne wurden als weniger glücklich bewertet als Gesichter mit reiner Haut. Besonders auffällig war, dass Frauen mit Akne in der «U-Zone» (um Kiefer, Mund und Kinn) die niedrigsten Werte für Attraktivität erhielten und deren Läsionen als optisch am störendsten empfunden wurden. Wenn periorale Akne-Läsionen fehlen, bestimmen frontale Läsionen die Auswirkungen der Akne auf die soziale Wahrnehmung, unabhängig vom Vorhandensein von Läsionen im Mittelgesicht. Wirklich überraschend für die polnischen Forscher war, dass Bilder von Akne-Patientinnen mit generalisierter Akne (Läsionen im gesamten Gesicht) positiver bewertet wurden als die Bilder, auf denen die Akne in der «U-Zone» zu sehen war.
Lokalisation in den Therapieplan einbeziehen
Daher solle, wie Jankowski betonte, diese Wahrneh-
mungshierarchie bei der Behandlung berücksichtigt
werden. Das heisst, eine Remission ist zuerst in den
perioralen und frontalen Bereichen anzustreben. Lei-
der sei dieses Ziel der Akne-Behandlung noch nicht
in der Praxis angekommen, beklagte Jankowski. In
den Leitlinien gelte nach wie vor als Grundlage des
Therapieerfolgs die Zahl der Läsionen – unabhängig
von deren Lokalisation.
Laut Jankowski, der auch Hauptautor der Studie ist,
unterstreichen diese Ergebnisse noch einmal deut-
lich die emotionale und psychische Belastung, die
Erwachsene mit Akne erfahren.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Pressekonferenz beim Kongress der European Academy of Dermatology and Venerology (EADV) am 6. Oktober 2023 in Berlin.
Referenz: 1. Jankowski M, Goroncy A: Investigating the impact of acne’s anatomical variations
on social perception. EADV-Congress 2023; Abstract Nr: 1490, Poster ID P0037.
18 SZD 1/2024